Bei ADHS auch auf Tic-Störung achten

Eine ADHS ist oft nicht die einzige psychische Störung betroffener Kinder. Nicht selten entwickelt sich zusätzlich beispielsweise eine Tic-Störung, die weitere psychische und soziale Probleme mit sich bringt. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Mehr als 60% der Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) lassen Anzeichen mindestens einer Komorbidität erkennen, die zusätzliche psychische und soziale Probleme mit sich bringen kann. Häufig ist eine ADHS mit einer chronischen Tic-Störung (CTD) vergesellschaftet, die wiederum neue Begleiterscheinungen nach sich zieht. Auf der Basis von Längsschnittdaten einer großen Kohorte haben William Poh von der Universität Melbourne und Kollegen jetzt die Prävalenz der CTD von Kindern mit ADHS im Alter von sieben und zehn Jahren ermittelt. Zudem verglichen sie das Auftreten internalisierender und externalisierender Störungen, soziale Fähigkeiten, schulische Leistungen und Lebensqualität von ADHS-Patienten mit und ohne zusätzliche CTD. In die Studie eingeschlossen wurden 179 Kinder mit ADHS zwischen sechs und acht Jahren und 212 Kinder ohne ADHS (Kontrollen). Mehr Unruhe, mehr Anspannung, mehr Ärger Im Vergleich zur Kontrollgruppe trat bei Siebenjährigen mit ADHS viermal häufiger zusätzlich eine CTD in Form einer chronisch motorischen oder chronisch vokalen Tic-Störung oder eines Tourette-Syndroms auf. In der Gruppe der Zehnjährigen war diese Quote sechsfach höher. Zudem hatten Kinder mit der Kombination ADHS + CTD signifikant häufiger weitere psychische Probleme. So traten bei 52,4% der Kinder beispielsweise internalisierende Störungen auf, im Vergleich zu 23,8%, wenn ausschließlich eine ADHS vorlag. An der Spitze standen hier mit 19,1% vs. 3,2% die generalisierten Angststörungen. Darüber hinaus kam es bei Kindern mit ADHS + CTD signifikant häufiger zu Schwierigkeiten mit Gleichaltrigen. Auch die Lebensqualität wurde, insbesondere auf emotionaler Ebene, geringer eingeschätzt als die von ADHS-Patienten ohne CTD. Variabler Verlauf erfordert regelmäßige Kontrollen Die meisten Kinder mit einer CTD-Komorbidität ließen allerdings nicht zu beiden Untersuchungszeitpunkten (mit sieben und zehn Jahren) Zeichen der CTD erkennen. Dies lasse vermuten, so Poh und Kollegen, dass sich die CTD-Symptomatik im Zusammenhang mit einer ADHS dynamisch verhalte. Offenbar zeigen sich Hinweise auf eine CTD während der ersten Schuljahre. Die Remissionsrate der CTD erreichte in der Untersuchung von Poh und Kollegen 80%, ähnlich wie in einer früheren Studie mit 65% Remission und einem Neuauftreten von 50% bei ADHS-Patienten im 4-Jahres-Verlauf. Dieses flexible Auftreten mache deutlich, so die Studienautoren, wie wichtig es sei, bei Kindern mit ADHS routinemäßig und wiederholt auch auf die Symptome einer CTD zu achten. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie häufig tritt bei ADHS-Patienten begleitend eine chronische Tic-Störung auf und welche zusätzlichen Belastungen bringt sie mit sich? Antwort: Kinder mit ADHS leiden mit sieben Jahren viermal und im Alter von zehn Jahren sechsmal häufiger als psychisch gesunde Kinder an einer chronischen Tic-Störung. Dies schafft weitere psychiatrische und funktionale Belastungen. Bedeutung: Sowohl bei der Erstdiagnostik, als auch im Verlauf einer ADHS sollte auf begleitende Tic-Störungen geachtet und diese ggf. auch therapeutisch miterfasst werden. Einschränkung: Die statistische Aussagekraft der Analyse wird durch die relativ geringe Zahl von Kindern mit ADHS + CTD eingeschränkt. Außerdem wurden die Tic-Störungen durch Elterninterviews eruiert.

Springer Medizin

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