ADHS: Wie die Mutter, so der Sohn

Bei Nachkommen von Müttern mit ADHS tritt die Erkrankung häufiger auf als bei Kindern von betroffenen Vätern. Diese und weitere Erkenntnisse zur ADHS-Entwicklung über Generationen liefert eine Studie mit fast 2,5 Millionen Probanden. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die Entwicklung von ADHS ist sowohl genetisch als auch durch Umwelteinflüsse bedingt, wobei die genetischen Risikofaktoren mit denen anderer psychischer Erkrankungen übereinstimmen. Norwegische Forscher verglichen in einer aktuellen Studie erstmals generationsübergreifende Rezidivmuster der Erkrankung bei Kindern von Eltern mit oder ohne ADHS sowie anderen psychischen Störungen. Dafür analysierte das Team um Dr. Berit Solberg von der Universität Bergen Daten aus norwegischen Geburtenregistern von fast 2,5 Millionen Menschen. Anhand von Diagnosen und Medikamentenverschreibungen ermittelte es Patienten mit ADHS, bipolaren Störungen, Schizophrenie oder Depressionen. Um das Risiko des Wiederauftretens von ADHS in der Folgegeneration zu schätzen, errechneten die Forscher das relative Risiko und die absoluten Prävalenzunterschiede für diese Gruppen sowie für Kontrollpersonen ohne diese Erkrankungen. Höchstes Risiko bei zwei betroffenen Eltern Die ADHS-Prävalenz war bei Nachkommen von daran erkrankten Eltern sehr hoch. Bei Söhnen zweier betroffener Eltern war sie mit 42% am höchsten, 25% betrug sie bei Töchtern – deutlich höhere Werte als bei Eltern mit anderen psychischen Störungen. Das Risiko, dass auch der Nachwuchs ADHS hatte, war bei betroffenen Müttern mehr als achtfach, bei erkrankten Vätern gut sechsfach erhöht. Auch die absoluten Differenzen in der Prävalenz waren bei Kindern von Müttern mit ADHS etwas größer als bei Kindern betroffener Väter (21% vs. 15%). Die relativen Risiken waren bei Töchtern höher, während die absoluten Unterschiede bei Söhnen größer ausfielen. Bipolare Störungen, Schizophrenie oder Depressionen bei den Eltern waren gegenüber Personen ohne diese Erkrankungen mit einem etwa doppelt so hohen Risiko für ADHS bei den Nachkommen assoziiert, egal ob es sich um Söhne oder Töchter handelte. Für das häufigere Auftreten der Erkrankung bei Kindern von Müttern mit ADHS im Vergleich zu Vätern gibt es laut der Forscher mehrere mögliche Erklärungen, etwa stärkere genetische Effekte oder ein gesundheitsbewussteres Verhalten von Frauen, die sich eher psychologisch behandeln lassen als Männer. ADHS bei Mädchen unterdiagnostiziert? Eine nicht auszuschließende Ursache für die höhere Prävalenz von ADHS bei Söhnen könne sein, dass die Erkrankung bei Töchtern unterdiagnostiziert sei, geben die Wissenschaftler zu bedenken. Mädchen haben oft andere Symptome als Jungen, sodass diese möglicherweise seltener erkannt würden. „Ärzte für Kinder- und Jugend- sowie Erwachsenenpsychiatrie sollten sich der sehr hohen Rezidivraten von ADHS bei Söhnen betroffener Eltern bewusst sein und auch mögliche Verzerrungen bei der Diagnostik von Töchtern berücksichtigen“, schließen Solberg und Kollegen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hoch ist das Risiko für ADHS bei Kindern von Eltern mit der Erkrankung oder anderen psychischen Störungen? Antwort: Das Risiko für ADHS ist bei Kindern von daran erkrankten Eltern sehr hoch, besonders bei betroffenen Müttern. Auch andere psychische Erkrankungen erhöhen das Risiko. Bedeutung: Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie sollten sich der sehr hohen Rezidivraten von ADHS bei Kindern betroffener Eltern bewusst sein. Einschränkung: Nicht alle Personen mit ADHS, die aufgrund von Kontraindikationen keine Medikamente dagegen erhalten hatten, wurden registriert.

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