Forscher glauben, ein pathogenetisches Bindeglied zwischen Parodontitis und Vorhofflimmern entdeckt zu haben. Danach verstärkt eine Entzündung des Zahnhalteapparats die atriale Fibrose als Substrat für die Arrhythmie.
Fibrotische Veränderungen im Vorhofgewebe gelten als pathogenetisches Substrat für die Entwicklung von Vorhofflimmern. Japanische Forscher wollten wissen, ob eine Beziehung zwischen Parodontitis als bakterieller Erkrankung des Zahnhalteapparats und dem Ausmaß an atrialer Fibrose bei Patienten mit Vorhofflimmern besteht.
Dazu hat die Gruppe um Dr. Shunsuke Miyauchi von der Universität Hiroshima 76 Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern (mittleres Alter: 71,7 Jahre, 37% Frauen), bei denen eine Herzoperation geplant war, in eine Studie einbezogen. Intraoperativ war bei ihnen eine Exzision des linken Vorhofohrs vorgenommen worden. Im so entnommenen Gewebe ist dann histologisch das Ausmaß an vorhandener atrialer Fibrosierung quantifiziert worden.
Atriales Gewebe histologisch untersucht
Alle Teilnehmer wurden zudem im Hinblick auf eine möglicherweise bestehende Parodontitis sehr gründlich untersucht. Parameter waren dabei unter anderen die Zahl der noch vorhandenen Zähne, Blutung bei Sondierung (bleeding on probing, BOP), die Tiefe vorhandener Zahnfleischtaschen sowie das im PISA-Index (Periodontal Inflamed Surface Area) erfasste gesamte Ausmaß der parodontalen Entzündungsfläche. Die Ergebnisse der oralen Untersuchung sind dann in Beziehung zum graduellen Fibrose-Befall in den untersuchten atrialen Gewebeproben gesetzt worden.
Von den Teilnehmern hatten 55 nicht-paroxysmales und 21 ein paroxysmales Vorhofflimmern. Eine atriale Fibrose war bei nicht-paroxysmalem Vorhofflimmern signifikant häufiger existent als bei paroxysmalem Vorhofflimmern (15,7% vs. 9,0%, p= 0,002).
Bei 25 Teilnehmern bestand eine Mitralinsuffizienz, bei 18 ein echokardiografisch dokumentierter linksatrialer Thrombus. Studienteilnehmer mit nachgewiesenen Thromben und Mitralinsuffizienz hatten häufiger fibrotische Veränderungen im Vorhofgewebe als Patienten mit anderen primären Herzerkrankungen. Die Dauer des Vorhofflimmerns korrelierte ebenfalls signifikant mit der Rate für atriale Fibrose.
Parodontitis-Parameter korrelierten signifikant mit atrialer Fibrose
Signifikante Assoziationen mit der Häufigkeit einer atrialen Fibrose ergaben sich auch für die Parodontitis-Parameter BOP (p < 0,0001), parodontale Taschentiefe ≥4 mm (p=0,02) und PISA (p < 0,0001). Auch nach Adjustierung für Faktoren wie Alter, Dauer des Vorhofflimmerns, BMI, Mitralinsuffizienz und CHADS2-Score resultierten für diese drei Parameter jeweils signifikante Assoziationen mit Fibrose im linken Vorhof.
Die Studienautoren um Shunsuke Miyauchi schlussfolgern aus diesen Ergebnissen, dass Parodontitis augenscheinlich ebenso wie Adipositas oder Hypertonie ein – durch Mund- und Zahnhygiene modifizierbarer – Risikofaktor für Vorhofflimmern ist.
Die Studienergebnisse der Gruppe, die in Kürze als Poster beim AHA-Kongress vorgestellt werden sollen, sind vorab im Fachblatt „JACC: Clinical Electrophysiology“ publiziert worden.
Deutscher Arrhythmie-Experte verweist auf Limitierungen
Als Kommentator geht Prof. Andreas Götte vom St. Vincenz-Krankenhaus in Paderborn in einem Editorial auf die Studie ein – nicht zuletzt auf ihre Limitierungen. So weist Götte darauf hin, dass „der Datensatz rein deskriptiv ist und somit eine kausale Beziehung zwischen Parodontitis und Fibrose im linken Vorhofohr nicht gezeigt wurde“.
Die genauen molekularen Mechanismen, wie Parodontitis atriale fibrotische Veränderungen verursacht, seien nicht ermittelt worden. Es bleibe unklar, ob die Freisetzung inflammatorischer Marker im Bereich entzündeter Zähne und Mundgewebe in die systemische Zirkulation direkt atriale Veränderung verursacht oder ob die durch Parodontitis induzierte Immunreaktion via Aktivierung sekundärer Faktoren die Aktivität von Fibroblasten stimuliert.
Gleichwohl trage die Studie „ein kleines Stück“ zum besseren Verständnis der Bedeutung der chronischen Inflammation für die Entwicklung von atrialer Fibrose, Vorhofflimmern und Schlaganfall bei. Jetzt müsse in Studien gezeigt werden, dass eine Behandlung der chronischen Parodontitis „atrial protektiv ist“.