Benebelt in die Notaufnahme? Nicht immer liegt’s an Drogen

Rund 6% der Patienten mit Verdacht auf eine Alkoholvergiftung haben gar keine. Neben anderen Drogen sorgen bei ihnen vor allem psychische Störungen für eine Bewusstseinstrübung. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Landen Patienten mit getrübtem Bewusstsein in der Notaufnahme, liegt nicht selten eine Alkoholvergiftung vor. Zwar sind wohl die meisten Ärzte in der Lage, solche Patienten schon durch Inaugenscheinnahme und anhand der Alkoholfahne von Personen abzugrenzen, deren veränderter Mentalstatus auf anderen Ursachen beruht. Allerdings können sie sich gelegentlich täuschen. Wird eine Alkoholvergiftung vorschnell diagnostiziert, übersehen sie vielleicht eine andere lebensbedrohliche Ursache. Wie häufig der erste Eindruck täuscht, haben Ärzte um Dr. Marc Martel vom Hennepin County Medical Center in Minneapolis anhand der eigenen Klinikdaten überprüft. Jährlich werden in dem Zentrum 110.000 Patienten behandelt, davon 7000 aufgrund einer Alkoholintoxikation. Die Ärzte um Martel analysierten den Zeitraum von Anfang 2012 bis Ende 2016. In dieser Zeit erschienen knapp 30.000 Personen mit verändertem Mentalzustand und Verdacht auf eine Alkoholvergiftung in der Notaufnahme. In solchen Fällen bestimmen die Ärzte des Zentrums routinemäßig den Alkoholgehalt im Atem. Zumeist wird dabei der Verdacht bestätigt – das geschah auch bei rund 94% in ihrer Stichprobe. Doch immerhin 1875 Personen (6,4%) hatten kein Ethanol im Atem. Solche Patienten schauten sich Martel und Mitarbeiter nun etwas genauer an. Jeder fünfte mit psychischem Problem Die Patienten ohne Alkohol im Atem waren im Schnitt 42 Jahre alt und zu drei Viertel männlich. In weiteren Untersuchungen fanden die Ärzte bei 71% von ihnen andere Drogen als Alkohol, am häufigsten waren dies Metamphetamin (bei 24%) und Opioide (bei 22%). Eine Vergiftung mit Cannabinoiden attestierten sie 16%, mit Benzodiazepinen 12% und mit Kokain 10%. Andere psychoaktive Substanzen wurden nur selten nachgewiesen. Bei 354 Patienten erwies sich eine psychische Störung als Ursache für die Bewusstseinsstörung – das waren 19% aller Patienten ohne Alkohol und 1,2% aller Patienten mit Verdacht auf eine Alkoholvergiftung. Bei 166 Patienten (9% bzw. 0,6%) führte ein anderes medizinisches Problem zur Bewusstseinstrübung, nur 18 hatten sich den Schädel irgendwo angeschlagen. 179 der Patienten ohne Alkohol (10%) mussten hospitalisiert werden. 67 von ihnen hatten illegale Drogen genommen, 51 eine Medikamentenüberdosis, bei 29 war eine Psychose die Ursache. Die übrigen litten an Sepsis, einer hepatischen Enzephalopathie, Krampfanfällen, Alkoholentzug, akutem Nierenversagen oder einer Hirnblutung. Gerade aufgrund solcher Ursachen sei eine zuverlässige und rasche Diagnose wichtig, so die Ärzte um Martel. Selbst wenn sich ein erheblicher Alkoholkonsum nachweisen lasse, müsse dieser nicht unbedingt den Hauptgrund für die Bewusstseinstrübung darstellen. So könnten bei einer vermeintlichen Alkoholvergiftung neben Ethanol weitere Drogen das Hirn vernebeln, auch seien im Suff erlittene Schädel-Hirn-Traumata keine Seltenheit. Die Ärzte um Martel plädieren daher bei Verdacht auf eine Alkoholvergiftung neben einer gründlichen Anamnese stets für einen routinemäßigen Alkoholtest. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie häufig liegen Ärzte mit einem Verdacht auf Alkoholvergiftung falsch? Antwort: In einer Untersuchung hatten rund 6% der Patienten in der Notaufnahme mit einem solchen Verdacht keinen Alkohol getrunken. Bedeutung: Es sollte stets geprüft werden, ob genug Alkohol im Blut ist, um die Bewusstseinstrübung zu erklären. Einschränkung: Monozentrische Analyse Neurologische Notfälle: Präklinische und innerklinische Akutversorgung

Springer Medizin

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