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Erschienen in: Die Kardiologie 4/2023

Open Access 12.06.2023 | Amyloidosen | Wie lautet Ihre Diagnose?

Typisches linksventrikuläres Kontraktionsmuster bei Systemerkrankung

verfasst von: Dr. med. Zvonimir Andelko Rako, Dr. med. Athiththan Yogeswaran, Prof. Dr. med. Stefan Gattenlöhner, PD Dr. med. Khodr Tello

Erschienen in: Die Kardiologie | Ausgabe 4/2023

Hinweise
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Anamnese

Ein 29-jähriger aus Liberia stammender männlicher Flüchtling wird notfallmäßig aufgrund einer hypoxischen respiratorischen Insuffizienz und Anurie aufgenommen. Eine Dialysepflichtigkeit bei chronischer Niereninsuffizienz unklarer Genese war bereits vorbekannt. Drei Tage vor Krankenhauseinweisung war der Patient in der örtlichen Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht worden. Zuvor lebte er 10 Jahre auf Malta. Dort hat der Patient einen Dialyse-Shunt erhalten und wurde dialysiert. Die Dialyse sei zuvor über einen unbestimmten Zeitraum nicht regelmäßig erfolgt. Außerdem habe er in den 3 Monaten vor Aufnahme die HIV-Medikation (Biktarvy) nicht eingenommen.

Klinischer Befund

Der Patient zeigte sich mit reduziertem Allgemeinzustand und kachektischem Ernährungszustand initial luftnötig und verwirrt. Auskultatorisch fiel ein feinblasiges Knisterrasseln links apikal betont auf. Weiterhin zeigte der Patient Anasarka und Beinödeme. Es fiel eine Makroglossie auf. Abdomensonographisch zeigte sich eine Hepatomegalie, echokardiographisch zeigte sich visuell eine basal betonte linksventrikuläre Hypokinesie. Zur Quantifizierung des linksventrikulären Kontraktionsmusters erfolgte die echokardiographische Strain-Analyse. Es zeigte sich ein Kontraktionsmuster mit Hypokinesie der basalen und mittleren Segmente bei erhaltener apikaler Kontraktion (Abb. 1a, c).

Aufnahmelabor

Leukozyten 13 giga/l, Hämoglobin 6,1 g/dl, Hämatokrit 0,16, Kreatinin 9,7 mg/dl, Kalium 6,7 mMol/l, CRP 209 mg/l, Procalcitonin 76 µg/l, BNP 3738 pg/ml, Troponin 1,87 µg/l, U‑Status: Protein ++++, Glucose +, HB +++; Spontanurin: Eiweiß 24.850,5 mg/l, Albumin 5894 mg/l.

Mikrobiologie

Urin: Nachweis von Pneumokokkenantigen.
Bronchiallavage: DNA von Pneumokokken, Haemophilus influenzae und Pneumocystis jirovecii nachweisbar mittels PCR.

Weiteres Procedere

Im Urin konnte Pneumokokkenantigen nachgewiesen werden, in der Bronchiallavage waren DNA von Pneumokokken, Haemophilus influenzae und Pneumocystis jirovecii nachweisbar. Die Diagnose einer Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie neben weiteren Pneumonieerregern konnte so gestellt werden. Diese konnte mittels Cotrimoxazol, sowie Piperacillin/Tazobactam erfolgreich behandelt werden. Es erfolgte die Ursachenabklärung der unklaren chronischen Niereninsuffizienz. Es konnten erhöhte Spiegel an freien Leichtketten serologisch nachgewiesen werden mit abnormer Kappa/Lambda-Ratio (Kappa: 565 mg/l, Lambda: 270 mg/l, Kappa/Lambda-Quotient: 2,09). Amyloid A war serologisch nachweisbar (388 mg/l).

Histologie

Die histologische Bestätigung der Verdachtsdiagnose erfolgte mittels einer tiefen rektalen Schleimhautbiopsie. In der Kongorot-Färbung des Biopsats zeigten sich im Bereich der Blutgefäße Amyloidablagerungen mit einem Färbereaktionsmuster, welches sich in der Doppelbrechung grün darstellt (Abb. 1b, d).

Wie lautet Ihre Diagnose?

Definition

Systemische Amyloidosen können durch extrazelluläre Ablagerungen fehlgefalteter Proteine alle Organsysteme betreffen [1, 2]. Entsprechend können verschiedenste Symptome und Befunde auftreten, die in der Ausprägung und Kombination stark variieren und die korrekte Diagnose erschweren können [1, 2]. Die Prognose der Amyloidose wird bestimmt durch das Ausmaß der Organbeteiligung, insbesondere der kardialen Beteiligung [1]. Bei fortgeschrittener Organbeteiligung besteht eine schlechte Prognose. Etwa ein Drittel der Patienten mit kardialer Beteiligung sterben innerhalb eines Monats nach Diagnosestellung [1]. Die Diagnose wird bioptisch gesichert (in unserem Fall mittels Rektumbiopsie: typische eosinophile interstitielle AA-Amyloidablagerungen, doppelt grün brechend im polarisierten Licht; Abb. 1b, d).
Verschiedene Grunderkrankungen können eine Amyloidose hervorrufen. Eine AA-Amyloidose kann durch Grunderkrankungen hervorgerufen werden, die eine chronische Inflammation unterhalten [2, 3]. Eine HIV-Infektion wird in der Literatur als mögliche zugrunde liegende Ursache einer AA-Amyloidose beschrieben, möglicherweise auch indirekt durch Immunsuppression und damit einhergehender Begünstigung infektiöser Ursachen für eine Inflammation [3, 4]. Therapeutisch steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.
Eine kardiale Beteiligung lässt sich laborchemisch durch erhöhte BNP- und Troponin-Spiegel bestimmen [1, 5]. Bei kardialer Beteiligung im Rahmen der systemischen Amyloidose können charakteristische Kontraktionsmuster in Erscheinung treten mit Hypokinesie der basalen und mittleren Segmente und erhaltener Kontraktion der apikalen Segmente („apical sparing“ oder „cherry on top“; Sensitivität 93 %, Spezifizität 82 %) [1, 5]. Im hier vorgestellten Fallbeispiel nutzten wir die Strain-Echokardiographie des linken Ventrikels, um das Amyloidose-spezifische Kontraktionsmuster zu quantifizieren. Mittels 18-Segment-Strainanalyse konnte so die kardiale Beteiligung im Rahmen der systemischen Amyloidose dargestellt werden (Abb. 1a, c). Eine relativ zur Strain-Analyse erhaltene linksventrikuläre Ejektionsfraktion kann den Verdacht einer kardialen Amyloidosebeteiligung noch weiter erhärten (LVEF/LVGLS-Ratio > 4,1: Sensitivität 89,7 %, Spezifizität 91,7 % [5]). In unserem Fall war auch dieser Marker positiv (3D-LVEF 39 %, LVGLS −8,2 %, LVEF/LVGLS: 4,8).

Therapie und Verlauf

Die Pneumonie als zugrunde liegende Ursache konnte mittels Antiinfektiva erfolgreich behandelt werden, und die respiratorische Gesamtsituation besserte sich erheblich. Die antivirale Therapie zur HIV-Behandlung wurde wieder etabliert und das Nierenersatzverfahren fortgesetzt.
Diagnose: Systemische Amyloidose (AA-Typ) mit kardialer Beteiligung
Trotz initial klinischer Besserung wurde der Patient im Verlauf der stationären Behandlung reanimationspflichtig bei Kammerflimmern und verstarb trotz zunächst erfolgreicher Reanimation 5 Tage später bei erneutem Auftreten von Kammerflimmern. Die ventrikulären Rhythmusstörungen führen wir auf die kardiale Beteiligung der Amyloidose zurück.

Fazit für die Praxis

  • Die Strain-Analyse quantifiziert linksventrikuläre Kontraktionsmuster. Mittels Bulls-Eye-Darstellung können Areale mit dem jeweiligen Kontraktionsausmaß farbkodiert dargestellt werden.
  • Amyloidose-typische Kontraktionsmuster können mittels Strain-Analyse nachgewiesen werden und die Verdachtsdiagnose „systemische Amyloidose“ weiter erhärten und eine kardiale Beteiligung aufzeigen.
  • Eine relativ zur Strain-Analyse erhaltene linksventrikuläre Pumpfunktion kann die Feststellung einer kardialen Beteiligung weiter untermauern (LVEF/LVGLS > 4,1 mit einer Sensitivität von 89,7 % und Spezifität von 91,7 %).

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

Z.A. Rako, A. Yogeswaran, S. Gattenlöhner und K. Tello geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
1.
Zurück zum Zitat Wechalekar AD, Gillmore JD, Hawkins PN (2016) Systemic amyloidosis. Lancet 387(10038):2641–2654CrossRefPubMed Wechalekar AD, Gillmore JD, Hawkins PN (2016) Systemic amyloidosis. Lancet 387(10038):2641–2654CrossRefPubMed
2.
Zurück zum Zitat Muchtar E, Dispenzieri A, Magen H et al (2020) Systemic amyloidosis from A (AA) to T (ATTR): a review. J Intern Med 289(3):268–292CrossRefPubMed Muchtar E, Dispenzieri A, Magen H et al (2020) Systemic amyloidosis from A (AA) to T (ATTR): a review. J Intern Med 289(3):268–292CrossRefPubMed
3.
Zurück zum Zitat Brunger AF, Nienhuis HLA, Bijzet J, Hazenberg BPC (2019) Causes of AA amyloidosis: a systematic review. Amyloid 27(1):1–12CrossRefPubMed Brunger AF, Nienhuis HLA, Bijzet J, Hazenberg BPC (2019) Causes of AA amyloidosis: a systematic review. Amyloid 27(1):1–12CrossRefPubMed
Metadaten
Titel
Typisches linksventrikuläres Kontraktionsmuster bei Systemerkrankung
verfasst von
Dr. med. Zvonimir Andelko Rako
Dr. med. Athiththan Yogeswaran
Prof. Dr. med. Stefan Gattenlöhner
PD Dr. med. Khodr Tello
Publikationsdatum
12.06.2023
Verlag
Springer Medizin
Schlagwörter
Amyloidosen
AA-Amyloidose
Erschienen in
Die Kardiologie / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 2731-7129
Elektronische ISSN: 2731-7137
DOI
https://doi.org/10.1007/s12181-023-00620-5

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