Ein 29-jähriger aus Liberia stammender männlicher Flüchtling wird notfallmäßig aufgrund einer hypoxischen respiratorischen Insuffizienz und Anurie aufgenommen. Eine Dialysepflichtigkeit bei chronischer Niereninsuffizienz unklarer Genese war bereits vorbekannt. Drei Tage vor Krankenhauseinweisung war der Patient in der örtlichen Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht worden. Zuvor lebte er 10 Jahre auf Malta. Dort hat der Patient einen Dialyse-Shunt erhalten und wurde dialysiert. Die Dialyse sei zuvor über einen unbestimmten Zeitraum nicht regelmäßig erfolgt. Außerdem habe er in den 3 Monaten vor Aufnahme die HIV-Medikation (Biktarvy) nicht eingenommen.
Klinischer Befund
Der Patient zeigte sich mit reduziertem Allgemeinzustand und kachektischem Ernährungszustand initial luftnötig und verwirrt. Auskultatorisch fiel ein feinblasiges Knisterrasseln links apikal betont auf. Weiterhin zeigte der Patient Anasarka und Beinödeme. Es fiel eine Makroglossie auf. Abdomensonographisch zeigte sich eine Hepatomegalie, echokardiographisch zeigte sich visuell eine basal betonte linksventrikuläre Hypokinesie. Zur Quantifizierung des linksventrikulären Kontraktionsmusters erfolgte die echokardiographische Strain-Analyse. Es zeigte sich ein Kontraktionsmuster mit Hypokinesie der basalen und mittleren Segmente bei erhaltener apikaler Kontraktion (Abb. 1a, c).
Bronchiallavage: DNA von Pneumokokken, Haemophilus influenzae und Pneumocystis jirovecii nachweisbar mittels PCR.
Weiteres Procedere
Im Urin konnte Pneumokokkenantigen nachgewiesen werden, in der Bronchiallavage waren DNA von Pneumokokken, Haemophilus influenzae und Pneumocystis jirovecii nachweisbar. Die Diagnose einer Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie neben weiteren Pneumonieerregern konnte so gestellt werden. Diese konnte mittels Cotrimoxazol, sowie Piperacillin/Tazobactam erfolgreich behandelt werden. Es erfolgte die Ursachenabklärung der unklaren chronischen Niereninsuffizienz. Es konnten erhöhte Spiegel an freien Leichtketten serologisch nachgewiesen werden mit abnormer Kappa/Lambda-Ratio (Kappa: 565 mg/l, Lambda: 270 mg/l, Kappa/Lambda-Quotient: 2,09). Amyloid A war serologisch nachweisbar (388 mg/l).
Anzeige
Histologie
Die histologische Bestätigung der Verdachtsdiagnose erfolgte mittels einer tiefen rektalen Schleimhautbiopsie. In der Kongorot-Färbung des Biopsats zeigten sich im Bereich der Blutgefäße Amyloidablagerungen mit einem Färbereaktionsmuster, welches sich in der Doppelbrechung grün darstellt (Abb. 1b, d).
Wie lautet Ihre Diagnose?
Definition
Systemische Amyloidosen können durch extrazelluläre Ablagerungen fehlgefalteter Proteine alle Organsysteme betreffen [1, 2]. Entsprechend können verschiedenste Symptome und Befunde auftreten, die in der Ausprägung und Kombination stark variieren und die korrekte Diagnose erschweren können [1, 2]. Die Prognose der Amyloidose wird bestimmt durch das Ausmaß der Organbeteiligung, insbesondere der kardialen Beteiligung [1]. Bei fortgeschrittener Organbeteiligung besteht eine schlechte Prognose. Etwa ein Drittel der Patienten mit kardialer Beteiligung sterben innerhalb eines Monats nach Diagnosestellung [1]. Die Diagnose wird bioptisch gesichert (in unserem Fall mittels Rektumbiopsie: typische eosinophile interstitielle AA-Amyloidablagerungen, doppelt grün brechend im polarisierten Licht; Abb. 1b, d).
Verschiedene Grunderkrankungen können eine Amyloidose hervorrufen. Eine AA-Amyloidose kann durch Grunderkrankungen hervorgerufen werden, die eine chronische Inflammation unterhalten [2, 3]. Eine HIV-Infektion wird in der Literatur als mögliche zugrunde liegende Ursache einer AA-Amyloidose beschrieben, möglicherweise auch indirekt durch Immunsuppression und damit einhergehender Begünstigung infektiöser Ursachen für eine Inflammation [3, 4]. Therapeutisch steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.
Eine kardiale Beteiligung lässt sich laborchemisch durch erhöhte BNP- und Troponin-Spiegel bestimmen [1, 5]. Bei kardialer Beteiligung im Rahmen der systemischen Amyloidose können charakteristische Kontraktionsmuster in Erscheinung treten mit Hypokinesie der basalen und mittleren Segmente und erhaltener Kontraktion der apikalen Segmente („apical sparing“ oder „cherry on top“; Sensitivität 93 %, Spezifizität 82 %) [1, 5]. Im hier vorgestellten Fallbeispiel nutzten wir die Strain-Echokardiographie des linken Ventrikels, um das Amyloidose-spezifische Kontraktionsmuster zu quantifizieren. Mittels 18-Segment-Strainanalyse konnte so die kardiale Beteiligung im Rahmen der systemischen Amyloidose dargestellt werden (Abb. 1a, c). Eine relativ zur Strain-Analyse erhaltene linksventrikuläre Ejektionsfraktion kann den Verdacht einer kardialen Amyloidosebeteiligung noch weiter erhärten (LVEF/LVGLS-Ratio > 4,1: Sensitivität 89,7 %, Spezifizität 91,7 % [5]). In unserem Fall war auch dieser Marker positiv (3D-LVEF 39 %, LVGLS −8,2 %, LVEF/LVGLS: 4,8).
Therapie und Verlauf
Die Pneumonie als zugrunde liegende Ursache konnte mittels Antiinfektiva erfolgreich behandelt werden, und die respiratorische Gesamtsituation besserte sich erheblich. Die antivirale Therapie zur HIV-Behandlung wurde wieder etabliert und das Nierenersatzverfahren fortgesetzt.
Diagnose: Systemische Amyloidose (AA-Typ) mit kardialer Beteiligung
Trotz initial klinischer Besserung wurde der Patient im Verlauf der stationären Behandlung reanimationspflichtig bei Kammerflimmern und verstarb trotz zunächst erfolgreicher Reanimation 5 Tage später bei erneutem Auftreten von Kammerflimmern. Die ventrikulären Rhythmusstörungen führen wir auf die kardiale Beteiligung der Amyloidose zurück.
Fazit für die Praxis
Die Strain-Analyse quantifiziert linksventrikuläre Kontraktionsmuster. Mittels Bulls-Eye-Darstellung können Areale mit dem jeweiligen Kontraktionsausmaß farbkodiert dargestellt werden.
Amyloidose-typische Kontraktionsmuster können mittels Strain-Analyse nachgewiesen werden und die Verdachtsdiagnose „systemische Amyloidose“ weiter erhärten und eine kardiale Beteiligung aufzeigen.
Eine relativ zur Strain-Analyse erhaltene linksventrikuläre Pumpfunktion kann die Feststellung einer kardialen Beteiligung weiter untermauern (LVEF/LVGLS > 4,1 mit einer Sensitivität von 89,7 % und Spezifität von 91,7 %).
Anzeige
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
Z.A. Rako, A. Yogeswaran, S. Gattenlöhner und K. Tello geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Mit e.Med Innere Medizin erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen des Fachgebietes Innere Medizin, den Premium-Inhalten der internistischen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten internistischen Zeitschrift Ihrer Wahl.
Ob bei einer Notfalloperation nach Schenkelhalsfraktur eine Hemiarthroplastik oder eine totale Endoprothese (TEP) eingebaut wird, sollte nicht allein vom Alter der Patientinnen und Patienten abhängen. Auch über 90-Jährige können von der TEP profitieren.
Wenn unter einer medikamentösen Hochdrucktherapie der diastolische Blutdruck in den Keller geht, steigt das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse: Darauf deutet eine Sekundäranalyse der SPRINT-Studie hin.
Insektenstiche sind bei Erwachsenen die häufigsten Auslöser einer Anaphylaxie. Einen wirksamen Schutz vor schweren anaphylaktischen Reaktionen bietet die allergenspezifische Immuntherapie. Jedoch kommt sie noch viel zu selten zum Einsatz.
Beginnen ältere Männer im Pflegeheim eine Antihypertensiva-Therapie, dann ist die Frakturrate in den folgenden 30 Tagen mehr als verdoppelt. Besonders häufig stürzen Demenzkranke und Männer, die erstmals Blutdrucksenker nehmen. Dafür spricht eine Analyse unter US-Veteranen.
Update Innere Medizin
Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.