Die vorliegende Übersicht über den Biomarker „eosinophiles kationisches Protein“ wird im Rahmen der Serie „Biomarker“ des
Zentralblatts für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie publiziert [
13,
20,
32]. Diese basiert auf Grundlagen der „Recommendation European Group on Tumor Markers“, der „Nationalen Versorgungs-Leitlinie Asthma“, der „S2k-Leitlinie zu Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma“, der „Global Strategy for Asthma Management and Prevention“, der „Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments“ und des „Rates über In-vitro-Diagnostika“ sowie der Neufassung der „Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen – Rili-BÄK“ [
12,
26,
43,
46,
64,
68].
Infobox Asthma
Asthma stellt eine der häufigsten chronischen Krankheitsentitäten von Kindern und Erwachsenen mit einer Prävalenz von etwa 334 Mio. Personen weltweit (4,3 %) dar und zeichnet sich durch verschiedene, den Respirationstrakt betreffende, Symptome und Verengungen der Atemwege aus [
1,
3,
12,
15,
26,
43,
55].
Diese Erkrankung ist das Resultat der Interaktion von genetischen mit umweltbedingten Faktoren und manifestierte sich über heterogene klinische Symptome sowie unterschiedlichen Ausprägungen von Inflammation und histologischen Umbauvorgängen [
3,
12,
26,
36,
37,
43].
Die Prävalenz ist in entwickelten Ländern, wie z. B. Australien, mit 21 % am höchsten und in Entwicklungsländern wie China mit 0,2 % am niedrigsten [
3,
33,
43]. Größere Variationen sind bei Kindern zu beobachten: z. B. für die 6‑ bis 7‑Jährigen 2,8 % in Indonesien und bis zu 37,6 % in Costa Rica und für die 13- bis 14-Jährigen 3,4 % in Albanien und bis zu 31,2 % auf der Isle of Man [
3,
37]. Die niedrigeren Erkrankungsraten in Entwicklungsländern können auf eine schlechtere medizinische Versorgung mit geringerer Diagnosestellung zurückzuführen sein, wobei die Prävalenz rapide mit dem Grad an Verwestlichung steigt [
3,
36].
Migrationsstudien haben gezeigt, dass sich die Asthmaprävalenz von Immigranten aus einem Land mit niedrigen Erkrankungsraten linear der Prävalenz des Gastlands anpasst [
3,
51].
Im Kindesalter sind Jungen aufgrund einer geringeren Bronchiengröße in Proportion zur Lungengröße stärker betroffen als Mädchen, wobei es während der Pubertät zu einer Umkehr kommt, sodass im Erwachsenenalter etwa 20 % mehr Frauen als Männer erkranken [
3,
12,
30,
36,
43].
In den letzten 25 Jahren war eine Reduktion der Asthmamortalität zu beobachten, was dem steigenden Gebrauch an inhalativen Kortikosteroiden zugeschrieben wird [
3,
26,
36,
43].
Verschiedene Gen-Polymorphismen wie
IL33, IL1RL1/IL18R1, HLA-DQ, SMAD3, IL2RB, ZPBP2, GSDMB und
ORMDL3, welche eine Rolle bei der Barrierefunktion von Epithelien und bei der adaptiven Immunabwehr spielen, scheinen mit Asthma assoziiert zu sein [
3,
7,
36,
47].
In mindestens 50 % der Asthmafälle ist eine eosinophile Entzündung zu beobachten, wobei zu 50–60 % eine Atopie vorliegt [
3,
12,
26,
59,
67].
Diese Erkrankung zeichnet sich durch eine Hyperreagibilität aus. Zudem ist eine Hyperkontraktilität der glatten Muskulatur und eine Mastzelldegranulation zu beobachten [
3,
12,
26,
43].
Der histologische Umbau wird bestimmt durch eine Epithelzerstörung, eine ziliäre Dysfunktion, Vermehrung von exokrinen schleimproduzierenden Zellen durch eine Verdickung der Lamina reticularis und der retikulären Basalmembran, erhöhte Vaskularisierung und erhöhte Anzahl an subepithelialen Myofibroblasten, Fibrozyten und glatter Atemwegsmuskulatur [
3,
16].
Asthmasymptome sind nicht spezifisch und umfassen Giemen, Kurzatmigkeit, pektorale Enge und Husten, wobei Kinder durch Müdigkeit, Irritabilität und Konzentrationsstörungen auffallen [
3,
12,
26,
43,
44,
62].
Exazerbationen sind durch eine progressive Luftnot, Husten, Giemen, thorakales Druckgefühl und eine sinkende Lungenfunktion charakterisiert, wobei die Unfähigkeit zu sprechen oder sich flach hinzulegen, der Gebrauch der Atem-Hilfsmuskulatur, Tachypnoe, Tachykardie, Schwitzen, Zyanose, Bewusstseinsstörungen und eine Beeinträchtigung des geistigen Zustands zu den schwerwiegenden Symptomen zählen [
3,
12,
26,
43].
Im Kindesalter beginnendes allergisches Asthma ist häufig mit Ekzemen, Rhinitis, Lebensmittelunverträglichkeiten, einer familiären Vorgeschichte, Giemen und Husten in Verbindung mit einer viralen Atemwegsinfektion vergesellschaftet [
3,
36].
Belastungsinduziertes Asthma tritt häufig nach intensivem aerobem Training, bei der Exposition gegenüber kalter Luft oder gechlortem Wasser auf, wobei Kinder oft ein Vermeidungsverhalten gegenüber sportlicher Aktivität entwickeln, was zu sozialen Beeinträchtigungen führen kann [
1,
3,
26,
44,
54].
Spät auftretendes Asthma ist oft unterdiagnostiziert und zeichnet sich durch eine schwerere Verlaufsform ohne Atopie und Assoziation mit Rauchen aus [
3,
53].
Komorbiditäten umfassen Fettleibigkeit, das obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom, gastroösophagealer Reflux, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), psychische Erkrankungen – wie Angststörungen, Depressionen oder Panikattacken – und steigern die Morbidität [
3,
4,
12,
26].
Bei Kindern ist Asthma mit einem erhöhten Risiko einer beeinträchtigten Gesundheit, geringer täglicher körperlicher Aktivität, geringerer Fitness, Vermeidung sozialer Aktivitäten und geringeren Fähigkeiten in Mathematik und beim Lesen assoziiert [
3,
12,
26,
54].
Die Vermeidung von Tabakexposition, Gewichtsreduktion, sublinguale Immuntherapie für ausgewählte Patienten, Reduktion von berufsbedingter Schadstoffexposition, Vermeidung von Aspirin oder nichtsteroidalen Antirheumatika, Sanierung von Schimmel und Feuchtigkeit sind anzustreben [
3,
12,
26,
36,
43].
Im Allgemeinen gelten Maßnahmen, die sich positiv auf die Lungen- und Gesamtgesundheit auswirken. Zu diesen Maßnahmen zählen z. B. die Reduktion von Tabakexposition, Luftverschmutzung, kindliches Übergewicht und Etablierung einer obst- und gemüsereichen Ernährung, Förderung der fetomaternalen Gesundheit, des Stillens, der Impfungen und eine Reduzierung der sozialen Ungleichheiten [
12,
26,
36,
43,
55].
Übergewicht, Nikotinabusus, die Infektion mit dem humanen respiratiorischen Synzytial-Virus oder dem Rhinovirus im Kindesalter besonders bei vorbestehender Atopie, eine Pertussis-Infektion, vorwiegend sitzende Tätigkeiten, der Konsum von Fast-Food, Salz und Transfetten stellen Faktoren dar, welche das Risiko, an Asthma zu erkranken, erhöhen [
3,
12,
26,
27,
36,
43].
Aus arbeitsmedizinischer Sicht gilt die Exposition gegenüber Allergenen als Risikofaktor, die zur Entstehung von Asthma beitragen können, wobei etwa 5–20 % der Erkrankten betroffen sind. Zudem sind Frühgeburtlichkeit, ein niedriges Geburtsgewicht und eine hohe kindliche monatliche Gewichtszunahme, die Geburt per Kaiserschnitt, die längerfristige Exposition gegenüber einem offenen Feuer, Diisocyanaten, Säureanhydriten, Acrylmonomeren, Holzstäuben, Platinsalzen, Bioziden, Persulfaten und aliphatischen Amine weitere Faktoren, die Einfluss haben [
3,
5,
12,
26,
36,
55,
63,
65].
Einer obst- und gemüsereichen Ernährung, der Konsum der Vitamine A, D und E, Zink, Selen und Magnesium, der mediterranen Diät, einer Mikroorganismenvielfalt im Hausstaub oder Geohelminthen werden in Studien protektive Effekte zugesprochen [
26,
36,
43].
Aspirininduzierte Asthma-Exazerbationen treten eher bei schwerem Asthma auf und schließen sich meist einer Rhinitis und einer nasalen Polyposis an [
3,
6,
26,
43,
61].
Biochemie von ECP
Das eosinophile kationische Protein (auch als ECP oder RNase 3 bezeichnet) ist eine RNase, welche aus den Granula aktivierter eosinophiler Granulozyten ausgeschüttet und als einkettiges, stark negativ geladenes Protein in drei unterschiedlich stark glykolysierten Formen nachgewiesen wird [
2,
34,
39,
41,
42]. Die Molmassen der Isoformen betragen 15,5 kDa, 20 kDa und 22 kDa [
2,
41].
Bestimmungen erfolgen im Rahmen von allergischen Reaktionen (z. B. Asthma bronchiale, NSAID-induziertes Asthma), atopischen Erkrankungen, inflammatorischen Prozessen nach Ozonexposition, Frühdiagnostik von Vaskulitiden der kleinen Gefäße (besonders Churg-Strauss-Syndrom; [
2,
28,
41]).
Die Konzentration des eosinophilen kationischen Proteins korreliert nicht mit der Anzahl der eosinophilen Granulozyten im Blut und ist auch aufgrund von möglichen Gen-Polymorphismen starken interindividuellen Schwankungen unterworfen [
2,
28,
35,
39,
41,
42]. Allerdings eignet sich RNase 3 wegen geringer intraindividueller Schwankungen gut zur Verlaufsbeobachtung bekannter Erkrankungen [
2,
28,
41].
Die Ausschüttung von ECP kann sowohl antikörpergetriggert oder unabhängig davon erfolgen, wobei Interleukin‑5 und -3, aber auch der Granulozyten-Monozyten koloniestimulierender Faktor (GM-CSF) eine Sekretion fördern [
41,
69]. Eine Hemmung ist durch Cyclosporin A, Dexamethason, Rapamycin, Formoterol und Pemirolast zu beobachten [
41].
Abweichungen vom Normwert treten bei parasitären Infektionen, Asthma, allergischen und malignen Erkrankungen auf [
34,
39,
41,
42,
48].
Das eosinophile kationische Protein entwickelt eine zytotoxische Aktivität gegen Parasiten, Viren sowie grampositive und -negative Bakterien, wobei auch eine Aktivität gegen Tumorzellen diskutiert wird [
31,
39,
41,
42,
60,
69]. Die antibakteriellen Mechanismen erfolgen u. a. durch den Einbau des Enzyms in die Doppellipidschicht und Formierung von transmembranen Poren, die das Konzentrationsgleichgewicht der Zelle zerstören [
31,
41,
42,
60].
Schädigende Wirkungen können auch im menschlichen Körper, besonders bezüglich Nerven‑, Muskel- oder Zellen des Respirationstrakts auftreten. Es kann allerdings auch immunmodulatorische Wirkungen, wie Hemmung der T‑Zell-Proliferation, Hochregulation von Rezeptoren und Adhäsionsmolekülen auf Epithelzellen und die Stimulation der Exkretion von TGF‑β (transformierender Wachstumsfaktor) nachgewiesen werden [
9,
31,
41,
42,
60,
69].
Die ECP-Konzentration stellt einen aussagekräftigeren Indikator für eine eosinophile Inflammation als die Anzahl an eosinophilen Granulozyten im peripheren Blut dar [
41,
42].
Die Konzentrationserhöhung verhält sich proportional zur Intensität der allergischen Inflammation und zeigt eine akute allergische Exposition an, wobei ECP auch prognostische Rollen bei infektiösen, respiratorischen, malignen oder den Gastrointestinaltrakt betreffenden Erkrankungen einnimmt [
39,
41].
In Bezug auf Asthma korreliert das eosinophile kationische Protein mit der Krankheitsaktivität und kann zur Therapieplanung und zum -monitoring verwendet werden, wobei Erhöhungen Hinweise auf einen Rückfall oder eine Exazerbation darstellen [
29,
39,
41,
42,
48]. Ausgeprägte Konzentrationserhöhungen im Kindesalter bei schweren Atemwegsinfektionen sind ein Risikofaktor für einen chronischen Asthmaverlauf [
41]. Einige Untersuchungen haben gezeigt, dass erhöhte Konzentrationen an eosinophilen Granulozyten besonders bei kleinzelligen Ösophagus-, gastrointestinalen, kolorektalen, Mamma- und Prostatakarzinomen mit einem besseren Überleben vergesellschaftet sind [
17,
69]. Das Gegenteil ist bei Hodgkin-Lymphomen, Mundhöhlenkarzinomen und Karzinomen im Halsbereich der Fall [
17,
69].
In Studien eignete sich ECP als neuer prognostischer Outcome-Serummarker bei Melanompatienten mit Metastasierung [
48]. Erhöhte Konzentrationen von ECP werden bei Patienten mit Nierenzellkarzinomen, Hodgkin-Lymphomen, kutanen T‑Zell-Lymphomen, Blasenkarzinomen (Nachweis im Urin) und differenzierten Schilddrüsenkarzinomen gefunden, wobei bei letztgenannter Entität ein signifikanter Abfall nach Radio-Jod-Therapie beobachtet wurde [
10,
24,
34,
38]. Diskutiert wird außerdem die Rolle von ECP in der Tumorsuppression [
34].
Untersuchungen fanden zudem heraus, dass hohe Konzentrationen an RNAse 3 mit einer erhöhten ischämischen Schlaganfallinzidenz vergesellschaftet sind [
66]. Als Untersuchungsmaterial eignen sich Serum, andere Körperflüssigkeiten, die bronchoalveoläre Lavage, aber keine Plasmen und hämolytische Proben [
2,
23,
28,
41]. Da die Konzentration an freigesetztem ECP vom Material des Blutentnahmesystems, der Gerinnungszeit und der Temperatur abhängig ist, sind einige Bedingungen einzuhalten: Entnahme in Kunststoffröhrchen, nach Entnahme das Röhrchen 5‑mal schwenken und 60–120 min bei Zimmertemperatur gerinnen lassen, Zentrifugation bei 1000–1300 g für 10 min und Dekantieren des Serums zur Lagerung in ein Sekundärröhrchen [
2,
28,
41]. Die Bestimmung erfolgt mittels Enzym- bzw. Fluoreszenzimmunoassay, wobei der Referenzbereich bei < 11,3 µg/l bzw. < 15 µg/l liegt [
2,
28]. Die Halbwertszeit in der Zirkulation beträgt etwa 45 min, wobei auch eine zirkadiane Rhythmik vorliegt [
34,
39,
41].
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