Erschienen in:
16.03.2017 | Aktuelles
Ausschließlich gruppennützige Forschung mit nichteinwilligungsfähigen Menschen
Ein Kommentar zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
verfasst von:
Prof. Dr. G. Marckmann, MPH, Prof. Dr. T. Pollmächer
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 5/2017
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Auszug
Bislang durften Arzneimittel in Deutschland nur dann an nichteinwilligungsfähigen Patienten geprüft werden, wenn diese angezeigt waren, die Gesundheit der Betroffenen wiederherzustellen oder zumindest ihr Leiden zu lindern. Klinische Prüfungen ohne dieses persönliche Nutzenpotenzial für die Studienteilnehmer waren durch das Arzneimittelgesetz (AMG) ausgeschlossen. Diese Situation hat sich mit dem im November letzten Jahres verabschiedeten „vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ [
1] geändert: Klinische Prüfungen dürfen nun unter bestimmten Voraussetzungen auch dann an nichteinwilligungsfähigen Patienten durchgeführt werden, wenn die Studienteilnehmer selbst keinen Nutzen davon haben, sondern ausschließlich die durch sie repräsentierte Bevölkerungsgruppe, z. B. Menschen mit der gleichen Erkrankung (ausschließlich gruppennützige Forschung). Diese Änderung wurde zuvor äußerst kontrovers in der Öffentlichkeit und Politik diskutiert. Die Befürworter hielten die Änderung für „zwingend erforderlich“, die Gegner sahen darin hingegen einen „Tabubruch“ und warnten vor einer „Verzweckung“ des Menschen. In wissenschaftlichen Fachkreisen wurden die Änderungen hingegen meist nüchterner, aber durchaus kritisch beurteilt – allerdings mit anderer Stoßrichtung: Im Vordergrund stand weniger die Sorge um eine Instrumentalisierung vulnerabler Patientengruppen, sondern vielmehr die Befürchtung, die Neuregelung könne die Forschung mit nichteinwilligungsfähigen Patienten einschränken und damit den Erkenntnisfortschritt für die betroffenen Patientengruppen hemmen. …