Schmecktest verrät Anfälligkeit für schwere SARS-CoV-2-Infektion

Wie gut die geschmackliche Wahrnehmung von Bitterstoffen funktioniert, kann ein Hinweis auf die Gefährdung durch SARS-CoV-2 sein. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Ob man zu denjenigen gehört, die sich besonders leicht eine SARS-CoV-2-Infektion zuziehen und auch noch schwer erkranken, lässt sich möglicherweise mit einem einfachen Schmecktest erkennen: Wenn die Geschmacksqualität bitter nur wenig oder gar nicht wahrgenommen wird, besteht offenbar eine erhöhte Gefährdung. Diese Beobachtung konnten US-amerikanische HNO-Ärzte nun in einer prospektiven Studie bestätigen. Mehr Infektionen und schwere Verläufe bei Nichtschmeckern Die Ärzte hatten zunächst bei 1935 gesunden Freiwilligen geprüft, wie intensiv sie einen bitteren Geschmack wahrnahmen, dazu wurden ihnen nacheinander Teststreifen ohne Geschmacksstoff, mit Phenylthiocarbamid (PTC), Thioharnstoff und Natriumbenzoat auf die Zunge gelegt. Bei dem Test erwiesen sich jeweils 26% als „Superschmecker“ bzw. als Nichtschmecker und knapp die Hälfte als Schmecker. In den Wochen nach dem Test infizierten sich 266 Studienteilnehmer mit SARS-CoV-2: Mit 55% waren die meisten von ihnen Nichtschmecker und mit 6% die wenigsten Superschmecker. Von den COVID-19-Patienten mussten 21% stationär behandelt werden, unter ihnen 86% Nichtschmecker und kein einziger Superschmecker. Damit war es für Nichtschmecker signifikant wahrscheinlicher als für die übrigen Teilnehmer, sich mit SARS-CoV-2 anzustecken (Odds Ratio, OR 10,1) und im Fall einer Infektion hospitalisiert zu werden (OR 3,9). Nichtschmecker hatten außerdem am längsten mit Symptomen der akuten Infektion zu kämpfen, nämlich im Mittel 24 Tage gegenüber 14 Tagen bei Schmeckern und 5 Tagen bei Superschmeckern. Bitterrezeptoren mit lebenswichtiger Funktion Dass der Schmecktest die Anfälligkeit für eine SARS-CoV-2-Infektion anzeigt, lässt sich mit der Verteilung und Funktion von Bitterrezeptoren (T2R) erklären. T2R finden sich außer auf der Zunge z. B. auch auf Flimmerepithelzellen in Nase und Nasennebenhöhlen und sie sind eine Komponente der angeborenen Immunabwehr: Durch die Aktivierung von T2R wird die Freisetzung von NO getriggert, NO wiederum führt zu einem Anstieg der Zilienschlagfrequenz und es tötet pathogene Keime in den Atemwegen. In-vitro-Ergebnissen zufolge könnte NO außerdem zur Abwehr von SARS-CoV-2 beitragen, indem es u. a. die Fusion von Spike-Protein und ACE2 verhindert. Einer dieser Bitterrezeptoren ist T2R38, von dem kodierenden Gen gibt es zwei häufige Varianten, das funktionale Allel PAV und das nicht funktionale Allel AVI. Menschen mit zwei funktionalen Allelen schmecken z. B. PTC intensiv bitter („Superschmecker“). Wer dagegen homozygot das nicht funktionale Allel trägt, kann PTC nicht schmecken. Das heißt, der Genotyp – PAV/PAV, PAV/AVI oder AVI/AVI – lässt sich, wie in der beschriebenen Studie, mit einem simplen Test ziemlich akkurat phänotypisch feststellen. Welcher Phänotyp von T2R38 vorliegt, ist dieser Studie zufolge zugleich ein Maß für den zu erwartenden klinischen Verlauf einer COVID-19-Erkrankung. „Der T2R38-Phänotyp kann Ärzten helfen, die angeborene Immunabwehr gegen SARS-CoV-2 abzuschätzen“, lautet daher das Fazit der Studienautoren um Henry Barham vom General Medical Center in Baton Rouge. „Nach unseren Daten könnten Bitterrezeptoren beim Schutz vor SARS-CoV-2 eine lebenswichtige Rolle spielen.“ Das Wichtigste in Kürze Frage: Was sagt die Wahrnehmung von bitterem Geschmack über Risiko und Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion? Antwort: Menschen, die Bitterstoffe wenig oder gar nicht schmecken, infizieren sich häufiger mit SARS-CoV-2 und erleben auch häufiger einen schweren COVID-19-Verlauf. „Superschmecker“ scheinen dagegen einen natürlichen Schutz vor der Infektion zu haben. Bedeutung: Bestimmte Allelvarianten von Bitterrezeptoren, die sich phänotypisch nachweisen lassen, korrelieren mit dem klinischen Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion und können zur Risikoabschätzung genutzt werden. Einschränkung: Kleine Studie; statistische Verzerrungen durch andere Einflussfaktoren möglich.

Springer Medizin

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