Procalcitonin als Sepsismarker bei COVID-19 nutzlos

Erhöhte Procalcitoninwerte bei COVID-19 deuten auf eine ungünstige Prognose. Sie markieren jedoch eher Nieren- und Organversagen als eine bakterielle Koinfektion. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Procalcitonin (PCT) ist eigentlich ein recht guter Biomarker, um Ärzten auf der Intensivstation eine bakterielle Infektion oder eine Sepsis anzuzeigen. Die Hormonvorstufe wird primär von C-Zellen der Schilddrüse produziert, aber auch von neuroendokrinen Lungenzellen als Antwort auf bakterielle Toxine. Interleukin-1 und Tumornekrosefaktor (TNF) alpha stimulieren ebenfalls die PCT-Produktion, eine virale Infektion kann jedoch sowohl die TNF-alpha-Ausschüttung als auch die PCT-Synthese beeinträchtigen, berichten Notfallmediziner um Dr. Pedro Garrido von der Uniklinik in Reus in Spanien. Auch eine schlechte Nierenfunktion schmälere die Aussagekraft – sie treibe die PCT-Werte hoch. Es sei daher fraglich, ob PCT eine bakterielle Koinfektion bei Intensivpatienten mit COVID-19 zuverlässig anzeigen könne. Nach einer retrospektiven Analyse bei 56 Patienten mit einer SARS-CoV-2-bedingten Pneumonie kommen die Ärzte um Garrido zu dem Schluss, dass PCT zwar ein brauchbarer Prognosemarker, aber kein guter Marker für eine bakterielle Koinfektion ist. Höchste PCT-Werte vor fatalem Ausgang Für ihre Analyse berücksichtigten die Ärzte Angaben zu erwachsenen Pneumoniepatienten mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion aus der ersten Welle im Frühjahr. Bei allen hatten sie Nierenfunktion und PCT-Spiegel während der Aufnahme bestimmt und bei Bedarf im weiteren Verlauf kontrolliert – etwa dann, wenn sie einen bakteriellen Infekt vermuteten. 35 der Patienten mussten auf die Intensivstation, 29 davon benötigten eine invasive Beatmung, die übrigen 21 wurden auf normalen Stationen behandelt. Im Schnitt waren die Betroffenen 68 Jahre alt, zwei Drittel waren Männer. Bei der Aufnahme erreichten sie mittlere PCT-Werte von 0,22 ng/ml – als normal gelten Werte unter 0,03 ng/ml, von schweren bakteriellen Infekten und einem hohen Sepsisrisiko wird bei Werten über 2 ng/ml ausgegangen. Patienten auf den Intensivstationen waren im Schnitt etwas jünger (67 versus 72 Jahre), hatten aber eine schlechtere Nierenfunktion (eGFR: 62 versus 88 ml/min) als solche auf den Normalstationen, und der PCT-Wert war anfangs deutlich höher (0,31 versus 0,06 ng/ml). Neun Intensivpatienten starben an der Erkrankung, diese waren deutlich älter (im Schnitt 78 versus 69 Jahre) und hatten bei der Aufnahme signifikant höhere PCT-Werte (0,67 versus 0,28 ng/ml) sowie eine etwas, aber nicht signifikant schlechtere Nierenfunktion als überlebende Intensivpatienten (eGFR: 48 versus 70 ml/min). Danach scheinen erhöhte PCT-Werte bei COVID-19 prognostisch ungünstig zu sein – darauf deuten auch andere Untersuchungen. Organschäden machen PCT als Infektionsmarker unbrauchbar Fast alle der 35 Intensivpatienten erhielten bei der Aufnahme eine Antibiose mit Ceftriaxom plus Azithromycin, um eine bakterielle Pneumonie auszuschließen, 21 bekamen nach der ersten Woche eine weitere Antibiotikabehandlung, zumeist mit Meropenem plus Linezolid, weil die Ärzte bei ihnen eine nosokomiale Koinfektion vermuteten. Insgesamt wurden bei diesen Patienten 31 Antibiotikabehandlungen eingeleitet. 25-mal ließ sich der Verdacht mikrobiologisch bestätigen. Schauten sich die Ärzte nun die PCT-Spiegel in der Zeit vor, während und nach der zweiten Antibiose an, so gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten mit bestätigter bakterieller Infektion und solchen ohne, auffällig war lediglich ein PCT-Anstieg am Tag nach der Verdachtsdiagnose bei den Patienten mit, aber nicht ohne bestätigte Infektion (1,74 versus 0,54 ng/ml), doch selbst dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant. Für die Nierenfunktion zeigte sich kein Zusammenhang mit einer nosokomialen Infektion, wohl aber mit hohen PCT-Werten: Diese gingen mit einer schlechten Nierenfunktion einher. Ein solcher Zusammenhang ist auch bei Dialysepatienten bekannt. Die erhöhten PCT-Werte bei Patienten mit schlechter COVID-19-Prognose lassen sich daher teilweise mit einer schlechten Nierenfunktion infolge einer bereits deutlich vorangeschrittenen Organschädigung durch das neue Coronavirus erklären, so die Ärzte um Garrido. Oder anders ausgedrückt: Die Organschäden bei schweren COVID-19-Verläufen machen PCT als Marker für eine bakterielle Koinfektion unbrauchbar. Das Wichtigste in Kürze Frage: Welche Bedeutung haben erhöhte Procalcitonin-Spiegel bei COVID-19? Antwort: Sie deuten meist auf eine Nieren- und Organschädigung, weniger auf eine bakterielle Koinfektion. Bedeutung: Bei schweren COVID-19-Verläufen ist Procalcitonin als Sepsismarker nicht zu gebrauchen. Einschränkung: Kleine Studie mit weniger Patienten.

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