Orale Onkologika: Hohes Risiko für Wechselwirkungen

Die orale Therapie hat in der Behandlung von Tumoren in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Daher ist es wichtig, mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Nahrungsmitteln zu kennen. Dank der Aufklärung von molekularen Mechanismen, die das Tumorwachstum regulieren, wurde es in den letzten zwei Jahrzehnten möglich, zahlreiche neue Tumortherapeutika zu entwickeln. Ein wesentlicher Teil dieser spezifischen Wirkstoffe wird – oft langfristig – oral eingenommen. Wie Mathias Nietzke, Leiter Zytostatika-Abteilung der Zentral-Apotheke im St.-Johannes-Hospital Dortmund, sagte, ergibt sich dadurch der Bedarf, Patienten, die die Medikamente eigenverantwortlich einnehmen müssen, intensiv über Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder Nahrungsbestandteilen aufzuklären. Voraussetzung dafür sei, dass Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte diese arzneispezifischen Besonderheiten auch kennen. „Zudem müssen wirksame Kontrollmechanismen eingeführt werden, die sicherstellen, dass keine kritische Interaktion übersehen wird“, forderte Nietzke. Zunächst sollte an allgemeine Risikofaktoren gedacht werden, die zu Wechselwirkungen führen können. „Dazu gehören patientenspezifische Parameter wie das Alter, Komorbiditäten, Raucherstatus oder Selbstmedikation sowie Arzneimittel-spezifische Faktoren wie eine enge therapeutische Breite oder ein hoher First-pass-Metabolismus“, berichtete der Pharmazeut. Dass Medikamente wie Antiepileptika, Psychopharmaka und Immunsuppressiva interaktionskritisch sind, sei zumeist bekannt. „Unterschätzt wird dagegen oft das Interaktionspotenzial von Protonenpumpenhemmern (PPI), Analgetika und vielen rezeptfrei erhältlichen bzw. pflanzlichen Präparaten“, berichtete Nietzke. Abhängig von der Behandlungsdauer beeinflussen zahlreiche kleine Moleküle, zu denen die Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) gehören, oft das Cytochrom (CYP)-Isoenzymsystem und andere Eliminationswege. „Gleichzeitig werden die Arzneimittelspiegel durch Induktoren und Inhibitoren, zu denen auch Nahrungsmittel zählen, beeinflusst“, informierte Nietzke. Beispiele für Inhibitoren des CYP-Systems sind Antibiotika wie Clarithromycin und Erythromycin, Antimykotika wie Itraconazol oder Ketoconazol, Virustatika, Amiodaron, Grapefruitsaft, Bitterorangen und grüner Tee. Zu den Induktoren gerechnet werden u. a. Carbamazepin, Phenytoin, Dabrafenib, Johanniskraut und Knoblauch. „So wird beispielsweise die Wirksamkeit von Dasatinib durch den Inhibitor Ketoconazol um das 5-Fache erhöht, die Wirksamkeit von Imatinib durch den Induktor Rifampicin um 75% reduziert“, erläuterte Nietzke. Durch eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme oder Einnahme von Medikamenten, die den pH-Wert im Gastrointestinaltrakt erhöhen, kann es unter Umständen zu einer deutlichen Beeinflussung der Resorption von TKI kommen. Daher muss bei Patienten, die TKI wie Dasatinib, Gefintinib, Lapatinib oder Pazopanib einnehmen, bei gleichzeitiger Einnahme von PPI der Einnahmeabstand optimiert werden. Für die Praxis ergibt sich laut Nietzke daraus, dass alle Arzneimittel – auch die der Selbstmedikation – und Nahrungsergänzungsmittel genau erfasst und auf ihr Interaktionspotenzial hin überprüft werden müssen. Zu diesem Zweck seien mehrere und teilweise frei verfügbare Interaktionsdatenbanken verfügbar [1–3]. basierend auf: wissenschaftliches Symposium: „Wechselwirkungen in der Onkologie“, DGHO-Jahrestagung 2018, 28.9.-2.10.2018, Wien, Österreich. Empfehlung der Redaktion DGHO 2018 – das Kongressdossier Was, wenn Patienten statt auf eine konventionelle Behandlung auf Alternativmedizin setzen? Wie entscheiden Sie über die Therapiebegrenzung bei nicht heilbaren Tumorpatienten? Und kennen Sie die Wechselwirkungen von oralen Onkologika mit anderen Medikamenten? Diese Themen wurden u. a. bei der Jahrestagung 2018 von DGHO, OeGHO, SGMO und SGH+SSH diskutiert.

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