"Herr Richter, es war doch nur eine harmlose Watschen"

Wird eine Ohrfeige sanft ausgeführt, gilt sie juristisch als Beleidigung. Die kräftige Variante dagegen ist eine Körperverletzung. Die Rechtsmedizin hat sich jetzt der Aufgabe gestellt, der Rechtsprechung zu dieser Frage objektive Kriterien zu liefern. Es kann teuer werden, wenn einem die Hand ausrutscht. Vor Gericht stellt sich dann die Frage: War es eine sanfte Ohrfeige? Das geht manchmal als Bagatelle durch, manchmal als Beleidigung. Ist die Watschen „saftig“ und kommt es gar zur Schädigung (z. B. Trommelfell), dann wird es teuer. Aber nach welchen Kriterien sollen die Richter hier differenzieren? Ohrfeigentypologie Diese Frage konnte – zumindest im Ansatz – auf dem aktuellen Rechtsmedizinkongress in Halle geklärt werden. Das gerichtsmedizinische Institut der Universität München hat sich der Sache angenommen und dazu eine experimentelle Studie vorgestellt. Mit der gebotenen Akribie ging man der Frage nach, mit welcher Schlagtechnik Ohrfeigen verteilt werden, welche Kraft auf das gegnerische Ohr einwirkt und ob man die Ohrfeigentäter quasi typisieren kann. Täterprofil erkennbar Um der Sache auf den Grund zu gehen, wurden zwanzig Probanden in das Institut gebeten. Dort erwartete sie ein wissenschaftlicher Versuchsaufbau. Ein »künstliches Ohr«, mit Drucksensoren versehen, prüfte die Krafteinwirkung der Backpfeife. Mal wurde mit der rechten, mal mit der linken Hand zugeschlagen. Die Tatausführung dokumentierten die Forscher in Zeitlupe. Aus jeder Ohrfeige wurde so ein eindrucksvolles Dokument enthemmter menschlicher Aggression. Nach ein paar Probedurchläufen durften die Probanden dann nach Herzenslust zuschlagen. Die Auswertung der Zeitlupenfilme und der korrespondierenden Druckprofile zeigt nicht nur die ganze Vielfalt der Ohrfeigentechnik. Es ließen sich auch typische „Täterprofile“ erstellen. In Zeitlupe Richtung Ohr Da gibt es die zarte Damenhand, die sich nur zögerlich, auf Umwegen, dem Objekt der Aggression nähert und die das Ohr scheinbar streichelnd mit den Fingerspitzen berührt, um sich dann sofort zurückzuziehen. Hier droht mit Sicherheit keine Gefahr. Dann gibt es die strauchelnde Hand des Unentschlossenen. Die Bewegung schlingert auf dem Weg zu ihrem Ziel. Sie flattert und der Aufprall wirkt ungelenk. Die meisten Schmerzen hat hier wahrscheinlich nicht das Opfer, sondern der Ausführende. Und da gibt es auch die zielstrebige Bewegung des jungen Mannes. Ohne Umweg rast die Hand in Richtung Ohr. Im Anflug klappen die Finger nach hinten. Der Handballen schlägt mit voller Wucht auf. Wer dann noch ein intaktes Trommelfell hat, der kann von Glück sagen. So wie die optische Anmutung der Ohrfeige zwischen grazil und brutal changiert, so variiert auch der physikalische Effekt, gemessen als Impuls. Am unteren Ende liegt erwartungsgemäß die zarte Frauenhand mit 1,5 kg * m * s-1. Der kräftige junge Mann dagegen schafft locker das Zehnfache. Tabellen für die Richter Die Mainzer Rechtsmediziner haben ihre Ergebnisse in Tabellen zusammengefasst. Nun können die Richter anhand der Konstitution der Beschuldigten zumindest abschätzen, ob die Ohrfeige noch eine Beleidigung war oder schon als Körperverletzung zu werten ist. Wer das Phänomen Ohrfeige dagegen aus einem ästhetischen Blickwinkel studieren möchte, dem sei die Videodokumentation der Ohrfeige ans Herz gelegt, die das Institut für Rechtsmedizin bei YouTube zur Verfügung stellt: die ganze Vielfalt des Phänomens Ohrfeige in HD und Slow Motion. basierend auf: 97. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (Halle/Saale, 2018). Veranstaltung: Die Ohrfeige – Qualitative und quantitative Analyse. Institut für Rechtsmedizin der Universität München Alle Inhalte von der DGRM-Jahrestagung 2018 27.09.2018 | DGRM-Jahrestagung 2018 | Nachrichten Mehr Tote durch die Zeitumstellung? 27.09.2018 | DGRM-Jahrestagung 2018 | Kongressbericht | Nachrichten Gegen Paraquat ist kein Kraut gewachsen 26.09.2018 | DGRM-Jahrestagung 2018 | Kongressbericht | Nachrichten "Herr Richter, es war doch nur eine harmlose Watschen" 25.09.2018 | DGRM-Jahrestagung 2018 | Nachrichten Chemische Zwangsjacke für Heimbewohner? 26.09.2018 | DGRM-Jahrestagung 2018 | Kongressbericht | Nachrichten Wie gefährlich sind geworfene Küchenutensilien? 26.09.2018 | DGRM-Jahrestagung 2018 | Nachrichten Bekifft am Steuer: Es fehlen echte Grenzwerte! 26.09.2018 | DGRM-Jahrestagung 2018 | Nachrichten Klinische Sektion: Qualität mangelhaft! 26.09.2018 | DGRM-Jahrestagung 2018 | Nachrichten Suizid mit Wassereimer? Da steckte was anderes dahinter!

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