Erschienen in:
01.06.2003 | Leitthema
Die überaktive Blase ("Overactive Bladder Syndrome")
Welche Diagnostik ist vor Beginn der Primärtherapie notwendig?
verfasst von:
Prof. Dr. B. Schönberger
Erschienen in:
Die Urologie
|
Ausgabe 6/2003
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Zusammenfassung
Der Symptomenkomplex Pollakisurie und imperativer Harndrang mit oder ohne Dranginkontinenz wird nach der Neufassung der Definition durch die International Continence Society als überaktive Blase ("overactive bladder", OAB) bezeichnet. Hintergründe für diese Änderung der Definition sind die große ökonomische und soziale Bedeutung der Erkrankung, der Kostendruck in der Medizin und die Tendenz, möglichst einfache Therapiestrategien zu entwickeln. Das Therapiekonzept bedeutet: eine Gabe eines Anticholinergikums/Spasmolytikums zumindest für 3 Monate.
Obwohl sicher ein großer Prozentsatz der Patienten mit OAB klinisch identifizierbar ist, stellt der geforderte Ausschluss "lokaler pathologischer und metabolischer Faktoren" ein Problem dar, das nur mit einem diagnostischen Minimalprogramm annähernd erfüllbar ist. Dazu gehören eine detaillierte Anamnese unter Einschluss von standardisierten und evaluierten Questionnaires, das Führen eines Blasentagebuchs (Miktionstagebuch), die eingehende klinische Untersuchung, die Urinanalyse bestehend aus einer mikroskopischen und mikrobiologischen Untersuchung, die Uroflowmetrie mit Restharnbestimmung und die Abklärung der Nieren und des oberen Harntraktes (Kreatininbestimmung und Sonographie).
An minimal invasiven Tests zur Verbesserung der Aussagekraft hinsichtlich Obstruktion und Detrusorhyperaktivität wird gearbeitet. Diese Tests sollen eine invasive Druck-Fluss-Messung überflüssig machen. Man muss bei dem oben vorgeschlagenen diagnostischen Minimalprogramm aber damit rechnen, dass man Patienten mit Beschwerdebildern ohne zugrundeliegender idiopathischer Detrusorhyperaktivität und mit Drangsymptomatik/Dranginkontinenz auf der Grundlage einer subvesikalen Obstruktion einer Primärtherapie mit Anticholinergika/Antispastika zuführt.
Bei neurologischen Auffälligkeiten, einem pathologischen Urinbefund, einer Verringerung der Harnflussrate mit Restharn und Problemen am oberen Harntrakt ist eine weitergehende Diagnostik erforderlich. Diese Patientengruppe kann jedenfalls vor einer Primärtherapie auf Grundlage einer klinischen Diagnose bewahrt werden.
Eine Ex-juvantibus-Therapie mit Anticholinergika—auch wenn sie auf 3 Monate beschränkt ist—ist bei Verzicht auf das diagnostische Minimalprogramm nicht akzeptabel.