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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 06.01.2015

Nephrologische Diagnostik: Bestimmung der Nierenfunktion

Verfasst von: Matthias Girndt
Eine besonders wichtige Funktion der Nieren ist die Ausscheidung von Stoffwechselprodukten, die Exkretionsfunktion. Diese beruht ganz überwiegend auf einer glomerulären Filtration großer Flüssigkeitsvolumina mit darin gelösten Substanzen und einer nachfolgenden Rückresorption von Wasser und Elektrolyten durch das Tubulussystem. Als Maß der exkretorischen Funktion wird die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) angesehen, also das Volumen an Primärharn, dass durch die Gesamtheit der Nephroneinheiten gebildet wird. Die GFR gilt als das entscheidende Maß der Entgiftung, wenngleich die Ausscheidung einzelner Substanzen durch nachfolgende Sekretion oder Rückresorption erheblich modifiziert werden kann.

Einleitung

Eine besonders wichtige Funktion der Nieren ist die Ausscheidung von Stoffwechselprodukten, die Exkretionsfunktion. Diese beruht ganz überwiegend auf einer glomerulären Filtration großer Flüssigkeitsvolumina mit darin gelösten Substanzen und einer nachfolgenden Rückresorption von Wasser und Elektrolyten durch das Tubulussystem. Als Maß der exkretorischen Funktion wird die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) angesehen, also das Volumen an Primärharn, das durch die Gesamtheit der Nephroneinheiten gebildet wird. Die GFR gilt als das entscheidende Maß der Entgiftung, wenngleich die Ausscheidung einzelner Substanzen durch nachfolgende Sekretion oder Rückresorption erheblich modifiziert werden kann. Die Nierenfunktion wird mit Bezug zur Körperoberfläche angegeben, um von Körpergröße und Nierengröße unabhängige Normalwerte angeben zu können. Eine normale GFR liegt vor bei:
$$ 120\hbox{--} 130\ ml/ min\cdot 1,\kern-0.22em 73\ {m}^2\ KO $$

Abschätzung der Nierenfunktion anhand der Serumkonzentration von Markerstoffen

Die etablierteste Methode zur Abschätzung der Nierenfunktion ist die Bestimmung der Serumkonzentration von Kreatinin, die in einem inversen Verhältnis zur GFR steht. Die Beziehung ist nicht linear. So beginnt die Konzentration erst zu steigen, wenn die GFR um etwa 50 % gegenüber der Norm reduziert ist (kreatininblinder Bereich). Nierenfunktionseinschränkungen unterhalb dieses Schweregrads können durch das Serumkreatinin nicht detektiert werden. Darüber hinaus ist die Serumkreatininkonzentration sehr von der Kreatininbildungsrate und damit der Muskelmasse abhängig. Letzteres Problem kann durch die Bestimmung von Cystatin C umgangen werden. Cystatin C beginnt bei Einschränkung der GFR etwas rascher zu steigen als Kreatinin, der blinde Bereich ist kleiner. Harnstoff und Harnsäure eignen sich schlecht als Marker der exkretorischen Nierenfunktion, weil sie stark von nichtrenalen Faktoren wie Ernährung und Wasserhaushalt abhängig sind.

Messung der glomerulären Filtrationsrate

Die GFR kann durch Bestimmung der Clearance einer glomerulär filtrierten Markersubstanz, z. B. von Kreatinin, näherungsweise ermittelt werden. Die Markersubstanz muss idealerweise vollständig glomerulär filtriert und bis zur endgültigen Ausscheidung im Urin weder durch Sekretion noch durch Rückresorption modifiziert werden. Ihre Konzentration im Primärharn ist dann mit ihrer Konzentration im Serum identisch. So lässt sich aus der ausgeschiedenen Menge des Markers (Urinvolumen ∙ Urinkonzentration) während eines definierten Urinsammelzeitraums und der ursprünglichen Konzentration im Primärharn (=Serumkonzentration) das Volumen des in dieser Zeit gebildeten Primärharns (=die GFR) berechnen.
Kreatinin erfüllt die Voraussetzungen als Markersubstanz nur annähernd, da es v. a. bei hoher Serumkonzentration zusätzlich tubulär sezerniert und auch gastrointestinal ausgeschieden wird, wodurch die Kreatinin-Clearance die GFR überschätzt.
Zur präziseren Messung kann alternativ auch eine Serum-Clearance exogen zugeführter Markersubstanzen wie Inulin, Iohexol oder radionuklidmarkierter Substanzen wie 99mTc-DTPA oder 51Cr-EDTA bestimmt werden. Zu mehreren festgelegten Zeitpunkten nach Injektion wird die Serumkonzentration der Substanz bestimmt. Aus der Fläche unter der Konzentrationskurve lässt sich die GFR bestimmen.

Empirische Berechnung der GFR

Es wird empfohlen, zusätzlich zu einer Serumkreatininbestimmung eine Abschätzung der GFR mittels einer der empirisch gewonnenen Formeln vorzunehmen (KDIGO 2013).

Cockcroft-Gault-Formel

Die Cockcroft-Gault-Formel (Cockcroft und Gault 1976) wurde ursprünglich nur an einer kleinen Gruppe von 236 Probanden validiert. Sie stammt aus einer Zeit, in der Kreatinin-Assays für die Berechnung der GFR nicht standardisiert waren und überwiegend die störanfällige Methode nach Jaffe (chromogener Assay) eingesetzt wurde. Sie tendiert zur Überschätzung der GFR und sollte oberhalb einer GFR von 60 ml/min nicht verwendet werden. Die kalkulierte GFR nach Cockcroft-Gault hat ihren Einsatzbereich heute noch bei der Pharmakadosierung bei Niereninsuffizienz:
$$ Ccr=\frac{\left(140- Alter\right)x\ Gewicht}{72\ x\ Scr}\ \left(x\ 0,\kern-0.2em 85\ bei\ Frauen\right) $$
  • Ccr Kreatininclearance in ml/min, nicht adjustiert für Körperoberfläche
  • Alter Alter in Jahren
  • Gewicht Körpergewicht in kg
  • Scr Serumkreatininkonzentration in mg/dl

Modification of Diet in Renal Disease (MDRD)-Formel

Die an großen Patientengruppen evaluierte MDRD-Formel (Levey et al. 2007; Levey et al. 2009) weist gegenüber der Cockcroft-Gault-Formel eine höhere Präzision auf, darüber hinaus kann sie mit standardisierten Kreatinin-Assays angewandt werden. Die erhebliche Unschärfe für GFR-Werte oberhalb 60 ml/min besteht jedoch auch hier. Für Kinder und alten Menschen (>85 Jahre) ist die Formel nicht ausreichend validiert und sollte nicht eingesetzt werden. Die MDRD-Formel hat sich inzwischen als Kalkulationsstandard für die GFR etabliert und wird von der Mehrzahl der klinischen Laboratorien automatisch bei Bestimmung eines Serumkreatinins ausgegeben.
$$ eGFR = 175\cdot Scr-1,\kern-0.25em 154\cdot Alter-0,\kern-0.1em 203\ \left( \cdot 0,\kern-0.25em 742\ bei\ Frauen\right) $$
  • eGFR kalkulierte (estimated) glomeruläre Filtrationsrate in ml/min x 1,73 m2 KO
  • Scr Serumkreatininkonzentration in mg/dl
  • Alter Alter in Jahren
Anmerkung: Die eGFR ist mit 1,21 zu multiplizieren bei Afroamerikanern

CKD-EPI-Formel

Die mit der MDRD-Formel fortbestehende Schwäche, Werte oberhalb 60 ml/min zuverlässig zu bestimmen, kann durch Anwendung der CKD-EPI-Formel umgangen werden. Sie verwendet ein komplexeres mathematisches Modell als die MDRD-Formel und berücksichtigt die Unterschiedlichkeit im Zusammenhang zwischen Serumkreatinin und GFR im niedrigen im Vergleich zum hohen GFR Bereich. Dabei kommt sie mit den gleichen Eingangsparametern aus wie die MDRD-Formel. Sie kann mit dem Serumkreatinin oder dem Cystatin C gerechnet werden und wurde sehr breit evaluiert. Sie stellt heute das beste Berechnungsmodell der GFR aus einer einzelnen Serumprobe dar Inker et al. 2012.
  • Frauen, Serumkreatinin ≤0,7 mg/dl:
    $$ eGFR=144\cdot \left(Scr/0,\kern-0.15em 7\right)\hbox{--} 0,\kern-0.15em 329\cdot \left(0,,\kern-0.15em 993\right) Alter $$
  • Frauen, Serumkreatinin >0,7 mg/dl:
    $$ eGFR=144\cdot \left(Scr/0,\kern-0.15em 7\right)\hbox{--} 1,\kern-0.15em 209\cdot \left(0,,\kern-0.1em 993\right) Alter $$
  • Männer, Serumkreatinin ≤0,9 mg/dl:
    $$ eGFR=141\cdot \left(Scr/0,7\right)\hbox{--} 0,\kern-0.15em 411\cdot \left(0,,\kern-0.15em 993\right) Alter $$
  • Männer, Serumkreatinin >0,9 mg/dl:
    $$ eGFR=141\cdot \left(Scr/0,7\right)\hbox{--} 1,\kern-0.15em 209\cdot \left(0,,\kern-0.15em 993\right) Alter $$
Literatur
Cockcroft DW, Gault MH (1976) Prediction of creatinine clearance from serum creatinine. Nephron 16:31–41PubMedCrossRef
Inker LA, Schmid CH, Tighiouart H, Eckfeldt JH, Feldman HI, Greene T, Kusek JW, Manzi J, Van LF, Zhang YL, Coresh J, Levey AS (2012) Estimating glomerular filtration rate from serum creatinine and cystatin C. N Engl J Med 367:20–29PubMedCrossRef
KDIGO (2013) Clinical practice guideline for the evaluation and management of chronic kidney disease. Kidney Int Suppl 3:1CrossRef
Levey AS, Coresh J, Greene T, Marsh J, Stevens LA, Kusek JW, Van LF (2007) Expressing the Modification of Diet in Renal Disease Study equation for estimating glomerular filtration rate with standardized serum creatinine values. Clin Chem 53:766–772PubMedCrossRef
Levey AS, Stevens LA, Schmid CH, Zhang YL, Castro AF III, Feldman HI, Kusek JW, Eggers P, Van LF, Greene T, Coresh J (2009) A new equation to estimate glomerular filtration rate. Ann Intern Med 150:604–612PubMedCentralPubMedCrossRef