Kreatinin entsteht als Abbauprodukt des Kreatins im Muskel. Es entsteht durch katalysierte Dehydratation während der Abgabe von Kreatinphosphat aus dem Muskel an den Extrazellulärraum.
Struktur
Cyclisches Anhydrid des Kreatins (Methylguanidinoessigsäure), C4N3OH8 (s. Abb. im Stichwort Kreatin).
Molmasse
113,12 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Kreatin wird in Leber und Niere synthetisiert und in Skelett- und Herzmuskel transferiert, wo es als Kreatinphosphat und freies Kreatin vorliegt. Ca. 1–2 % des Kreatins wird in Form des Dehydrats Kreatinin täglich abgebaut bzw. ausgeschieden. Durch seine niedrige Molmasse ist Kreatinin frei filtrierbar und wird daher nahezu vollständig renal eliminiert. Daneben kann es zu einem kleinen Teil renal sezerniert werden. Nur bei Niereninsuffizienz stellt neben der renalen Ausscheidung die Ausscheidung über das Kolon und die Galle einen zunehmenden Anteil.
Halbwertszeit
Im Blut: 2–3 Minuten.
Funktion – Pathophysiologie
Kreatinin im Plasma hat keine bekannte physiologische Funktion. Seine Konzentration ist linear abhängig von der Muskelmasse. Darüber hinaus wird es bei gekochtem Fleisch über die Nahrung aufgenommen. Die physiologische Quelle des Kreatinins ist eine dehydrierende Reaktion beim Austritt eines Teils des Kreatins über die Muskelzellmembran in den Extrazellulärraum. Da man Kreatin in Kreatinin durch Erhitzen umwandeln kann, ging man bisher von einer nicht enzymatischen Umwandlung in vivo aus. Kreatin ist jedoch im Blut bei Körpertemperatur stabil. Darüber hinaus wurde in Membranen des Muskels eine katalytische Dehydrierung durch ein membrangebundenes Enzym nachgewiesen.
Die Elimination von Kreatinin aus dem Kreislauf geschieht nahezu ausschließlich durch glomeruläre Filtration und zu ca. 10–25 % durch tubuläre Sekretion. Bei Verminderung der glomerulären Clearance kommt es zu einem logarithmischen Anstieg des Kreatinins im Plasma. Ab einer Konzentration von 3 mg/dL (265 μmol/L) ist der Anteil der tubulären Sekretion auf über 60 % der Elimination angestiegen, weshalb eine Berechnung der Clearance aus dem Plasmakonzentration wesentlich zu hohe Ergebnisse liefert.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Kreatinin kann aus Serum und Plasma (Heparin-, EDTA-, Citrat-; unter Berücksichtigung der Verdünnung) gemessen werden. Urin (24- oder 6-Stunden-Sammelurin) dient als Material zur Berechnung der renalen (glomerulären) Clearance. Sonstige Exsudate und andere Körperflüssigkeiten werden auf Kreatinin nur untersucht, um die Abwesenheit von Urin zu prüfen.
Probenstabilität
Kreatinin ist im Vollblut über 2–3 Tage stabil und steigt danach an (teilweise Pseudokreatinin). Im Plasma/Serum ist Kreatinin 7 Tage bei Raum- und Kühlschranktemperatur, 3 Monate im gefrorenen Zustand stabil. Im Urin wurden Stabilitäten von 2 Tagen bei Raumtemperatur, 6 Tagen bei 2–8 °C und 6 Monaten bei –20 °C gemessen.
Präanalytik
Einflussgrößen: Die Abhängigkeit des Kreatinins von der Muskelmasse bedingt, dass erhöhte Muskelmasse, z. B. bei Boxern, Bodybuildern und anderen Sportlern auch ohne Verminderung der glomerulären Clearance erhöht sein kann. Dies ist auch der Grund für die Alters- und Geschlechtsunterschiede der Normalbereiche. Der Verzehr großer Mengen gekochten Fleischs erhöht ebenfalls vorübergehend die Konzentration von Kreatinin.
Störgrößen: Bei Anwendung der Jaffe-Methode (Jaffe-Reaktion) ist seit Langem bekannt, dass Ketonkörper und damit Hungerzustände und diabetische Stoffwechsellage zur Erhöhung des Messergebnisses führen. Manche Medikamente reagieren ebenfalls mit der Jaffe-Reaktion positiv (Cephalosporinderivate, Nitrofurantoin). Bei der enzymatischen Methode wurde eine Erhöhung bei Ikterus beobachtet durch Interferenz mit Bilirubin. Auch Hämolyse über 500 mg/L und Lipämie >20 g/L wirken steigernd auf die Bestimmung von Kreatinin. Demgegenüber kann eine hohe Dosis von Ascorbinsäure (Vitamin C) senkend auf die enzymatische Methode wirken. Dies ist vor allem bei Messungen im Urin relevant.
Analytik
Seit der Entdeckung des Kreatinins durch Justus von Liebig wurden chemische Methoden zur Messung dieses Metaboliten angewandt. Von diesen hat sich die von Jaffe beschriebene Reaktion mit Pikrinsäure als Routinemethode bis heute gehalten. Sie wird meist in der Modifikation der kinetischen Reaktion angeboten.
Von den seit den 1970er-Jahren entwickelten enzymatischen Methoden hat sich die enzymatische Methode mit Kreatininase und Detektion mit der Trinder-Reaktion (PAP) durchgesetzt.
Als Referenzmethode auch bei der externen Qualitätskontrolle dient die Massenspektrometrie mit Isotopenverdünnung. Ein Vergleich der derzeit gebräuchlichen Methoden mit der Referenzmethode ergaben bis zu 0,3 mg/dL niedrigere Werte für die der Referenzmethode ähnlichen Ergebnisse im Vergleich mit der kinetischen Jaffe-Methode. Dies wird teilweise mit einer sog. kompensierten Kalibration versucht auszugleichen.
Kreatinin wird bei Erwachsenen im Rahmen der Basisuntersuchung zum Ausschluss einer Verminderung der glomerulären Clearance angefordert.
Zur Messung der glomerulären Clearance (Clearance, glomeruläre) aus dem Serum/Plasma-Wert mithilfe der Cockroft-Gault-Formel oder daraus abgeleiteter Formeln. Messung der Clearance aus der Ausscheidungsrate im Sammelurin.
Im Urin bei manchen Messungen als Maß für die Urinkonzentration (z. B. bei Urinproteinen).
Interpretation
Jede Erhöhung der Kreatininkonzentration ist als Hinweis auf eine reduzierte glomeruläre Filtrationsrate zu deuten. Mithilfe verschiedener Rechenformeln (Kreatinin-Clearance; MDRD-Formel) kann aus der Plasma/Serumkonzentration auf die Clearance geschlossen werden. Vorher müssen andere Einflussgrößen und Störgrößen, die eine erhöhte Kreatininkonzentration verursachen oder vortäuschen, ausgeschlossen werden (s. Präanalytik).
Diagnostische Wertigkeit
Seit ihrer Einführung als Messgröße zur Erfassung einer reduzierten glomerulären Filtrationsrate hat die Bestimmung des Plasma/Serum-Kreatinins eine feste Rolle im Rahmen der internistischen Untersuchung gehabt. Zum Ausschluss und zur Früherkennung einer reduzierten Nierenfunktion war es in allen Empfehlungen zur Erfassung der Nierenfunktion eingebunden. Erst die Entwicklung spezifischer Messverfahren und der Referenzmethode haben die lange bekannten Limitierungen der Bestimmung bewusst gemacht. Diese umfassen:
Kreatinin wird neben der Filtration auch tubulär sezerniert.
Bei niedriger Muskelmasse wird eine Reduktion der glomerulären Clearance erst unterhalb 50 mL/min angezeigt. Dies trifft vor allem für ältere Patienten wie z. B. Diabetiker über 60 Jahre zu.
Erhöhte Muskelmasse, vermehrte Fleischzufuhr und systemische Erkrankungen mit Abbau von Muskelmasse erhöhen die Konzentration von Kreatinin, ohne dass die glomeruläre Clearance reduziert ist.
Da diese Nachteile auch durch noch so differenzierte Rechenformeln, die den Körperumfang, das Geschlecht und das Alter berücksichtigen, nicht kompensiert werden, ist nach besseren Markern gesucht worden. Nachdem exogene Marker (Inulin, Iohexol) wegen der aufwendigen Durchführung keinen breiten Eingang in die Klinik gefunden haben und nuklearmedizinische Verfahren nur gezielt eingesetzt werden, ist derzeit Cystatin C als beste Alternative nach Standardisierung und klinischer Evaluation soweit, dass man eine Reduktion der Bedeutung der Kreatininbestimmung voraussagen kann.
Literatur
Arndt T (2007) Urin-Kreatinin-Konzentration: Kenngröße zur Prüfung auf Probenverwertbarkeit? Kritische Überlegungen aus ca. 25.000 Urin-Kreatininbestimmungen in einem klinisch-chemischen Labor. Toxichem Krimtech 74(2):94–99
Panteghini M (2008) Enzymatic assays for creatinine: time for action. Scand J Clin Lab Invest 68(Suppl 241):84–88CrossRef