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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 21.04.2015

Prinzipien der Tumorbiologie

Verfasst von: Michael Hallek
Tumorerkrankungen werden in gutartige und bösartige Erscheinungsbilder unterteilt. Bösartige Tumore infiltrieren Blutgefäße, Gewebe und Organe was zur Entstehung von Metastasen an entfernten Körperstellen führt. Obwohl gutartige Tumore keine Metastasen bilden, wird trotzdem eine chirurgische Intervention zur pathologischen Diagnose und zum Schutz der angrenzenden Organe bevorzugt. Alle Tumorerkrankungen gehen auf Veränderungen im Erbgut zurück, die sowohl durch somatische Mutationen als auch durch epigenetische Abweichungen verursacht werden können. Durch diese genomischen Veränderungen geraten grundlegende Mechanismen der Signaltransduktion, die das zelluläre Wachstum und Überleben bestimmen, außer Kontrolle. Gene die durch Mutationen oder exzessive Aktivierung zur Tumorentwicklung beitragen werden Onkogene genannt. Gene die wiederum durch Mutationen in Tumorzellen mit beeinträchtigter Funktion exprimiert werden, nennt man Tumorsuppressorgene, da sie in der Zelle eine wachstumshemmende Funktion haben. Die Entwicklung einer Tumorzelle ist fast immer das Resultat einer Anhäufung mehrerer genetischer Veränderungen in Onkogenen und/oder Tumorsuppressorgenen, die Signalwege zur Kontrolle zellulärer Regulationsmechanismen verändern.

Einleitung

Tumorerkrankungen werden in gutartige und bösartige Erscheinungsbilder unterteilt. Bösartige Tumore infiltrieren Blutgefäße, Gewebe und Organe, was zur Entstehung von Metastasen an entfernten Körperstellen führt. Obwohl gutartige Tumore keine Metastasen bilden, wird trotzdem eine chirurgische Intervention zur pathologischen und zum Schutz der angrenzenden Organe bevorzugt. Alle Tumorerkrankungen gehen auf Veränderungen im Erbgut zurück, die sowohl durch somatische Mutationen als auch durch epigenetische Abweichungen verursacht werden können. Durch diese genomischen Veränderungen geraten grundlegende Mechanismen der Signaltransduktion, die das zelluläre Wachstum und Überleben bestimmen, außer Kontrolle. Gene die durch Mutationen oder exzessive Aktivierung zur Tumorentwicklung beitragen, werden Onkogene genannt. Gene die wiederum durch Mutationen in Tumorzellen mit beeinträchtigter Funktion exprimiert werden, nennt man Tumorsuppressorgene, da sie in der Zelle eine wachstumshemmende Funktion haben. Die Entwicklung einer Tumorzelle ist fast immer das Resultat einer Anhäufung mehrerer genetischer Veränderungen in Onkogenen und/oder Tumorsuppressorgenen, die Signalwege zur Kontrolle zellulärer Regulationsmechanismen verändern. Nachfolgend werden die allen Tumorarten gemeinsamen, typischen und definierenden Merkmale einer Tumorzelle besprochen, die auch für gezielte Therapieansätze von Bedeutung sind (Abb. 1).

Merkmale von Tumoren

Anhaltende Proliferationskapazität und Resistenz gegen Wachstumshemmung

Das wohl deutlichste Merkmal einer Tumorzelle ist ihre Fähigkeit, permanent Proliferationssignale zu erzeugen. In normalen Zellen werden Wachstumssignalen, die den Zellzyklus regulieren, unter sorgfältiger Kontrolle erzeugt und weitergegeben. Diese genau abgestimmte Kontrolle gewährleistet ein Gleichgewicht der Zellzahl in Geweben, was unbedingt notwendig ist, um deren Struktur und Funktion zu erhalten. Tumorzellen können auf verschiedene Art und Weise ihre Proliferationskapazität beibehalten (Hanahan und Weinberg 2000). Bei autokriner Proliferationsstimulation können beispielsweise sowohl Wachstumsfaktoren als auch die zugehörigen Rezeptoren dafür erhöht expremiert werden (Lemmon und Schlessinger 2010).
Anhaltende Proliferationssignale können aber auch allein durch die Überexpression von Rezeptormolekülen auf der Tumorzelle herbeigeführt werden, wodurch die Zelle eine höhere Empfindlichkeit für Wachstumsfaktoren erhält, deren vorhandene Menge andernfalls limitierend wäre (Witsch et al. 2010; Lemmon und Schlessinger 2010). Außerdem können genetische Mutationen, die strukturelle Veränderungen in Rezeptormolekülen hervorrufen, die Tumorzellen die Fähigkeit verleihen, ligandenunabhängige Wachstumssignale zu erzeugen (Perona 2006). Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Tumorzellen stimulierende Signale an andere Zellen im Tumormilieu senden, durch welche sie selbst wiederum mit Wachstumssignalen versorgt werden (Bhowmick et al. 2004; Cheng et al. 2008).
Tumorzellen proliferieren häufig unabhängig von ligandenstimulierten Wachstumsfaktorrezeptoren durch die konstitutive Aktivierung nachgeordneter Signalkaskaden. Da einerseits durch einen ligandenstimulierten Rezeptor meist mehrere Signalwege aktiviert werden können, und andererseits verschiedene rezeptorstimulierte Signalwege häufig in gemeinsamen Signalkaskaden, wie z. B. den Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3K)/Akt- oder Mitogen-aktivierte Proteinkinase (MAPK)-Signalweg zusammenlaufen (Yuan und Cantley 2008; Jiang und Liu 2009), sind die Auswirkungen einer konstitutiven Aktivierung nachgeordneter Signalkaskaden oft denen mutierter Rezeptoren ähnlich. Die Tumorsuppressoren p53 und Rb (Retinoblastoma Protein) spielen eine wichtige Rolle in der Hemmung von Wachstumssignalen. Folglich weisen ihnen verbundene Signalnetzwerke, die mit funktionaler Redundanz ausgelegt sind, oft eine Anhäufung von funktionshemmenden Mutationen in Tumorzellen auf (Hanahan und Weinberg 2011).
Durch erhöhte oder ungleichmäßige onkogene Signale in Krebszellen kann eine Art der zellulären Seneszenz, die onkogeninduzierte Seneszenz (OIS), hervorgerufen werden (Collado und Serrano 2010; Evan und d'Adda di Fagagna 2009). Diese Reaktion ist von der weiter unten beschrieben replikativen Seneszenz zu unterscheiden und dient als Schutz vor der malignen Transformation gesunder Zellen (Mooi und Peeper 2006). Tumorzellen können dieses Hindernis meist nur dann überwinden, wenn bereits mehrere Signalwege der Zelle dereguliert sind und dadurch die OIS nicht mehr vollständig induziert werden kann.

Zelltodresistenz

In den letzten 30 Jahren entstand das Konzept des programmierten Zelltods, der Apoptose, die u. a. einen Schutzmechanismus vor Tumorentstehung darstellt, indem sie das Überleben geschädigter Zellen, die ggf. Mutationen in Onkogenen und Tumorsuppressor-Genen enthalten, verhindert (Evan und Littlewood 1998; Lowe et al. 2004; Adams und Cory 2007). Als Folge erhöhter onkogener Signale und als Antwort auf DNA-Schäden („DNA Damage Response“, DDR) wird das Gleichgewicht in der zellulären Signaltransduktion verschoben und Apoptosemechanismen induziert. Tumorzellen vermeiden Apoptose auf verschiedene Weise.
Ein häufig in Tumorzellen vorgefundener Mechanismus zur Vermeidung von Apoptose sind Mutationen im Tumorsuppressor-Gen p53. Das p53-Protein ist ein wesentlicher Sensor von DNA-Schäden sowie Störungen der Genomintegrität und wird deshalb oft als Wächter des Genoms bezeichnet (Lane 1992). Als Transkriptionsfaktor reguliert p53 Entscheidungen über das Schicksal geschädigter Zellen, z. B. den Ablauf der Apoptose oder die Blockade das Zellzyklus (Lane und Fischer 2004). Die wichtige Rolle, die funktionelles p53 bei der Verhinderung der Tumorentwicklung spielt, spiegelt sich darin wider, dass in ca. 50 % aller Tumoren Aberrationen in diesem Gen gefunden werden können. Außerdem weisen Tumorzellen häufig eine erhöhte Expression von antiapoptotischen mitochondrialen Molekülen wie z. B. Bcl-2 auf oder steigern die Sekretion von Wachstumssignalen, z. B. von IGF („insulin-like-growth factor“), indem sie proapoptotische Faktoren wie Bax, Bim oder Puma herabregulieren (Hanahan und Weinberg 2011). Außer dem beschriebenen intrinsischen Weg der Apotose-Induktion (unter Freisetzung von Cytochrom C aus Mitochondrien) ist in Tumorzellen häufig auch der extrinsische, durch Liganden, wie z. B. Fas, regulierte Apoptosesignalweg gestört.
Neben der Apoptose können auch andere Arten des programmierten Zelltods hemmend auf die Tumorentwicklung wirken. Ein zellphysiologisches Beispiel dafür ist die Autophagie, die häufig im Zustand des Nährstoffmangels auftritt und wie die Apoptose als zelluläre Stressreaktion ausgelöst werden kann (Levine und Kroemer 2008; Mizushima 2007). Autophagie beinhaltet den Abbau von zellulären Organellen, z. B. Ribosomen und Mitochondrien, zur Verwendung in der Biosynthese und im Energiemetabolismus, um das zelluläre Überleben zu fördern (Mizushima et al. 2008). Weitere Studien sind jedoch notwendig, um herauszufinden, unter welchen Voraussetzungen die Autophagie der Tumorentwicklung einer Zelle entgegensteuert oder unter welchen Gegebenheiten das Überleben von Tumorzellen im nährstoffarmen Tumormilieu begünstigt wird (White und DiPaola 2009; Lu et al. 2008).

Unbegrenzte Vermehrungsfähigkeit

Im Gegensatz zu Tumorzellen überleben normale Zellen nur eine begrenzte Anzahl an Zellwachstums- und Teilungszyklen. Anschließend gehen gesunde Zellen in den Zustand der replikativen Seneszenz über, in dem sie sich nicht weiter teilen können und welcher schließlich nach einer Phase der Krise zum Zelltod führt (Hanahan und Weinberg 2000). Vereinzelt entkommen Zellen dieser Seneszenz und weisen eine unbegrenzte Vermehrungskapazität auf, woraufhin sie als „unsterblich“ bezeichnet werden. Dieser Vorgang ist eng mit der Instandhaltung der Enden der chromosomalen DNA, der Telomeren, verbunden. Telomere setzen sich aus mehreren, hintereinander vorkommenden Wiederholungen von 6 Nukleotiden langen Sequenzmotiven zusammen, die mit jedem Replikationszyklus der zellulären DNA zunehmend verkürzt werden. Telomere spielen eine wichtige Rolle in der Instandhaltung der Genomintegrität, da sie die DNA vor Verschmelzungen an den Chromosomenenden schützen (Blasco 2005). Durch sukzessive Zellzyklen werden die Telomerenden abgetragen und verlieren somit ihre beschützende Funktion, was eine zelluläre Krise und den anschließenden Zelltod auslöst (Shay und Wright 2000).
Tumorzellen wirken der Verkürzung der Telomerenden entgegen, indem sie die DNA-Polymerase Telomerase überexprimieren, welche die Fähigkeit besitzt, telomerspezifische Basenwiederholungen an abgetragenen Telomerenden zu erneuern. Dadurch erhalten Tumorzellen die Fähigkeit, sich unbegrenzt zu vermehren und die replikativen Seneszenz zu vermeiden. Allerdings gibt es Belege, dass in manchen Tumoren die Telomeraseaktivität erst zu einem relativ späten Zeitpunkt der Tumorprogression festgestellt werden kann und manche prämaligne Läsionen äußerst abgetragene Telomerenden haben (Hansel et al. 2006; Kawai et al. 2007). Dies weist darauf hin, dass chromosomale Aberrationen, die durch abgetragene Telomerenden auftreten, eventuell zur Tumorentwicklung beitragen und anschließend durch die Telomeraseaktivierung im Tumorgenom stabilisiert werden können.

Angiogenese

Ebenso wie normale Gewebe sind Tumore auf die Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff sowie die Entsorgung von Stoffwechselendprodukten und Kohlendioxid angewiesen. Deshalb ist die Angiogenese für die Tumorenwicklung von Bedeutung, d. h. die Bildung neuer, tumorassoziierter Blutgefäße, die von vorhandenen Blutgefäßen ausgeht. Zellen, die adulte Blutgefäße bilden, exprimieren verschiedene endogenen Angiogenesehemmer und befinden sich in der Regel im Ruhezustand (Ribatti 2009; Kazerounian et al. 2008). Nur unter bestimmten physiologischen Umständen wie z. B. dem weiblichen Reproduktionszyklus oder dem Wundheilungsprozess, wird vorübergehend Angiogenese induziert. In Tumorzellen ist das angiogene Programm oft permanent aktiviert, wodurch das Wachstum neuer Blutgefäße zur Nährstoffversorgung des sich ausbreitenden Tumorgewebes ermöglicht wird (Hanahan et al. 1996). Angiogene Faktoren wie z. B. VEGF („Vascular Endothelial Growth Factor“) können z. T. durch dominante onkogene Signale wie Ras und Myc in Tumorzellen direkt hochreguliert werden (Volpert und Alani 2003), andererseits aber auch von inflammatorischen Immunzellen indirekt bereitgestellt werden. Mehrere Studien belegen, dass auch Zellen des angeborenen Immunsystems wie Makrophagen, Neutrophile, Mastzellen und myeloide Vorläuferzellen eine wichtige Rolle in der Aktivierung angiogener Prozesse spielen (Qian und Pollard 2010; Zumsteg und Christofori 2009; Murdoch et al. 2008).

Invasion und Metastasen

Der Prozess der Invasion und Metastasenbildung kann in definierte Stufen eingeteilt werden (Talmadge und Fidler 2010). Diese Abfolge zellbiologischer Veränderungen beginnt mit der lokalen Invasion in das umliegende Gewebe, gefolgt von der Intravasation, d. h. dem Eindringen der Tumorzellen in die Blut- und Lymphgefäße, der Verteilung über das lymphatische und Blutkreislaufsystem und dem anschließenden Ausbruch der Tumorzellen aus den Gefäßen (Extravasation) in die Parenchyme entfernter Gewebe. Die Metastasenbildung beginnt mit der Einnistung einzelner Tumorzellen, sog. Mikrometastasen, die unter vorteilhaften Bedingungen im metastatischen Mikromilieu zu einem makroskopischen Tumor heranwachsen (McGowan et al. 2009).
Der Beginn der Tumorzellinvasion wird entscheidend vom Übergang von epithelialem zu mesenchymalen Gewebe („Epithelial-to-mesenchymal transition“, EMT) bestimmt, ein Prozess der außer in transformierten Zellen nur während der embryonalen Morphogenese oder der Wundheilung abläuft (Thiery et al. 2009). An der EMT ist eine Gruppe pleiotroper Transkriptionsfaktoren (z. B. Twist, Snail, Slug, und Zeb1/2) beteiligt, die von Tumorzellen zeitweise oder dauerhaft sowie im Laufe der Invasion und Metastasenbildung in unterschiedlichem Ausmaß wirksam werden (Taube et al. 2010; Schmalhofer et al. 2009; Micalizzi et al. 2010; Yang und Weinberg 2008). Die zellbiologischen Auswirkungen der aktivierten EMT-Transkriptionsabfolge umfassen den Verlust adhärenter Verbindungen zwischen Zellen, den Übergang von einer polygonalen/epithelialen zu einer spindelartigen/mesenchymalen Zellmorphologie, die erhöhte Expression von matrixabbauenden Enzymen, eine erhöhte Zellmobilität, und Apoptoseresistenz (Klymkowsky und Savagner 2009; Polyak und Weinberg 2009; Yilmaz und Christofori 2009). E-Cadherin, eine Schlüsselfaktor und negativer Regulator der Zellmobilität und Invasivität (Cavallaro und Christofori 2004) wird von vielen der während der EMT aktivierten Transkriptionsfaktoren direkt gehemmt (Peinado et al. 2004).
Das EMT-Programm ermöglicht es Tumorzellen, dem primären Entstehungsort des Tumors zu entweichen und in die Gefäßsysteme einzudringen. Eine Vielzahl weiterer Faktoren wirken sich jedoch zelltypspezifisch auf die anschließende Besiedelung der metastatischen Nische durch zirkulierende Tumorzellen sowie auf den Auswuchs zu einem klinisch relevanten, makroskopischen Tumor aus. Manche Tumorzellen bilden ruhende Mikrometastasen, die jahrelang nicht zu makroskopischen Tumoren heranwachsen, bis sie genetisch so verändert sind, dass sie in der metastatische Nische wachsen können (Talmadge und Fidler 2010; Fidler 2003; Aguirre-Ghiso 2007; McGowan et al. 2009). Eines der größten Hindernisse, das von Tumorzellen in der metastatischen Nische bewältigt werden muss ist die Aktivierung der Angiogenese (Naumov et al. 2008) (Aguirre-Ghiso 2007). Zusätzlich weisen einige Studien darauf hin, dass Nährstoffmangel in der metastatischen Nische ein starker Auslöser der Autophagie in Tumorzellen ist, wodurch die Tumorzellen schrumpfen und in einen reversiblen Ruhezustand übergehen (Lu et al. 2008) (Kenific et al. 2010). Diese ruhenden, mikrometastatischen Tumorzellen können unter veränderten und vorteilhaften Bedingungen im Mikromilieu ihre Proliferationskapazität erneut aktivieren und daraufhin zu einem makroskopischen Tumor heranwachsen (Barkan et al. 2010; Aguirre-Ghiso 2007). Zu Faktoren, die diese Entwicklung beeinflussen, gehören unter anderem die Verfügbarkeit von Nährstoffen, Signale aus der extrazellulären Matrix sowie tumorsuppressive Reaktionen des Immunsystems (Qian und Pollard 2010; Kessenbrock et al. 2010; Joyce und Pollard 2009; Egeblad et al. 2010).

Vermeidung der Immunabwehr

Neuere Untersuchungen stützen zunehmend die Hypothese, dass antitumorale Immunreaktionen in verschiedenen Krebsarten nicht selten vorkommen. Zum Beispiel haben Patienten mit Dickdarm- oder Eierstockkrebs, in denen eine hohe Immunzellinfiltration im Tumorgewebe nachgewiesen werden kann, eine bessere diagnostische Prognose (Pages et al. 2010; Nelson, 2008). Außerdem weisen immunsupprimierte Mäuse eine erhöhte karzinogeninduzierte Tumorentstehung auf, besonders bei mangelnder Aktivität von CD4+ oder CD8+ T-Zellen bzw. NK-Zellen (Kim et al. 2007; Teng et al. 2008). Zusätzlich können Tumorzellen aus immunsupprimierten Mäusen nach Transplantation in immunkompetente Empfänger häufig keine sekundären Tumore bilden (Kim et al. 2007; Teng et al. 2008).
Diese Beobachtungen führen zur Hypothese, dass stark-immunogene Tumorzellen routinemäßig durch das Immunsystem entfernt werden und dadurch in der Regel nicht zu klinisch relevanten Tumorerkrankungen führen, während schwach-immunogene tumorzellvarianten vom Immunsystem nicht erkannt oder beseitigt werden können und daher zur Entstehung solider Tumore führen. Das erhöhte Vorkommen von bestimmten Tumorerkrankungen in immunsupprimierten Personen könnte diese Hypothese, dass das Immunsystem Tumorentstehung verhindern kann, bestätigen (Kim et al. 2007). Allerdings können Tumorentwicklungen in immunsupprimierten Patienten überwiegend auf Infektionen mit Tumorviren zurückgeführt werden (Hanahan und Weinberg 2011; Munger et al. 2006) und die Prävalenz nichtviraler Tumore unterscheidet sich nicht wesentlich zwischen immunkompetenten und immunsupprimierten Personen (Hanahan und Weinberg 2011). Daher unterstützen epidemiologische Daten die Existenz antitumoraler Immunreaktionen nur ansatzweise. Weitere funktionelle Studien sowie klinische Daten sind somit notwendig, um das Konzept der antitumoralen Immunabwehr zu stützen und ihre wesentlichen Mechanismen zu verdeutlichen.

Zusammenfassung

Zu Beginn dieses Jahrtausends war Krebs als letztlich genetisch bedingte Erkrankung erkannt, d. h. als durch somatische Mutationen in Onkogenen oder Tumorsuppressor-Genen verursacht. Zu diesem Zeitpunkt definierten Hanahan und Weinberg in einem viel beachteten Übersichtsartikel aus einer schier unübersehbaren Vielfalt komplexer Eigenschaften sechs auf allgemein gültigen zellbiologischen Prinzipien beruhende, kennzeichnende Merkmale von Tumorzellen, die später ergänzt wurden, und in diesem Kapitel wiedergegeben sind. Inzwischen wird die Krebsentstehung nicht mehr ausschließlich als zellautonomer Prozess verstanden, sondern als Zusammenspiel der genetisch veränderten bösartigen Zellen mit ihrer Umgebung, dem Tumormikromilieu. Die Anwendung dieser Konzepte wird die Entwicklung neuer Medikamente zur Krebsbehandlung wesentlich beeinflussen.
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