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Die Intensivmedizin
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Publiziert am: 06.12.2022

Intensivtherapie bei akutem arteriellem Verschluß

Verfasst von: Heiner Wenk
Der „akute arterielle Verschluß“ beschreibt ein Zustandsbild im arteriellen Gefäßsystem, weniger eine Gefäßpathologie per se.
Die Intensivtherapie erfordert Kenntnisse in der perioperativen Befundeinschätzung (Durchblutung, Schwellung, Motorik, Sensibilität) und der medikamentösen Behandlung (Gerinnungstherapie, Antikoagulation), dem Volumenersatz und ggf. erweiterter Medikation (Antiobiotika, Diuretika, Hämostyptika, Analgetika). Unter https://www.gefaesschirurgie.de/qualitaet/leitlinien finden sich alle wesentlichen Leitlinien der Gefäßchirurgie, auch zum arteriellen Verschluss. (Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie. https://www.gefaesschirurgie.de/qualitaet/leitlinien; Golecki N, Kehl F (2020) Intensivmedizin bei Gefäßeingriffen. In: Debus ES, Groß-Fengels W (Hrsg) Operative und interventionelle Gefäßmedizin. Springer).
Nach Gefäßoperationen sind eine genaue Übergabe von intraoperativen Details wie Ischämiezeit, hypo- und hypertensiven Phasen, EKG-Veränderungen und antibiotische Therapien sowie Anordnungen zur gerinnungsbeeinflussenden Medikation erforderlich.
Gefäß-Patienten sind immer (auch) kardiale Risikopatienten.

Klinik

Der akute arterielle Verschluß ist Anlaß zu umgehender Diagnostik und Behandlung, denn die abhängige Körperprovinz ist durch die akute Mangeldurchblutung beim arteriellen Verschluß zumeist vital gefährdet.
Diese vitale Gefährdung äußert sich in einem Bild, welches plakativ mit den „6 P“ (nach Pratt und Krahl 1954) beschrieben wird:
  • Pulselessness (Pulslosigkeit)
  • Paresthesia (Parästhesie),
  • Palor (Blässe),
  • Pain (Schmerz),
  • Prostration (Erschöpfung),
  • Paralysis (Lähmung).
Eine differenzierte Einteilung der „akuten Ischämie“, die sich allerdings im Gegensatz zur Stadieneinteilung der arteriellen Verschlußerkrankung nach Fontaine im deutschen Sprachgebiet nicht flächendeckend durchgesetzt hat, findet sich bei Rutherford (Rutherford et al. 1997):
Stadieneinteilung der arteriellen Verschlusserkrankung nach Rutherford et al. (1997)
  • Das Stadium I beschreibt eine funktionsfähige abhängige Körperpartie ohne Gefühls- und Bewegungsstörungen.
Dopplersignale sind vorhanden.
  • Im Stadium II ist ein Extremitätenerhalt bei zeitgerechter Wiederherstellung der arteriellen Perfusion möglich, es finden sich diskrete Gefühlsstörungen oder Ruheschmerz und leichte bis mäßige motorische Störungen.
  • Das Stadium III beschreibt eine irreversible Nekrose oder Nervenschädigung mit ausgedehntem Sensibilitätsverlust und Lähmung (Rigor). Dopplersignale sind nicht ableitbar.
Die Symptomatik und die Schwere der Erkrankung wird wesentlich dadurch bestimmt, wie gut die distal eines akuten Verschlusses gelegene Körperprovinz kollateralisiert ist: Liegt sie im Bereich einer Endstrombahn, ist die klinische Symptomatik besonders ausgeprägt (Wenk et al. 2019).

Arterielle Embolie, arterielle Thrombose

Ätiologie, Pathogenese, Diagnostik und Therapieprinzipien
Akute Gefäßverschlüsse können durch verschiedene Ursachen entstehen:
Akute embolische Verschlüsse haben ihre Ursachen zumeist in einer absoluten Arrhythmie bei Vorhofflimmern, wenn sich intracardiale Thromben gebildet haben.
Aber auch arterioarterielle Embolien treten auf: Thromben aus vorgeschalteten Aneurysmen spielen eine Rolle (insbesondere das Popliteaaneurysma neigt zu arterioarteriellen Embolien), Embolien aus arteriosklerotisch veränderten Gefäßen (Arteria Carotis-Bifurkation, Arteria femoralis superficialis im Adduktorenkanal) sind beschrieben und können als schmerzhafte Cholesterinembolien insbesondere die Endstrombahn verlegen (Dedow et al. 2002).
Arterioarterielle Embolien und arterielle Thrombosen können auch durch eine chronische Gefäßwandschädigung bei Engpaßsyndromen hervorgerufen werden, die eine eigene Entität unter den Gefäßwandschädigungen darstellen Die häufigeten Engpaßsyndrome sind an der oberen Extremität das Thoracic outlet Syndrom (durch Enge der vorderen oder hinteren Skalenuslücke, durch den zu engen Raum zwischen 1. Rippe und Schlüsselbein oder durch einen zu engen Raum zwischen dem Processus coracoideus und dem Musculus pectoralis minor),
und an der unteren Extremität das Entrapmentsyndrom der A. Poplitea), bei dem Muskelkontraktionen die Arteria poplitea rezidivierend komprimieren und zur Gefäßwandschädigung führen können. Zu den Engpass-Syndromen gehört auch das seltene Trunkus-coeliakus-Kompressionssyndrom (Dunbar-Syndrom) am Ligamentum arcuatum, das zu rezidivierenden Ischämie-Zeichen führen kann, aber extrem selten zu einem Verschluss des Trunkus führt.
Arterielle Embolien bei venösen Thrombosen sind im großen Kreislauf eine Rarität: Sie entstehen (mit Ausnahme der Lungenarterienembolie) nur bei Vorliegen eines Herzwanddefektes (Vorhof- oder Ventrikelseptumdefekt).
Größere Emboli verlegen typischerweise eine Gefäßaufzweigung, da sich hier der Querschnitt des nachgeschalteten Gefäßes verringert. Am häufigsten sind die Aufzweigung der Arteria femoralis communis in die Arteria profunda femoris und die Arteria femoralis superficialis betroffen. Prinzipiell sind aber an allen Bifurkationen und Trifurkationen embolische Verschlüsse denkbar und zu behandeln.
Arterielle Thrombosen haben demgegenüber ganz andere Ursachen, die im Wesentlichen auf die Virchow'sche Trias zurückgehen: Veränderungen der Gefäßwand (Endothelläsion), Veränderungen der Fließlichkeit und Fließeigenschaften des Blutes (Stase) und Veränderungen der Blutgerinnung können Ursache einer arteriellen Thrombose sein. Während also bei einer arteriellen Embolie meistens ein intaktes Gefäß vorliegt, ist es bei einer arteriellen Thrombose zumeist erkrankt und damit Ursache für den Gefäßverschluß.
Dies erklärt die unterschiedlichen Lokalisationen der beiden Krankheitsbilder. Arterielle Thrombosen treten im Gegensatz zur Embolie nicht an Gefäßaufzweigungen auf, sondern in Provinzen, in denen die Gefäßwände besonders häufig geschädigt sind: Im Adduktorenkanal (Arteria femoralis superficialis), beim Thoracic outlet Syndrom in der Arteria subclavia), beim Gastrocnemius-Kompressionssyndrom in der Arteria poplitea.
Venöse Thrombosen, also der akute Verschluß eines venösen Blutleiters, äußern sich in einer Schwellung und lividen Verfärbung des betroffenen Körperteils oder Organes. Ihre Symptomatik ist mit Außnahme der seltenen Krankheitsbilder „Phlegmasia coerulea dolens“ und „Phlegmasia alba dolens“ weit weniger dramatisch als die eines arteriellen Verschlusses. Die Behandlung besteht vor allem in physikalischen (Hochlagerung, Kompression) und pharmakologischen Maßnahmen (Antikoagulation).
Der Thrombose ist in diesem Buch ein eigenes Kapitel gewidmet.
Eine seltene Ursache einer arteriellen Verschluss-Symptomatik können Gefäß-Verletzungen sein, eine Dissektion der Intima oder eine Gefäßdurchtennung.

Diagnostik

Akute arterielle Verschlüsse erfordern eine diagnostische Absicherung, um die dringliche Therapie einleiten zu können.
Pulsstatus
Bei einer arteriellen Embolie, arterieller Thrombose oder Gefäßdurchtrnnung ist distal der verschossenen Strombahn kein Puls tastbar. Die klinische Untersuchung beschreibt darüber hinaus die Blässe und die sensiblen und motorischen Störungen (siehe auch „6 P“).
Doppler und Duplexsonografie
Bei der apparativen Untersuchung stehen die Doppler- und Duplexsonografie im Vordergrund. Im Falle einer Embolie wird das typische Bild des „reitenden Embolus“, der häufig noch umspült ist, sichtbar. Dopplerverschlußdrucke sind oft nicht ableitbar, in den abhängigen Arterien finden sich lediglich pseudovenöse Signale als Ausdruck einer Restperfusion.
Radiologische Bildgebung
Angiografische Untersuchungen sind bei einem embolischen Verschluß zumeist entbehrlich. Arterielle Thrombosen sollten dagegen regelhaft angiografisch lokalisiert werden. Dies muß nicht unbedingt präoperativ erfolgen, sondern kann intraoperativ nach Freilegung des arteriellen Blutleiters ausgeführt werden. Die intraoperative Angiografie dient dann auch als Qualitätskontrolle in Bezug auf Vollständigkeit der durchgeführten Thrombektomie, der Wiederherstellung der arteriellen Strombahn und Beurteilung der arteriellen Ausstrombahn.
Gelingt im Falle einer arteriellen Thrombose die Thrombektomie nicht oder nicht komplett, kann durch die intraoperative Angiografie festgestellt werden, ob in gleicher Operation weitere Maßnahmen, wie eine Stentimplantation oder eine Bypassanlage zur Wiederherstellung der Durchblutung möglich oder erforderlich sind. Die Option einer Bypassoperation sollte bei jeder Therapieplanung bei akutem arteriellen Verschluß bedacht und vorgehalten werden (Bock 2003).
Akute Verschlüsse führen -abhängig von der Zeitdauer ihres Bestehens- zum Gewebsuntergang. Besteht der Verdacht auf eine irreversible Schädigung von Muskulatur, wird im Blut, auch im Urin, Myoglobin nachweisbar sein. Auch die Creatinkinase (CK) steigt im Serum an. Beide Laborwerte können zur Beurteilung einer Gewebsschädigung und der Aufdeckung eines sich eventuell entwickelnden Reperfusionssyndroms nach erfolgreicher Wiederherstellung der arteriellen Strombahn hilfreich sein Golecki und Kehl 2020; Hepp 2002).
Akute venöse Verschlüsse werden klinisch und apparativ durch die Duplexsonografie diagnostiziert. Die Phlebografie wird nur noch selten eingesetzt und dient häufig auch zur forensischen Absicherung. Zentrale Venen können ausgezeichnet mit einer Angio-CT dargestellt werden.

Therapie

Die zeitnahe Behandlung eines akuten Verschlusses dient der Wiederherstellung der arteriellen Strombahn.
Die einfachste Behandlungsform ist die Eröffnung des Blutleiters mit der Entfernung des Thrombus oder der Embolus. Dieses Operationsverfahren ist schon lange bekannt, nachdem Alexis Carell die Technik der Gefäßnaht angegeben hatte und für seine Arbeiten mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet wurde (1912). Auch die erste Endarteriektomie durch Dos Santos im Jahre 1946 war eigentlich als Thrombektomie geplant, die Mitentnahme der Intima war accidentell und die Thrombendarteriektomie war somit eigentlich ein „Unfall“ (Wenk 2001; Wenk und Schmid 2008).
Ein weiteres wertvolles Instrument für die Thrombektomie wurde von Fogarty im Jahre 1963 vorgestellt und hat weltweit Verbreitung gefunden. Es handelt sich dabei um einen Ballonkatheter, der in verschiedenen Größen angeboten wird und der eine „Fernthrombembolektomie“ erlaubt: Das Gefäß kann an einer gut erreichbaren Stelle freigelegt werden, der Thrombembolus wird mit dem Katheter passiert und durch den Ballonkatheter im entfalteten Zustand über die Arteriotomie geborgen.
Fogartykatheter sind heute auch als Zentrallochkatheter („through lumen Katheter“) verfügbar, sodaß Maßnahmen über einen Draht möglich sind und auch Kontrastmittel oder Medikamente über den geblockten Katheter gegeben werden können.
Aspirationsthrombektomie
In Einzelfällen kann eine Thrombektomie auch interventionell durch Punktion des Gefäßes und Aspiration des Gerinnsels über einen Aspirations- oder Angiografiekatheter gelingen.
Arterielle Thrombosen können darüber hinaus durch eine arterielle Lyse behandelt werden. Es stehen als Thrombolysesubstanzen rTPA (reversed Tissue Plasmin Aktivator), Streptokinase und Urokinase zur Verfügung. Eine arterielle Lyse benötigt aber in aller Regel mehr Zeit als die Katheterthrombembolektomie, sodaß die klinische Symptomatik und die Akuizität Einfluß auf die differenzierte Indikationsstellung haben. Die Lyse bleibt damit Einzelfällen vorbehalten. Sie kann insbesondere bei Bypassverschlüssen sinnvoll sein. Vorteil dieser Behandlung ist, daß die Ursachen für eine arterielle Thrombose durch die Lyse aufgedeckt werden, sodaß im Anschluß bei wiederhergestellter Durchblutung elektiv ggfs. die Ursache beseitigt werden kann (Dedow et al. 2002; Tiek 2009; Wenk 2000). Diese Maßnahme kann in einer endovasculären Therapie (Ballondilatation, Stentimplantation) oder einer offenen gefäßchirurgischen Maßnahme (Endarteriektomie, Patchplastik, Gefäßinterponat/Bypass)) bestehen.
Perioperative Medikation
Zur Vermeidung einer Re-Thrombose oder einer Appositionsthrombose gehört die Antikoagulation zur obligaten Medikation. Sie wird zumeist initial mit Heparinlösung durchgeführt. Bei Heparinunverträglichkeit oder heparininduzierter Thrombopenie muß ggf. auf Alternativsubstanzen wie z. B. Argatroban oder Danaparoid-Natrium (Orgaran®) ausgewichen werden, wobei bei letzterem vor seiner Anwendung erst geklärt werden mzuss, ob die für die HIT verantwortlichen Antikörper auch mit Danaparoid kreuzreagieren, was allerdings in weniger als 10 % der Fälle der Fall ist.
Immer muß an eine ausreichende Analgesie und Flüssigkeitsgabe gedacht werden.
Nach einer erfolgreichen gefäßchirurgischen Wiedereröffnung der arteriellen Strombahn muß einem erneuten Verschluß vorgebeugt werden. Zum einen muß deshalb die Verschlußursache behandelt werden (z. B. bei einer Herzrhythmusstörung als Ursache für eine arterielle Embolie die Rhythmisierung), zum anderen ist zu beachten, daß endovaskuläre oder offene gefäßchirurgische Interventionen die Thrombogenität der bearbeiteten Gefäßwand erheblich erhöhen. Diese wird durch die Endothelschädigung und die Freisetzung von Gewebsthrombokinase begründet.
Daher muß postoperativ in die Blutgerinnung eingegriffen werden. Bewährt hat sich wegen seiner guten Steuerbarkeit Heparin, dessen Wirkung durch die Bestimmung der partiellen Thromboplastinzeit (ptt) gemessen werden kann. Die Verwendung niedermolekularer Heparine wird empfohlen, da die Komplikationen und Nebenwirkungen einer heparininduzierten Thrombopenie vom Typ I oder II seltener auftreten (Golecki und Kehl 2020).
Eine weitere Möglichkeit, in die Blutgerinnung postoperativ einzugreifen, besteht in der Gabe eines Thrombocytenaggregationshemmers. Die weiteste Verbreitung hat die Acetysalicylsäure (ASS) erfahren, die in niedriger Dosierung gegeben werden kann. Mit den P2Y-12-Rezeptorinhibitoren (z. B. Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor) gibt es insbesondere bei Kontraindikationen zu ASS eine Behandlungsalternative. Über die Kombination dieser Thrombocytenaggregationshemmer mit ASS gibt es außerhalb der invasiven Kardiologie keine eindeutigen und evidenzbasierten Daten, so daß diese Kombination derzeit eine risikoadaptierte Einzelfallentscheidung bleibt.
Eine Antikoagulation mit Phenprocumon oder oralen Antikoagulantien (NOAK) ist heute zumeist dem venösen Gefäßsystem vorbehalten, nach arteriellen Verschlüssen wird sie nur ausnahmsweise angewendet. Bei Venenthombosen ist jedoch nach initialer Heparintherapie die Antikoagulation mit Marcumar für ein halbes Jahr etabliert – liegen hereditäre Gerinnungsstörungen vor, gegebenenfalls auch lebenslang.

Verschlüsse bestimmter Gefäßregionen

Dialyseshuntverschlüsse

Mit Verschlüssen von Dialysezugängen muß stets gerechnet werden, da die arteriovenösen Fisteln regelmäßig punktiert werden müssen und damit einem rezidivierendem Gefäßwandtrauma ausgesetzt sind. Dialyseshuntverschlüsse stellen relative Notfallindikationen dar und erfordern das gesamte Spektrum gefäßchirurgischer und interventioneller Expertise.
Die einfachste Therapieoption ist die Shunt-Thrombektomie.
Bei Shuntstenosen, Aneurysmen, Infekten etc. kommt das gesamte gefäßchirurgische (offene und endovaskuläre) Repertoire zum Einsatz.

Akuter Verschluß der Beinarterien

Die Femoralisbifurkation ist die häufigste Lokalisation arterioarterieller Embolien.
Der Verschluß wird durch eine direkte Thrombektomie behandelt.
Verschlüsse der a. femoralis superficialis, der a. poplitea und der Unterschenkelarterien werden durch eine Katheterthrombektomie behandelt. Hier empfiehlt sich zum Nachweis der kompletten Thrombeektomie eine Angiografie, ggf. ergänzende operative Verfahren (Angioplastie, Stent, Bypass) (Marcucci et al. 2007).
Die Erfolgskontrolle nach Thrombektomie ist die postoperative Erhebung des Pulsstatus, ergänzend kann eine Duplexsonografie sinnvoll sein. Empfohlen wird im Zweifelsfall eine intraoperative Angiografie, da häufig arterielle Thrombosen oder Embolien mit einer Arteriosklerose kombiniert sind.
Ein Reperfusionssyndrom oder Kompartmentsyndrom der unteren Extremität manifestiert sich zumeist an den Fußhebermuskeln des Unterschenkels (Musculus tibialis anterior etc.). Klinische Untersuchung, Kompartmentdruckmessung, Messung des CK und Myoglobinwertes erleichtern die Diagnose.
Im Zweifelsfall muß eine Kompartmentspaltung erfolgen.
Postoperativ ist nach einer Thrombektomie immer eine Antikoagulation und ggf. Thrombocytenaggregationshemmung angezeigt.

Aortenverschluß

Der hohe Aortenverschluß wird auch als Lériche Syndrom bezeichnet.
Die chronische Form ist durch eine Claudicatio intermittens (und beim Erstbeschreiber René Leriche durch Impotenz und AVK) gekennzeichnet.
Die akute Form ist wegen der plötzlichen Durchblutungsbeeinträchtigung der gesamten unteren Körperhälfte lebensbedrohlich: Die Letalität steigt pro Stunde um 10 %.
Somit besteht die Indikation zur umgehenden Wiederherstellung der Durchblutung, entweder durch Thrombektomie oder durch Bypassimplantation (anatomisch, oder in der Notfallsituation auch extraanatomisch als axillobifemoraler Bypass).
Auch beim Aortenverschluß ist auf die mögliche Rhabdomyolyse zu achten, insbesondere muß an die gluteale Ischämie gedacht werden. Durch die exzessive Freisetzung von Muskelprotein (Myoglobinurie) besteht die Gefahr einer Crushniere.
Die Kontrolle der Unrinausscheidung und die Beobachtung von Myoglobin im Urin erforden die Einlage einer Harnableitung, eine diuretische Medikation und einen erhöhten Flüssigkeitsdurchsatz („Spülbehandlung“).

Viszeralarterien und Nierenarterien

Der akute Verschluß der a. mesenterica superior ist trotz der Weiterentwicklung der Medizin in den letzten 30 bis 40 Jahren mit einer konstant hohen Letatlität (um 80 %) belastet.
Die ist vor allem durch die eigenartige Klinik mit einem „Vernichtungsschmerz“, der von einem längeren, tückischen „stillen Intervall“ gefolgt wird, bedingt. Die meisten Patienten werden deshalb erst im Stadium der wieder schmerzhaften Durchwanderungsperitonitis behandelt.
Wichtig ist also vor allem das „daran denken“ und – wie beim Lériche Syndrom – die zeitgerechte Therapie.
Nach Thrombektomie der Arterie bleibt die Erholung des Dünn- und Dickdarms abzuwarten, in der Regel ist also eine Second Look Operation erforderlich.
Postoperativ werden das Laktat und die CK als Verlaufsparameter herangezogen.
Die Nierenarterien sind seltener von akuten Verschlüssen betroffen: Plötzlich auftretender Flankenschmerz muß nicht immer eine Nierenkolik, sondern kann auch Ausdruck eines akuten Gefäßverschlusses sein. Da die Nierenarterie eine Endarterie ist, ist die umgehende Revaskularisation anzustreben (Wenk 2001). Die Thrombektomie erfolgt als Aspirationsthrombektomie durch die Leiste oder direkt transaortal, wie im eigenen Fall dargestellt.
Im postoperativen Verlauf werden die Urinausscheidung und die harnpflichtigen Substanzen kontrolliert.

Akute Verschlüsse der supraaortalen Gefäße

Notfalleingriffe an der Karotis sind gefäßchirurgische Seltenheiten. Der akute Verschluß der arteria carotis oder der a. vertebralis wird heute zumeist interventionell von Neuroradiologen versorgt.
Im Einzelfall kann eine Thrombektomie bei akutem Verschluß oder bei traumatischer Gefäßverletzung mit Dissektion und Appositionsthrombose erforderlich sein (Wenk 2021).
Diese Patienten benötigen ein Neuromonitoring und eine engmaschige Blutdrucküberwachung.
Literatur
Dedow E, Bangemann U, Koenig H (2002) Die Ergebnisse der intraartieriellen rTPA Lyse verschlossener femoro-distaler Bypasse. In: Hepp W (Hrsg) Akuter Extremitäten-Arterienverschluß. Steinkopff,
Golecki N, Kehl F (2020) Intensivmedizin bei Gefäßeingriffen. In: Debus ES, Groß-Fengels W (Hrsg) Operative und interventionelle Gefäßmedizin. Springer Berlin
Hepp W (Hrsg) 2002 Akuter Extremitäten-Arterienverschluß. Steinkopff Verlag
Marcucci G, Antonelli R, Accrocca F et al (2007) The role of cross-over Bypass graft in the treatmment of acute ischemia of the lower limb. G Chir 28(6–7):277–280PubMed
Pratt GH, Krahl E (1954) Surgical therapy for the occluded artery. Am J Surg 87(5):722–727CrossRefPubMed
Rutherford RB, Baker Ernst JD, Johnston C et al (1997) Recommended standards for reports dealing with lower extremity ischemia: revised version. J Vasc Surg 26:517–538CrossRefPubMed
Tiek J, Fourneau I, Daenens K, Nevelsteen A (2009) The role of thrombolysis in acute infrainguinal bypass occlusion: a prospektive nonrandomized controlled study. Ann Vasc Surg 23(2):179–185. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​avsg.​2006.​06.​001CrossRefPubMed
Wenk H (2000) Die lokoregionale Lyse – heute eine Conditio sine qua non? In: Metz L, Kortmann H (Hrsg) Hersfelder Gefäßdialog 1998. Steinkopf, Darmstadt
Wenk H (2001) Abdominalgefäße. In: Hartel W, Keminger K, Rehner M, Reith HB, Schreiber HW (Hrsg) Visceralchirurgie. Einhorn Verlag, Reinbek bei Hamburg
Wenk H (2021) Traumatische Gefäßverletzungen. Chirurg. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00104-021-01390-0
Wenk H, Schmid A (2008) Gefäßchirurgie. In: Henne-Bruns D, Dürig M, Kremer B (Hrsg) Chirurgie. Thieme, Stuttgart
Wenk H, Jahnke T, Debus ES (2019) Akuter arterieller Verschluß. In: Debus ES, Gross-Fengels W (Hrsg) Operative und interventionelle Gefäßmedizin. Springer, Heidelberg/Berlin