Grundlagen
Entspannungsverfahren sind in der Schlafmedizin in erster Linie für Patienten mit
Insomnien geeignet. Leitsymptome der nichtorganischen
Insomnie (ICD-10: F51.0) sind zum Beispiel Einschlafschwierigkeiten aufgrund des „Nicht-Abschalten-Könnens“, Früherwachen, lange Wachphasen in der Nacht, nicht erholsamer Schlaf, pathologische Müdigkeit, übermäßige Beschäftigung mit dem Schlaf oder Konzentrations- und Leistungsschwächen. Insomnien sind häufig multifaktoriell bedingt.
Zur psychotherapeutischen Behandlung von Ein- und Durchschlafstörungen stehen zahlreiche, gut evaluierte Therapieverfahren zur Verfügung, die zumeist in ein Therapiekonzept integriert werden, das den individuellen ätiologischen Bedingungsfaktoren Rechnung trägt und das eine Anzahl Faktoren zugleich beachtet. Grundsätzlich werden unter
Entspannungsverfahren alle Maßnahmen verstanden, die primär auf die Selbstmanagementstrategien des Patienten abzielen. Neben Basistherapieverfahren wie
Psychoedukation und verhaltenstherapeutischen Techniken wie „Schlafhygiene“, Stimuluskontrolle, Schlafrestriktion und kognitiven Methoden wie Gedankenstopp und kognitives Umstrukturieren („Kognitive Verhaltenstherapie“), stellt die Vermittlung von Entspannungsverfahren ein zentrales Element in der Therapie primärer
Insomnien dar. Das Ziel ist zum einen, den Schlaf objektiv zu verbessern – wobei sich insbesondere dauerhaft die Einschlaflatenz und die Gesamtschlafzeit optimieren lassen – und zum anderen, die subjektive Schlafqualität zu steigern, die den Leidensdruck des Patienten maßgeblich bestimmt.
Untersuchungen aus der Schlafforschung zeigen, dass schlafgestörte Menschen nicht unbedingt höheren Belastungen ausgesetzt sind als andere, dass sie aber deutlich größere Schwierigkeiten haben, diese zu bewältigen. Die mangelnde Fähigkeit, sich zu entspannen und Probleme und Sorgen abends gedanklich loszulassen, zeichnet diese Menschen ebenso aus wie die Neigung zu unfruchtbarem Grübeln. Teilziel der therapeutischen Intervention ist es, individuelle Stressoren zu erkennen und dafür adäquate Bewältigungsstrategien zu entwickeln, die vom Patienten gezielt eingesetzt werden können. Entspannungstechniken helfen dem Patienten dabei, Ruhe und Gelassenheit zu steigern und somit die Voraussetzungen für den besseren Umgang mit Stress zu schaffen. Für diesen Zweck stehen eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken zur Verfügung, die unter fachlicher Anleitung erlernt und regelmäßig geübt werden sollten. Der Patient profitiert am meisten, wenn die Verfahren kontinuierlich angewendet und „eingeübt“ werden, sodass sie in recht kurzer Zeit abrufbar zur Verfügung stehen.
Der Patient sollte angeleitet werden, schon tagsüber in kleinen Pausen immer wieder bewusst zu Entspannungstechniken zu greifen. So kann eine allgemeine innere Ruhe gefördert werden, mit der alltäglichen Anforderungen und Belastungen besser begegnet werden kann. Regelmäßige Tagesentspannung wirkt zugleich einem permanenten Hyperarousal entgegen („Stress und Hyperarousal“).
Zu den wichtigsten körperorientierten Verfahren, die in der Behandlung von
Insomnien eingesetzt werden, gehört die von Edmund Jacobson um 1928 entwickelte
Progressive Muskelrelaxation. Jacobson ging davon aus, dass alle Formen von „Nervosität“ und Anspannung mit einer Muskelverkrampfung einhergehen. Die Übungen sind so aufgebaut, dass die einzelnen Muskelgruppen nacheinander gezielt angespannt und wieder entspannt werden. Durch den Wechsel von An- und Entspannung stellt sich zunächst eine körperliche und in der Folge auch eine psychische Entspannung ein. Die Muskeln können dabei unter das normale Spannungsniveau gelockert werden. Das
Entspannungsverfahren ist schnell erlernbar und nachweislich sehr wirkungsvoll.
Ein weiteres wichtiges Verfahren, das oft in Kombination mit der körperorientierten Muskelrelaxation eingesetzt wird, ist die kognitive Entspannung. Diese Form der konzentrativen Selbstentspannung soll dem Patienten helfen, sich in beruhigende und wohltuende Gedanken- und Gefühlswelten zu versetzen. Erwiesenermaßen ist die Visualisierung eines Ruhebildes oder einer Phantasiereise hilfreich, schlafinkompatible Kognitionen zu unterbrechen und die Aufmerksamkeit auf schlaffördernde Gedanken zu lenken.
Das
autogene Training und die progressive Muskelentspannung gehören zu den bekannten
Entspannungsverfahren. Autogen bedeutet selbstentstehend, weil die Entspannung mittels autosuggestiver Selbstbeeinflussung erreicht wird. Wissenschaftlich ist dieses Verfahren gut erforscht und kann bei regelmäßiger Übung und Anwendung eine nachweisbare Entspannung in unserem Körper einschließlich des Nervensystems bewirken.
Hypnose ist ein Verfahren, das Entspannung bewirkt, wenn es als reines Induktionsverfahren angewandt oder mit entsprechenden Suggestionen zur Entspannung verbunden wird.
Hypnose ist neben Entspannungsinduktion auch bei Wachheit und körperlicher Belastung möglich. Die gezielten Suggestionen erfolgen mithilfe von Trance-Szenerien, in denen Einstellungen, Erleben und Verhalten des Hypnotisierten vom Therapeuten gezielt beeinflusst werden. Mittels Hypnose kann meist schon während der ersten Sitzung eine mit konventionellen
Entspannungsverfahren vergleichbare Wirkung erreicht werden.
Ein weitere Methode zur Entspannung ist das sogenannte
Biofeedback. Hierbei handelt es sich um einen Sammelbegriff für verschiedene Methoden, wie zum Beispiel durch Elektromyographie und Elektroenzephalographie oder vasomotorisch reguliertes Feedback.
Biofeedback funktioniert über die Rückmeldung von Biosignalen, die von physiologischen Prozessen erzeugt werden und die üblicherweise nicht bewusst wahrgenommen werden. Das therapeutische Ziel dieser Methode ist, Selbstkontrolle über körperliche Vorgänge zu erlernen. Von Forschern und Praktikern wird betont, dass Biofeedback nicht als einzige therapeutische Maßnahme eingesetzt werden sollte, sondern dass es als ein Baustein im Rahmen eines Gesamtprogramms anzusehen ist. Vor allem in Verbindung mit anderen entspannungsfördernden Verfahren wie dem autogenen Training hat es sich zur Optimierung des Entspannungsprozesses bewährt. Auch in verhaltensmedizinischen Therapieprogrammen wird Biofeedback häufig eingesetzt.
Die Bedeutung von Entspannung bei der Verminderung von Stress und Belastungen sowie für einen gesunden und erholsamen Schlaf wurde in zahlreichen klinischen Studien nachgewiesen.