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Massenspektrometrie

Verfasst von: B. Güssregen
Massenspektrometrie
Synonym(e)
MS; Tandem-Massenspektrometrie
Englischer Begriff
mass spectrometry
Definition
Analytisches Verfahren, das Ionen entsprechend ihres Verhältnisses Masse/Ladung (m/z) auftrennt und detektiert.
Beschreibung
In der Massenspektrometrie wird die zu untersuchende Probe im Hochvakuum in den gasförmigen Zustand überführt und ionisiert. Als bewegte geladene Teilchen lassen sich die Ionen in einem Analysator auf verschiedene Weise nach ihrem Masse-zu-Ladungs-Verhältnis (m/z) auftrennen und anschließend detektieren. Die Registrierung der im Massenspektrometer (Abb. 1) aufgetrennten Ionen erfolgt entweder auf einer Photoplatte oder häufiger als Ionenstrom mit einem Sekundärelektronenvervielfacher („electron multiplier“).
Im ersten Fall spricht man von Massenspektroskopie, im zweiten von Massenspektrometrie. Die Massenspektrometrie findet u. a. Anwendung in der Bestimmung der Molekülmasse einer chemischen Verbindung und in der Peptidanalytik. Häufig resultiert aus der Ionisierung eine Fragmentierung des Moleküls, wodurch wertvolle Informationen über die Struktur einer chemischen Verbindung erhalten werden können. In der klinischen Chemie sind die Identifizierung sowie die Quantifizierung von Arzneimitteln bzw. Drogen Hauptanwendungsgebiete der Massenspektrometrie. Der qualitative Nachweis von Drogen erfolgt häufig durch die Kopplung der Gaschromatographie mit Massenspektrometrie (GC-MS). Nach geeigneter Derivatisierung (z. B. Acetylierung) der zu analysierenden Probe werden die erhaltenen Massenspektren mit Substanzbibliotheken verglichen und identifiziert (Bibliotheksuche). Die Quantifizierung von chemischen Substanzen erfolgt nach der internen oder externen Standardmethode häufig in Kombination von GC-MS, LC-MS (Liquid-Chromatografie-Tandem-Massenspektrometrie) oder LC-MS/MS (Liquid-Chromatografie-Massenspektrometrie). Als interne Standards werden häufig isotopenmarkierte Analoga verwendet, da diese gleiche Fragmentierungsmuster und gleiche chromatografische Eigenschaften wie der Analyt besitzen. Vor allem die Tandem-Massenspektrometrie LC-MS/MS (s. u.) findet immer mehr Anwendung, da hier durch Erhöhung der Selektivität der Aufwand für die Probenvorbereitung minimiert werden kann.
Prinzipiell lässt sich ein Massenspektrometer in die 4 Komponenten aufgliedern:
  • Probenaufgabe
  • Ionisierung (Ionenquelle)
  • Massentrennung
  • Detektion
Durch die Probenaufgabe wird der Analyt in den gasförmigen Zustand überführt. Feste Probensubstanzen können direkt über eine Schubstange in die Ionenquelle eingebracht werden (Direkteinlass). Für flüssige oder gasförmige Proben eignet sich der Direkteinlass, die Kopplung mit einem Gaschromatographen (Gaschromatographie) oder Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographen (Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie).
In Abhängigkeit vom Analyten werden verschiedene Ionisierungsmethoden angewandt, wobei man prinzipiell zwischen Verdampfung vor der Ionisation (Elektronenstoßionisation [EI], chemische Ionisation [CI]), Sprayverfahren (ESI, APCI) und Desorptionsmethoden (MALDI, FAB) unterscheiden kann. Die älteste Methode stellt die Elektronenstoßionisation (EI) dar. Zur Ionisation wird die Probe mit einem Elektronenstrahl von 70 eV beschossen. Durch Wechselwirkungen der Elektronen mit den neutralen Molekülen entstehen positiv geladene Molekül-Ionen (Molekül-Ion). Die Bildung negativ geladener Ionen ist unter diesen Bedingungen nahezu ohne Bedeutung, sodass im Regelfall EI-Spektren positive Ionen zeigen. Die Elektronenstoßionisation wird häufig in Verbindung mit der Gaschromatografie (GC-MS) angewandt. Bei dieser harten Ionisierungsmethode werden die Moleküle weitgehend fragmentiert. Da das Fragmentierungsmuster reproduzierbar ist, sind Spektrenvergleiche mit Substanzbibliotheken möglich.
Bei der chemischen Ionisation (CI) handelt es sich um eine sanfte Ionisierungsmethode. Bei sanften Ionisierungsmethoden bleibt das Molekül-Ion weitgehend erhalten, die Massenspektren sind weniger reproduzierbar und daher für den Aufbau einer Spektrenbibliothek weniger geeignet. Bei der chemischen Ionisierung wird der Analyt durch ein Reaktionsgas (z. B. CH4+) ionisiert. Bei den Sprayverfahren ESI („electrospray ionization“) und APCI („atmospheric chemical pressure ionization“) handelt es sich ebenfalls um milde Ionisierungsmethoden, die häufig in Kombination mit HPLC (LC-MS) eingesetzt werden. Beim Elektrospray wird der Analyt in Lösung in einem elektrischen Feld unter Atmosphärendruck zu einem Nebel feinster, hochgeladener Teilchen versprüht, wobei aus sauren oder basischen Analyten je nach Bedingung positive oder negative Ionen entstehen.
Beim APCI wird der gelöste Analyt ähnlich wie beim Elektrospray durch eine Kapillare zerstäubt, wobei ein Spray entsteht. Dieses Spray wird durch eine beheizte Keramik (300–400 °C) geführt, wobei das Lösungsmittel vollständig verdampft. Das dabei entstehende Aerosol strömt über eine Corona-Entladungsnadel, wobei Lösungsmittelmoleküle ionisiert werden, die ihre Ladung auf den Analyten übertragen. APCI eignet sich aufgrund der hohen Temperaturen nicht für thermisch labile Verbindungen. Dafür lassen sich mit APCI auch unpolare Substanzen ionisieren, sodass sich APCI und ESI ergänzen.
Vor der Entwicklung von ESI war FAB („fast atom bombardment“) die Methode der Wahl für schwer oder nicht verdampfbare Moleküle. Der Analyt wird mit einer flüssigen Matrix (z. B. Glyzerol, Thioglyzerin) gemischt. Durch Beschuss mit schnellen Neutralatomen werden Stoßkaskaden ausgelöst, die zur Desorption von Ionen führen. Ähnlich arbeiten Laserdesorptionsmethoden, wie z. B. MALDI („matrix assisted laser desorption/ionization“), nur stammt die auf den Analyten übertragene Energie von einem Laserpuls. Die Probe wird mit einem kurzen Laserpuls unter Verwendung einer Matrixsubstanz (z. B. 2,5-Dihydroxybenzoesäure) verdampft und ionisiert. MALDI eignet sich für Proben mit hohen Molmassen (z. B. Proteine) und wird deshalb häufig wegen ihres unbegrenzten Massenbereichs in Kombination mit TOF-Massenspektrometern (s. u.) eingesetzt. Weitere Ionisierungsmethoden sind FI (Feldionisation, „field ionization“) oder FD (Felddesorption, „field desorption“). Bei der FI werden die Proben in extrem hohen elektrischen Feldern (109–1010 VM−1) ionisiert. Bei FD erfolgt die Ionisierung ebenfalls in einem elektrischen Feld, wobei die Probe auf einen Emitter aufgetragen (Wolfram-Filament) wird. Diese Methode eignet sich besonders für thermisch empfindliche Analyte.
Die bei den unterschiedlichen Ionisierungsmethoden entstandenen Ionen werden im Analysator entsprechend ihres Masse-Ladungs-Verhältnises aufgetrennt. Bei den Analysatoren werden mehrere Typen unterschieden, die sich in der Scanzeit, der Empfindlichkeit, der Auflösung, dem messbaren Massenbereich und der Massengenauigkeit unterscheiden. Die Auflösung ist definiert als A = m/Δm, wobei m als die zugehörige Masse eines Signals und Δm der Abstand zur Nachbarmasse bezeichnet wird. Die benachbarten Massensignale müssen bei gleicher Intensität noch getrennt sein, wobei hierfür verschiedene Definitionen existieren. Als getrennt gelten Signale, wenn sie bei gleicher Intensität nicht mehr als 10 % (je nach Definition auch 50 %) überlappen. Eine andere Definition FWHM („full width half maximum“) bezieht sich auf die Breite des Signals bei halber Höhe. Eine Auflösung von 2000 beispielsweise bedeutet, dass ein Ion der Masse m = 1999 von einem der Masse m = 2000 getrennt wird. Systeme mit Auflösungen von mehr als 10.000 werden als hochauflösend bezeichnet. Hochauflösende Massenspektrometer werden bei der Präzisionsmassenbestimmung eingesetzt. Die Messgenauigkeit gibt den maximalen Fehler bei der Bestimmung einer Masse an. Diese wird häufig absoluter Fehler in Masseneinheiten u oder als relativer Fehler in ppm angegeben. Für Präzisionsmessungen werden meist Sektorfeldgeräte herangezogen. Bei den Sektorfeldgeräten handelt es sich um den ältesten Typ von Massenspektrometern. In Sektorfeld-Massenspektrometern werden die Ionen in elektrischen und magnetischen Feldern abgelenkt. Der Radius der Kreisbahnen, die sie in den Feldern durchlaufen, hängt von der Energie (im elektrischen Feld) und vom Impuls (im magnetischen Feld) der Ionen ab. In Kenntnis der Ladung, der Energie und des Impulses kann dann die Masse bestimmt werden. Sektorfeld-Massenspektrometer sind die genauesten, aber auch die teuersten Geräte. Sie erreichen eine Auflösung (definiert als Verhältnis der Ionenmasse zur Linienbreite) von bis zu 100.000. Durch die hohe Auflösung finden Sektorfeld-Massenspektrometer Anwendung in der Bestimmung von Bruttosummenformeln in der Strukturaufklärung.
Einer der wegen seines günstigen Preis-Leistungs-Verhältnisses am häufigsten im analytischen Labor eingesetzten Analysatoren ist das Quadrupol-Massenspektrometer (Abb. 2). Der Quadrupol-Massenfilter besteht aus vier symmetrisch angeordneten Metallstäben, von denen die jeweils gegenüberliegenden elektrisch verbunden sind. An diese Stabpaare wird eine elektrische Wechselspannung gelegt. Ionen, die in Längsrichtung zwischen die Stäbe eingeführt werden, fliegen mit einer taumelnden Bewegung um die Mittenachse. Die Wechselspannung kann so gewählt werden, dass nur die Ionen innerhalb eines engen m/z-Fensters das Stabsystem vollständig passieren. Quadrupol-Massenspektrometer sind relativ kleine Geräte (Benchtop-Geräte), die sehr robust sind. Ihre Leistung bezüglich der Auflösung, der Genauigkeit der Massenbestimmung und des messbaren Massenbereiches ist eingeschränkt.
Durch das Hintereinanderschalten von 3 Quadrupolen entstehen Tandem-Massenspektrometer („triple quadruple“). Diese werden für gezielte Fragmentierungen bei der Strukturaufklärung sowie bei der Quantifizierung eingesetzt. Bei der gezielten Fragmentierung wird der erste Quadrupol als selektiver Filter für ein Ion einer bestimmten Masse („parent ion“) benutzt. Im zweiten Quadrupol wird das „parent ion“ mit einem inerten Gas fragmentiert („collision induced dissociation“, CID, Stoßaktivierung), die entstehenden Fragmente werden im dritten Quadrupol nach ihren Massen aufgetrennt. Alle entstehenden Fragmente (Fragment-Ion) sind echte Tochterionen („daughter ions“). Der große Vorteil der Tandem-MS besteht darin, dass auch komplexere Mischungen ohne Vortrennung analysiert werden können. Bei Quantifizierungen werden im dritten Quadrupol nur Ionen einer bestimmten Masse herausfiltriert („selected reaction monitoring“, SRM, bzw. „multiple reaction monitoring“, MRM), die dann detektiert werden. Der große Vorteil von SRM oder MRM zur Quantifizierung liegt in der hohen Spezifität der Methode (Abb. 3).
Ionenfallen-Massenspektrometer („ion traps“) sind Speicher-Massenspektrometer. Nachfolgend ist eine Ionenfalle dargestellt:
Die Ionenfalle besteht aus 3 Elektroden: zwei gegenüberliegenden hyperbolischen Endkappen auf Erdpotenzial mit Eintrittsöffnung für die Ionen von der Ionenquelle bzw. austretenden Ionen zum Sekundärelektronenvervielfacher und einer dazwischenliegenden hyperbolischen Ringelektrode, an der eine Radiofrequenzhochspannung und gegebenenfalls zusätzlich eine konstante Gleichspannung anliegen.
Dadurch entsteht im Inneren der Ionenfalle ein periodisches, inhomogenes, dreidimensionales Quadrupolfeld, mit dem Ionen gespeichert bzw. nach ihren Massen analysiert werden können. Helium im Inneren der Ionenfalle dient zum Abbremsen der aus der Ionenquelle eintretenden Ionen oder als Stoßpartner im MS/MS-Betrieb. Mithilfe von Ionenfallen-Massenspektrometer können MSn-Spektren erzeugt werden, die häufig zur Strukturaufklärung von organischen Verbindungen verwendet werden. In der klinischen Chemie dienen sie auch der Quantifizierung von Arzneimitteln oder Drogen.
In dem folgenden ESI-Massenspektrum von Kokain (70 eV) sind neben dem Molekülpeak bei m/z = 303 Fragmentationen erkennbar (vgl. Fragmentierung von Kokain in der nächsten Abbildung), der Peak höchster Intensität wird als Basispeak bezeichnet (hier bei m/z = 82):
Die Fragmentierung von Kokain erfolgt auf drei unterschiedlichen Wegen:
In Flugzeit-Massenspektrometern („time of flight“, TOF) werden die in der Ionenquelle erzeugten Ionen durch einen kurzen Spannungsstoß beschleunigt und auf einer feldfreien Flugstrecke allein durch ihre massenabhängige Flugzeit unterschieden. TOF-Geräte arbeiten somit nicht nach dem Scanprinzip. Flugzeit-Massenspektrometer werden häufig in Kombination mit MALDI verwendet (MALDI-TOF). Vorteile des Flugzeit-Massenspektrometers liegen in dem nahezu unbegrenzten Massenbereich, der hohen Empfindlichkeit sowie in der sehr schnellen Aufnahmegeschwindigkeit. Das Hauptanwendungsgebiet liegt in der Strukturaufklärung von biologischen Makromolekülen.
Literatur
Barker J (1999) Mass spectrometry. Wiley, New York
Gerhards P, Bons U, Sawazki J et al (1996) GC/MS in der klinischen Chemie. VCH, Weinheim
Hübschmann HJ (1996) Handbuch der GC-MS, Grundlagen und Anwendung. VCH, Weinheim
Lehmann WD (1996) Massenspektrometrie in der Biochemie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg