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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 12.09.2023

Tibiale und fibulare Hemimelie

Verfasst von: Frank Schiedel
Dieses Kapitel fasst zwei verschiedene Formen der angeborenen Skelettdysplasien zusammen und stellt die jeweils nach Grad der Ausprägung und dem davon abzuleitenden Ausmaß der Gehbehinderung angepassten heutigen operativen und konservativ technisch-orthopädischen Therapiestrategien vor. Der fibulare und der tibiale longitudinale Reduktionsdefekt gehören zu den häufigeren angeborenen Skelettdysplasien, wenn sie auch sicher rein aufgrund der Inzidenz zu den seltenen Erkrankungen gehören. „Gewöhnliche“ Weiterzubildende in Orthopädie und Unfallchirurgie werden betroffene Patienten kaum im Berufsleben zu Gesicht bekommen. Den Hemimelien der Unterschenkel ist gemein, dass es sich meist um deutliche Verkürzungen der betroffenen Extremität in Kombination mit schweren Achsfehlstellungen handelt, woraus sich unbehandelt im Wachstum noch zunehmende Fehlstellungen und fulminante Gehbehinderungen entwickeln. Die Therapieziele sind i. d. R. operativ auf die plantigrade Unterstellung des Fußes und die orthesengeführte Alltagsmobilität gerichtet. Auf Deformität und Beinverkürzung abgestimmte Operationsalgorithmen helfen in den meisten Fällen, beim Erwachsenen ein weitgehend orthesenfreies Leben ohne Alltagshandicap zu erreichen.

Einleitung

Die Hemimelien sind wörtlich übersetzt halbseitige Hemmungsfehlbildungen, das vollständige Ausbilden eines Teils der Extremität ist in der pränatalen Entwicklung gehemmt. Rein deskriptiv ist daher die Zuordnung zu den longitudinalen Reduktionsdefekten als übergeordneter Begriff unter den kongenitalen Skelettdysplasien sinnvoll. In der Phase der Ausknospung der Extremitäten, ca. in der 5. SSW, verursachen „Störungen“ im weitesten Sinne oder Spontanmutationen eine Veränderung in der phänotypischen Ausprägung des Beines, die dann als medialer (tibialer) oder lateraler (fibularer) Felddefekt genetisch eingeordnet werden können. Eine sehr anschauliche Definition und Zuordnung findet sich in der International Classification of Constitutional Disorders of Bone (Hall 2002).
Weber hat bereits 1986 versucht, ein Deformitätenregister zu etablieren (Weber et al. 2005). Daraus sind uns zumindest für einen Teil des deutschsprachigen Raums ungefähren Zahlen zu Entitäten und Inzidenzen bekannt. So wird in einer großen Serie von Neugeborenen eine Rate von etwa 14:10.000 Lebendgeborene (LG) für Skelettdysplasien beschrieben. Darunter (also von diesen 0,14 %) sind die Deformitäten der Hände die weitaus häufigsten. Für fibulare Felddefekte lässt sich eine Inzidenz von etwa 1:50.000 LG angeben. Die tibialen Felddefekte sind seltener mit etwa 1:200.000 LG. Beidseitige Vorkommen sind nicht so selten, eine Quote ist nicht bekannt. Bei Patienten verschiedener Herkunftsländer und Kulturen zeigt sich z. B. bei kosanguinen Eltern eine viel höhere Inzidenz im klinischen Alltag. Dabei findet sich auch eine unüberschaubare Anzahl an syndromalen Erkrankungen mit Beteiligung der unteren Extremitäten, die sich nicht einfach mit einem tibialen oder fibularen Klassifikationsschema abbilden lassen.

Diagnostik

Die klinische Blickdiagnostik bei Geburt mit Verkrümmung und Verkürzung des Unterschenkels, einhergehend mit Strahlendefekten des Fußes und/oder sichtbarer Fehlstellung im Sprunggelenk, ist der erste diagnostische Zugang zu den fibularen und tibialen Hemimelien. Der Apex der Knochenverkrümmung kann mit einer darüber liegenden sichtbaren bauchnabelartigen Hauteinziehung (sog. Dimple) einhergehen. Die Verkürzung der Gastrocnemiusmuskulatur und eine fibulare Strangbildung können bei den schwereren Formen der fibularen Hemimelie eine flügelfellartige Hautverkürzung der Kniekehle und des Sprunggelenks dorsal vortäuschen. Bei schwereren Formen der tibialen Hemimelien sind die proximal und distal im Vergleich zur Normanatomie migriert und luxiert stehende Fibula und die Position des Fußes im Spitzklumpfuß oft augenfällig.

Pränataldiagnostik

Bereits pränatal wird im hochauflösenden Ultraschall etwa ab der 12. Woche die Ausdifferenzierung der Extremitäten sichtbar, fehlende Knochen (Fibula, Tibia) sind ebenso sichtbar wie Klumpfußstellungen oder einseitige Verkürzungen von Extremitätenabschnitten wie Oberschenkel oder Unterschenkel im Seitenvergleich. Milde Defekte werden dabei sicher noch heute häufig übersehen. Eine Konsequenz für eine Interruption sollten die Befunde nicht haben. Hier ist aber ein durchaus neuer Grenzbereich bei der pränatalen Beratung durch den Kinderorthopäden und den Pränataldiagnostiker auszumachen, indem großes kollegiales Vertrauen in die jeweiligen Kenntnisse und Fähigkeiten des anderen die entscheidende Rolle spielen.

Klinik

Alle längsgerichteten Deformitäten (lateral wie medial) betreffen nicht nur die Beinlänge und die muskuläre und weichteilige Bemantelung (Hypertrophie, Hypothrophie), sondern auch die Achse frontal, lateral wie torsional. Daher werden die Deformitäten auch oft als 4-D Deformitäten bezeichnet, was einen von der Bezeichnung her zunächst etwas irritiert, da unsere Welt üblicherweise als dreidimensional ausreichend plastisch beschrieben ist. Zwei Ebenen (frontal, sagittal) der Achsabweichung mit den 4 Freiheitsgraden der Abweichung (valgus, varus und antekurviert, retrokurviert) entsprechen nur der Standardröntgenprojektion in zwei 90° aufeinander stehenden Ebenen. Das Deformitätenproblem der Achse entspricht in der Natur dem Problem der Banane, diese ist bekanntlich aber nur in einer Ebene gekrümmt, wenn sie auf dem Tisch liegt, in der Ansicht von oben. Diese lässt sich für das Bein aber nicht nachvollziehen, da die Standardprojektion auf das Knie oder das OSG ventral ausgerichtet ist und nicht die Ebene maximaler Apex der Unterschenkelkrümmung kennt.
Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Aspekt bei Planung der lebenslangen Behandlungsziele sind die Gelenkinstabilitäten. Hier sind allen voran die Fehlstellungen im OSG bei den Fibulahemimelien und -aplasien mit fast immer stark valgischer und innenrotatorischer Abweichung zu nennen. Bei nahezu allen Formen der Tibiahemimelie und bei vielen Formen der Fibulahemimelie, insbesondere denen mit Rückfußverwachsungen (talokalkaneare Koalitionen) sind diese Fehstellungen chirurgisch und aber in jedem Fall schuhtechnisch oder orthetisch zu versorgen.
Während die üblichen rasch ins Auge fallenden Strahlendefekte der lateralen Strahlen bei der Fibula ein „Schuhfindeproblem“ darstellen, sind die höhergradigen Defekte und insbesondere der Einstrahlfuß eine schuhorthetische Herausforderung. Selten kommt hier einmal auch ein ablatives Verfahren für den einstrahligen Vorfuß im Sinne einer Amputation nach Pirogoff-Spitzy (mit endbelastungsfähiger Unterstellung des Kalkaneus unter der Tibia) zum Einsatz.

Therapieziel

Das wichtigste therapeutische Konzept, dass schon seit über 20 Jahren verfolgt wird, ist die möglichst rasche operative Herstellung eines plantigraden Fußes, um ein zeitgerechtes Laufen Lernen im Rahmen der Vertikalisierung des Kindes zu ermöglichen (Catagni et al. 1991). Ob dies im Rahmen der Ausprägung (je nach Klassifikation) erforderlich ist, sollte heute bereits bei der Erstkonsultation beim Kinderorthopäden angesprochen werden. Angehörige erwarten zu Recht ein Konzept, das – wenn es auch ggf. mehrere operative Abschnitte kennt – die drängendsten Fragen klärt. Wird mein Kind laufen lernen? Wird es unauffällig laufen können, wird es Sport wie die Gleichaltrigen treiben können? Wird es Schmerzen haben? Wie wird der Gehbehinderung begegnet werden? Dazu müssen betroffene Angehörige zunächst auch in die Rolle des informierten Entscheiders für das Kind wachsen. Die Idee der allumfassenden OP, welche den angeborenen Reduktionsdefekt lösen und unsichtbar machen kann, verfolgen die wenigsten Angehörigen. Die Akzeptanz, dass beispielsweise gerade gut sichtbare Strahlendefekte und die einseitige Fußverkürzung nie zu operativer Veränderung führen, ist nach entsprechender Aufklärung, dass eben daraus kein wirkliches (außer kosmetisches) Handicap entsteht, gut.
Instabile Gelenke und gröbere Achsabweichungen der Röhrenknochen führen zu Handlungsdruck ab der Entwicklungsphase der Vertikalisierung, gelegentlich schon beim Vierfüßerstand im Krabbelalter.
Frühzeitige Untersuchung, ob die Vertikalisierung aufgrund der Gelenkstellung, der Knochenverbiegung und des Beinlängenunterschieds ungestört und zeitgerecht gemeistert werden kann, ist essenziell. In den Fällen, in denen bei starker Equinovarusstellung, Beinverkürzung und instabilem OSG und USG eine Orthesenversorgung mit Spitzfußaufnahme schwierig sind und ein Gehen ohne Orthese auf dem fehlgestellten Fuß auch unter Ausnutzung einer massiven Spitzfußstellung zur Kompensation des Längenunterschieds frustran erscheint, wird die operative Besserstellung als erste Maßnahme vor dem Laufbeginn die sinnvollste Handlungsalternative sein. Das Therapieziel ist die möglichst ungestörte und zeitgerechte Vertikalisierung des Kindes, auch nicht gestört oder verzögert durch massive ärztliche Behandlungsmaßnahmen mit Gipsen o. ä.
Im Alter von etwa 10 Monaten ist ein guter Zeitpunkt bei den höhergradigen Fehlstellungen, die im Folgenden vorgestellt werden, um eine plantigrade oder spitzfüßige, aber stabile Unterstellung im OSG und ein stabiles oder operativ stabil konstruiertes USG zu erzeugen. Es kommen direkte Korrekturen mit ausgeprägten weichteiligen Korrekturen und mit i. d. R. einer mehrdimensionalen perkutanen Osteotomie der Tibia und Stellung mit K-Drähten und Gips zum Tragen. Fixateure und maximal-invasive Plattenosteosynthesen sind nicht indiziert.
Spätere Behandlungsabschnitte fokussieren dann nur noch auf leichte Korrekturen der Beinachse und Verlängerungsosteotomien. Da im Wachstum bei offenen Epiphysenfugen nur Hexapodenfixateure zum Einsatz kommen können, diese aber weit mächtiger sind als für die „Nachkorrekturen“ von Achse und Länge erforderlich, wird deren Einsatz seit etwa 10 Jahren zurückgedrängt durch ausgereifte OP-Techniken und Einsatz von Verlängerungsnägeln. Da diese aber bei offener Wachstumsfuge an der Tibia erst etwa ab dem Alter von 13–14 Jahren ohne Schaden für das Wachstum dort einsetzbar sind, ändern sich die Konzepte derzeit. Bei größeren Beinlängendifferenzen (5–15 cm) nach erster OP zur Fußunterstellung wird ein Hexapod im Kindergartenalter unumgänglich. Der sozial verständliche Wunsch mit möglichst reduziertem Beinlängenunterschied, unauffälliger Orthetik und ausgegradeter Beinachse eingeschult zu werden, ist naheliegend. Im Grundschulalter sind Hemiepiphysiodesen z. B. zur Korrektur begleitender distal femoraler Valgusfehlstellungen je nach deren Ausmaß vom Zeitpunkt her zu planen. Gelegentlich wird bei sehr großen Beinlängendifferenzen (> 15 cm) und Kindern, die bereits eine Vor-OP mit Hexapoden hatten, die Wachstumsbremsung der Gegenseite (sog. stapling oder plating around the knee) um die Zeit des Übergangs auf die weiterführende Schule zu diskutieren sein. Bei Eintritt der Pubertät können dann mit Verlängerungsnägeln die abschließende Beinverlängerung und ggf. einhergehend noch Korrektur von Achsdeformitäten durchgeführt werden.

Konservative Therapie

Zur sachgerechten Fertigung hochwertiger und patientenindividueller Orthesen muss der Behandelnde seine eigenen regionalen Netzwerke pflegen. Eine Versorgung mit handelsüblicher Regalware ist in jedem Fall obsolet. Die Verordnung mit auch für den Laien (Sachbearbeiter) vernünftiger medizinischer Begründung im Sinne eines schlüssigen Konzepts schafft langjährige Sicherheit. Die Suche nach einer geeigneten Orthopädietechnik-Firma sollte wohl überlegt sein. Nichts ist unbrauchbarer als eine Orthese, die ihren Zweck nicht erfüllt, wegen Gewicht oder Druckstellen das Tragen für ein kleines Kind nicht ermöglicht oder sich im Alltag wegen mangelnder Stabilität als ungeeignet erweist. Das Feld der Orthetik wird im entsprechenden Kapitel ausführlich besprochen.

Tibiale Hemimelien

Wichtige Klassifikationen

Klassifikationen der tibialen Hemimelie, bzw. bei deren völligen Fehlen im Röntgenbild auch der Tibiaaplasie, also sog. tibialer longitudinaler Reduktionsdefekte gibt es mehrere. Generell stellt sich bei Klassifikationen heute die Frage, ob rein deskriptive Autoren, die in einer genügenden Anzahl von Fällen Muster erkannt haben wollen, zeitgemäße Lösungsansätze für das konservative wie operative Management bieten, oder ob nicht viel mehr nur solche Klassifikationen in einem Lehrbuchkompendium sinnvoll sind, die einen differenzialtherapeutischen Lösungsansatz bieten. Während Weber (2008) 7 Typen und 5 Subgruppen der tibialen Hemimelie beschreibt (Weber 2008) (Abb. 1), kommt die vielfach geläufigere Klassifikation von Jones et al. (1978) nach rein radiologischen Kriterien mit 4 Typen und bei Typ 1 mit 2 Subtypen aus (Jones et al. 1978) (Abb. 2).
Jones hat die Klassifikation anhand von 29 betroffenen geröntgten Extremitäten aufgestellt. Kalamchi und Dawe benannten 1985 drei Typen, einen Typ 1, der eine Aplasie entspricht, einen Typ 2, der ein kongruentes Kniegelenk mit einer wenigstens proximal angelegten und gelenkbilden artikulierenden Tibia kennt und den Typ 3 mit nur distalem tibialen Defekt und in der Regel bifurkierter Sprunggelenksgabel, wo der massiv im Spitzfuß stehende Rückfuß mit Talus und Kalkaneus eben aufgrund des fehlenden Widerlagers einer distalen Tibiagelenkfläche zwischen der distalen Fibular und der distalen Tibia steht (Kalamchi und Dawe 1985) (Abb. 3). Oft zeigt sich die distale Tibia hypoplastisch und varisch nach medial verbogen, während die distale Fibula – je nach Alter des Patienten – bereits nach Wolf’scher Transformation deutlich verdickter als üblich Traglast übernimmt und am distalen Ende mehr oder minder valgisch defomiert ist.
Paley fokussiert mit seiner Klassifikation 2016 letztlich in typischer standardisierter Weise, adaptiert an operativen Konzepten, auf die rekonstruktive Notwendigkeit und Machbarkeit und führt eine Klassifikationssystematik ein, die Subtypen kennt, dabei bei den schweren Formen (Typen 5) auf das Vorhandensein einer Patella (Streckapparat) abstellt (Abb. 4) (Paley 2016a).

Operative Therapie

Bei den Hemimelien spielen diverse operative Konzepte der Extremitätenrekonstruktion, Wachstumslenkung und spezialisierten operativen Kinderorthopädie eine Rolle. Wie oben bereits angesprochen, sollte nach frühestmöglichem Herstellen der Diagnosesicherheit durch eine spezialisierte kinderorthopädische Klinik den Eltern ein gestufter, alters- und entwicklungsbezogener Behandlungsplan skizziert werden. Paley nennt das „Lifetime treatment plan“, eine griffige kurze deutsche Bezeichnung existiert nicht (Paley 2016a). Anders sind die operativen Möglichkeiten und einzelnen Behandlungsschritte weder für den Behandler noch für die Angehörigen und Patienten überschaubar. Entwicklungsmeilensteine, wie die Vertikalisierung und der Laufbeginn, die Einschulung und der Wechsel auf die weiterführende Schule sind von Belang. Während ganz grundsätzlich die Orthesenversorgung selbst abstruser Fehlstellungen und einseitiger Extremitätenverkürzungen und -defekte immer eine konservative Alternative darstellen, gibt es leider auch hieraus manchmal entstehenden „notfallmäßigen“ operativen Handlungsdruck.
Das Belassen von kritischen Fehlstellungen der Knochenachse (> 60°) führt rasch zu Druckstellen in Orthesen und chronischen Schmerz- oder Akzeptanzproblemen. Das Belassen von auch in guter Orthetik biomechanisch dekompensierten axialen Fehlstellungen (> 90°) führt zu pathologischen Frakturen oder zur Durchspießung von Knochen durch die Weichteile und die Haut. Mit einem Behandlungskonzept hat die dann oft „notfallmäßig“ chirurgisch wenig Überblick vermittelnde bloße Frakturbehandlung nichts zu tun. Auch solche desolaten und eben oft in kurzer Zeit entstehenden Situationen gehören zur Versorgung in eine in diesem Feld gut aufgestellte operative Kinderorthopädie und nicht in die nächsterreichbare chirurgische Notaufnahme.
Eine planmäßige operative Versorgung aller klassifikatorischen Subtypen der fibularen und der tibialen longitudinalen Reduktionsdefekte würden die Seiten eines Lehrbuches sprengen. Es wird auf die einschlägige und im Internet frei zugängliche Literatur verwiesen.

Wichtigste OP-Schritte

Für Tibiaaplasien ohne angelegte Knie- und Sprunggelenke im Sinne der Paley-Typen 5 sind weitere Überlegungen für das operative Konzept nötig.
Der Autor bevorzugt zunächst die Sicherstellung, dass möglichst ein langes Stück der eigenen Fibula unterstellt werden kann und nicht wegen Beugekontrakturen in Knie und Spitzklumpfußstellung im OSG größere Verkürzungen in Femur und Fibula durchgeführt werden müssen. Dies spart nachfolgend aufwendige – und aufgrund der instabilen Gelenke komplikationsbehaftete – Verlängerungen. Das primäre Konzept stellt für die immer geltende Alternative der Orthesenversorgung zunächst auf die Schaffung stabiler Gelenke ab und erst sekundär auf weitergehende Achskorrekturen oder gar Verlängerungen.
Wenn die genannten Rückstellkräfte der Weichteile stark sind oder ein deutlicher Hochstand der proximalen Fibula neben der lateralen Femurkondyle feststellbar ist, ist bereits im Kleinstkindesalter nach sicherem orthesengestützten Laufbeginn die zunächst rein weichteilige Elongation des Unterschenkels mit Knie- und Sprunggelenk übergreifende Hexapoden sinnvoll (Montage Femur auf Fuß). Dies, um die meist über 90° Fehlstellung des Fußes bezogen auf die plantigrade Stellung unter der Kniecondylenachse graduell zu ermöglichen.
Nach wenigen Wochen Tragezeit kann dann, anders als bei einer Kallotasis, der Hexapod abgenommen werden, die Vorbereitung für die Schaffung eines Nearthros im Bereich von Kniegelenk und Sprunggelenk ohne größere Verkürzungen ist damit ermöglicht. Gleichzeitig kann bereits eine z. B. 3 bis 6-wöchige Interimsphase im Oberschenkelgehgips bei Abnahme des Fixateurs erreicht werden. Eine erreichte gute Ausgangsstellung kann ggf. mit temporären K-Draht-Transfixationen im Gips gehalten werden. Gewöhnlich kann in dieser Narkose zusammen mit dem versierten Orthopädietechniker der Abdruck für eine Oberschenkelorthese in Streckstellung des Kniegelenks zur Nachbehandlung genommen werden. Der Orthopädietechniker hat dann Zeit, die Orthese zu bauen, die Weichteile nach Fixateur können heilen, oberflächliche Pininfekte abklingen und es muss kein direkter Wechsel von einem externen Fixateur auf ein internes Implantat erfolgen. Die Bilderstrecke der Abb. 5, 6, 7 und 8 zeigen den Zustand eines wegen der Fehlstellung nicht lauffähigem 12 Monate alten Jungen im Röntgen vor Therapie (Abb. 5), klinisch unter Fixateurtherapie zur Elongation der Weichteilhülse des Unterschenkels (Abb. 6), mit angelegter Interimsorthese (Abb. 7) und im Röntgen nach Schaffung Nearthros Knie (Abb. 8) und Unterstellung des Fußes im Spitzfuß im Nearthros OSG. Die OP-Schritte dazu sind als Browns-Procedure am Knie bekannt, wobei der Autor eine Modifikation auch nach den Überlegungen von Weber zur Schaffung des Streckapparates verwendet (Brown und Pohnert 1972; Weber 2002). Das OSG wird üblicherweise in Spitzfußstellung als milde Chondrodese unterstellt, manche Autoren führen bereits im ersten Schritt die Astragalektomie durch, was aber nach vorangegangener Elongation und ausgedehntem dorsalen Release mit multiplen Z-Plastiken der Haut eigentlich nicht nötig ist. Eine milde Verkürzung der Fibula kann nötig sein. Eine femorale Teilresektion im Bereich der proximal ausgezogenen medialen Condyle ist beim Gollop-Wolfgang-Komplex nötig, hier wird die Fibula im Sinne einer Chondrodese in der lateralen Condyle unterstellt, dafür muss die Notch geschaffen werden oder femoral verkürzt werden.

Essenzielle Tipps für die Praxis

Die Ergebnisse sind ansprechend, das Ziel darf jedoch nie vergessen werden. Behandlungsziel ist die orthesengestützte eigenständige Gehfähigkeit ohne Gehstützen oder Rollstuhl in Streckstellung des Kniegelenks. Die Kniebeugung muss nicht beübt oder gelernt werden, im Gegenteil führt ein Überengagement in Richtung Beugung zu beüben zum häufigsten Grund der Rezidive noch vor dem 10. Lebensjahr. Ein Rezidiv einer Kniebeugekontraktur von > 20–30° verunmöglicht in der Regel in Kombination mit dem Spitzfuß die Versorgung mit einer Orthese und lässt auch keine sinnvolle axiale Stabilisierung im Knie in der Standphase mehr zu, sodass die Aufhebung der Kniebeugung oder die Kniearthrodese ein Ziel sein kann, um die Gehfähigkeit wiederherzustellen und nachhaltig zu gewähren.

Korrekturgrenzen

Die primäre Amputation höhergradiger Hemimelien ist nach Ansicht des Autors und nahezu aller Autoren westlicher Industrieländer obsolet. Gelegentliche, auch neuere Literaturstellen, gerade aus den USA, sollten immer vor dem Licht der unterschiedlichen Systeme für Kostenerstattung und Krankenversicherung gesehen werden. Die sekundäre Amputation nach mehrfach frustranen ärztlichen Bemühungen kann ein Punkt sein, ab dem Angehörige und Patienten über die Vor- und Nachteile der Lebensqualität und Alltagsteilhabe mit Orthetik, schlechten Behandlungsergebnissen und ggf. Schmerzen versus Prothesenversorgung, Stumpfproblematiken etc. aufgeklärt werden sollten.

Komplikationen

Während der Katalog der aufklärungspflichtigen Risiken sicher je nach Fehlstellung und operativem Vorgehen sehr umfangreich ist und mitunter durchaus auch die Gefahr des Untergangs der Gewebe bei arterieller Verletzung (sekundäre Amputationsnotwendigkeit bei Ischämie) beinhalten muss, ist das Vorgehen im Rahmen etablierter und gestufter Konzepte mit Einsatz der geeigneten Implantate und Fixateure wenig komplikationsträchtig (Paley 2016a; Brown und Pohnert 1972; Weber 2002). Langstreckige ventrale Zugänge über das Knie neigen gelegentlich zu Wundrandnekrosen. Oft begangener Kardinalfehler sind ungeeignete gerade Schnittführungen dorsal, die anschließend keine verlängernden Z-Plastiken zulassen und unter maximaler Hautspannung auf der Beugeseite dann Nekrosen und hypertrophe Narbenproblematiken entstehen lassen. Gerade bei den tibialen Hemimelien mit vorhandenem Kniegelenk (Paley 1–4) ist grundsätzlich eine komplikationsarme Behandlung der Malalignment-Problematiken, der Wachstumsverzögerung und -hypoplasien und später der Beinlängenunterschiede möglich. Bei den Subtypen ohne stabiles OSG ist die frühzeitige operative plantigrade Unterstellung des Fußes, ggf. auch im Spitzfuß als Chondrodese sinnvoll.

Fibulare Hemimelien

Wichtige Klassifikationen

Historisch und für einen raschen Überblick ist die Klassifikation von Achtermann und Kalamchi (1979) (Abb. 9). Sie teilt in die Typen 1a (Fibulalänge fehlt proximal, Fibulakopf steht distal der Tibiaepiphysenfuge, ist im seitenvergleich schmächtiger, die distale Fibula ermöglicht ein stabiles OSG) und 1b (30–50 % der proximalen Fibulalänge fehlen, das OSG ist fibulaseitig instabil) und Typ 2 entsprechend einer Fibulaaplasie ein. Wobei die häufigen Konstellationen mit Veränderungen der Sprunggelenksregion (Ball and Socket, Vorhandensein einer kartilaginären fibularen Anlage), die Anzahl der angelegen Fußstrahlen und die Stellung des Rückfußes mit häufiger talocalcanearer Fusion und Valgusstellung keine Rolle spielen. Insofern ist die Klassifikation prognostisch nur von untergeordnetem Wert und trennt milde Formen mit überwiegend nur Beinlängendifferenz von schwereren Formen. Der Autor steht dieser weit verbreiteten Klassifikation ablehnend gegenüber, da sie wichtige Entitäten nicht erfasst und benennt, obwohl Achtermann und Kalamchi 1979 dazu über 97 betroffene Extremitäten berichten (Achterman und Kalamchi 1979). Bei 14 von 16 Typ 2-Fibulaaplasien der Originalarbeit wurden als Therapie Fußamputationen und Prothesenversorgung durchgeführt, was ganz klar als Handlungskonsequenz aus einer „eigenen“ Klassifikation abzulehnen ist.
Catagni hat mit der Arbeitsgruppe aus Lecco 1991 eine Klassifikation mit 3 Typen auf Grundlage seiner Behandlungserfolge mit dem Ilizarovringfixateur in den 1980er-Jahren vorgeschlagen (Catagni et al. 1991).
Paley hat 2016 in Zusammenhang mit seiner Übersichtsarbeit zu den rekonstruktiven Möglichkeiten eine Klassifikation unter dem Gesichtspunkt der typenabhängigen Planung von rekonstruktiven Möglichkeiten vorgestellt (Paley 2016b). Seitdem hat bei den fibularen Hemimelien die Paley-Klassifikation im klinischen Alltag die größte Bedeutung, auch wenn die historischen Klassifikationen immer noch weiter in der Klinik auftauchen (Abb. 10).
In der Klassifikation von Paley sind die Typen mit plantigrader Stellung im stabilen OSG (überwiegend geringe Valgusstellung der Röhrenknochen Tibia und Fibula, sowie geringe BLD) von den Typen mit instabilem OSG getrennt (Paley 2016b). Die Typen 3 mit fixierter Equino-Valgus-Stellung werden nach operativ rekonstruktivem Anspruch weiter ausdifferenziert.

Operative Therapie

Paley formuliert 5 wesentliche Deformitäten oder Probleme der Patienten mit fibularen longitudinalen Reduktiondefekten, die hier beispielhaft ergänzt dargestellt werden.
1.
Beinlängendifferenz (überwiegend des Unterschenkels, aber auch bei vielen Patienten durch leichte Differenzen der Femurlängen und zusätzlich im Stand gemessen und geröntgt auch der nicht zu vernachlässigenden Fußhöhe subtibial)
 
2.
Fuß und Sprunggelenksdeformitäten und -fehlbildungen (zu nennen sind vor allem das sog. Ball and Socket-Gelenk, durch Kugeltalus und domförmige distale Tibiagelenkfläche, die mögliche Valgusstellung im OSG, sowie die Rückfußkoalitionen im USG-Bereich und die dadurch bedingte häufige subtalare Valgusstellung, die sich verstärkend bei ohnehin schon instabilem OSG auswirkt und die Strahlendefekte)
 
3.
Die tibiale Deformität (von diskretem Valgus bis zu stärksten Valgusfehlstellungen mit ventralem Apex und starker Antekurvation, dem pathognomonischen sog. Dimple, einer nabelartigen Hauteinziehung über dem Apex der Deformität, und die torsionale innengedrehte Komponente der Tibiadeformität sind rekonstruktiv bedeutsam)
 
4.
Das Valgusknie (meist einer begleitenden Hypoplasie der lateralen Femurkondyle und der ligamentären Instabiliät geschuldet)
 
5.
Die Knieinstabilität (zusätzlich besteht in der Regel eine Kreuzbandhypoplasie bis -aplasie, dadurch sind die Kniegelenke mit mehr oder weniger starkem antero-posterioren Shift instabil bis hin zur Luxierbarkeit, was insbesondere bei Unkenntnis darüber im Rahmen von Knochenverlängerungen zu katastrophalen Behandlungsergebnissen führen kann)
 
Es wird auf die Ausführungen weiter oben in anderen Kapiteln und der einschlägigen Literatur verwiesen, wie diese Probleme operativ zu lösen sind. Exemplarisch zeigt Abb. 11 den typischen Grad der Fehlstellung einer Fibulaaplasie Typ Paley 3C (Paley 2016b) mit fast 90° antekurvierender und leicht innengedrehter Achse. Der Fuß steht malrotiert und im extremen Spitzfuß. In manchen Fällen steht der Kalkaneus parallel hinter der distalen Tibia. Typischerweise findet sich eine nabelartige Einziehung über dem Apex der Deformität. Dieser wird angloamerikanisch angelehnt an die Bezeichnung Bauchnabel „Dimple“ genannt (siehe Abb. 12). In diesem klinischen Beispiel wird der Stellenwert der frühen operativen Intervention deutlich. Rasch nach der Geburt findet die erste Vorstellung beim Kinderorthopäden statt, dort kann in der Regel spätestens anhand Untersuchung und Röntgen Diagnosesicherheit hergestellt werden. Vom Ausblick her wird bei den longitudinalen Reduktionsdefekten ohne weitere syndromale Probleme ein körperliches Handicap erwartet bei normaler statomotorischer Entwicklung. Die Kognition ist in der Regel unbeeinträchtigt. Daher hängt die Beratung für ein mehrstufiges Therapiekonzept entscheidend vom uneingeschränkten und zeitgerechten Erreichen der Meilensteine der kindlichen statomotorischen Entwicklung ab. Bei Patienten mit schwereren Formen der Fibulahemimelie kann erwartet werden, dass es zu einer ersten Störung bei der beginnenden Vertikalisierung kommen wird (Hochziehen an Gegenständen, Stehen mit Unterstützung). Üblicherweise, so auch in diesem klinischen Beispiel, wird verabredet, etwa um diese Zeit (9–12 Monate) die Anpassung von Orthesen durchzuführen, um den Kindern einen sicheren plantigraden Stand und damit den „Schritt“ zum Laufen Lernen zu ermöglichen. Mit Unterschenkelorthesen allein lässt sich aus technisch orthopädischer Sicht in der Regel keine ausreichende Stabilität erzeugen, wenn die Fehlstellung wie in diesem Beispiel eine gewisse Schwere übersteigt. Oberschenkelorthesen sind insofern überlegen, stören jedoch die Möglichkeit des Kindes, spontan aus dem Sitz oder aus der Bauchlage aufzustehen. Während das Laufen auf der Fehlstellung, also hier im Beispiel Paley Typ 3C auf den medialen Malleolen und dem Innenrand des Fußes, für das Kind zwar nicht schmerzhaft ist, führt es doch über die Zeit zu Schwielenbildung und Druckläsionen der Haut. Eine fulminante Gehbehinderung im Sinne des körperlichen Handicaps stellt das allemal dar. Die konservativen, technisch-orthopädischen Möglichkeiten sind zwar gut, aber durch die o.g. Überlegungen und die Druckstellenproblematik limitiert. Bei Kindern, die mit Orthesen nur schlecht oder nicht zu versorgen sind, ist der Zeitpunkt der ersten operativen Korrektur damit etwa um den Laufbeginn angesiedelt. Aus verschiedenen Gründen erscheint es sinnvoll, das Kind den Meilenstein des Stehens und der ersten Schritte des Gehens, ggf. auch des freien Ganges bewältigen zu lassen und diese auch für die Eltern und Angehörigen wichtige Phase nicht durch einen Krankenhausaufenthalt und bis zu 6-wöchige Gipstragezeit zu stören. Im Beispiel wird im Alter von 22 Monaten die Unterstellung des Fußes und die Korrektur der Fehlstellung durchgeführt. Neben einem ausgedehnten Kompartment-übergreifenden weichteiligen Release über einen Z-Schnitt wird dem späteren maximalen Längszug auf die dorsalen Strukturen durch die Geradstellung Rechnung getragen. Dabei muss unbedingt die fibulare Anlage reseziert werden, die manchmal mit den auch teils angelegten Peronealsehnen zu einem massiven, die Krankheit verursachenden, verkürzenden Zug nach dorsal und lateral führt. Je länger die Anlage bei den Typ 3-Deformitäten belassen wird, desto fixierter wird die entstehende antekurvierte und innengedrehte Fehlstellung der Tibia.
Im zweiten Schritt kann dann über einen z-förmigen ventralen Zugang der Dimple reseziert und darunter die Tibia in der Regel keilförmig osteotomiert werden. Eine diskrete Verkürzung ist dabei in der Regel unumgänglich, um die dorsalen Weichteile und Strukturen nicht zu sehr zu elongieren und zu schädigen und um eine möglichst gerade Achse frontal und sagittal zu erreichen. Dabei wird häufig der Kompromiss nötig, den Fuß zwar plantigrad, aber im Spitzfuß zu unterstellen. Abb. 13 zeigt das Ergebnis unmittelbar am Ende der OP. Danach wird im Setting des Autors der Abdruck für die Orthesen genommen, damit diese nach kurzer Bauzeit zum Zeitpunkt der Abnahme der Oberschenkelgipse (die zum Abschluss der OP noch in Narkose angelegt werden) zur Zwischenprobe zur Verfügung stehen. Orthesenfreies Laufen im Spitzfuß ist einem Kind sicher auch möglich, wenn es einmal selbstständig gehfähig geworden ist. Eine Orthesenversorgung oder Schuhzurichtung zur Spitzfußaufnahme ist in der Regel technisch-orthopädisch einfach möglich, erhöht die Standsicherheit und das Gehen und stützt präventiv Unterschenkel und Sprunggelenk in achsgerechter Form. Abb. 14 zeigt eine typische Orthesenversorgung eines Kindes mit Fibulahemimelie. Spätere OP-Schritte hängen von vielen Faktoren ab. Im Vordergrund stehen frühkindlich Operationen zur Stabilisierung der Gelenke. Im klinischen Beispiel kann bei Ausheilung in den nächsten 12 Monaten darüber entschieden werden, die Bewegung im OSG freizugeben. Bei plantigrader Unterstellung ist eine Malleolus externus-Plastik zu überlegen. Ausgedehnten subtibialen Fehlstellungen (Rückfußkoalitionen) mit bis zum 90° valgischer Rückfußachse können durch rekonstruktive aufrichtende Maßnahmen adressiert werden, wenn die Dekompensation fortschreitet und die Schuh- oder Orthesenversorgung gefährdet ist.
Die von Paley beschriebenen SUPER ankle und SHORDT-Prozeduren sind für die vertiefende Lektüre hierzu empfohlen und stellen systematisch zu den Klassifikationstypen passende Unterstellungsoperationen dar (Paley 2016b, 2023).
Das Kniegelenk ist aufgrund der a.p. Instabilität bei üblicherweise vergesellschafteten Kreuzbandaplasien (-agenesien) oder -hypoplasien ein wichtiger Indikator.
Während die Subluxierbarkeit in der Kindheit i. d. R. kein zusätzliches Gehhandicap darstellt, ist doch spätestens bei geplanten Beinverlängerungen das besondere Augenmerk darauf zu richten, da die Längskräfte durch Verlängerung immer auch massiv (luxierende) Kräfte auf die Nachbargelenke verursachen.
Nur sehr wenige Kliniken der rekonstruktiven Deformitätenkorrektur planen vor erster Verlängerung „standardisiert“ eine de novo Kreuzbandersatzplastik. Es zeigt sich, dass durch die Agenesie auch die Notch und die Eminentia intercondylaris anatomisch abweichend sind und daher auch durch biomechanisch gut gemeinte Kreuzbandplastiken bei diesen Kindern keine hohe Stabilität erzielbar ist, und dass die Gelenke immer noch shiften und weiterhin – gerade bei geplanten Knochenverlängerungen – subluxierbar und damit gefährdet bleiben. Selten muss das Problem aber per se orthetisch angegangen werden.

Korrekturgrenzen

Die Alltagsteilhabe mit Orthetik ist durchweg gut, wenn Beinachse und Fußstellung unproblematisch sind oder die Probleme chirurgisch beseitigt werden konnten. Als Ziel kann durchaus ein orthesenfreies Leben formuliert werden.

Komplikationen

Das Komplikationsspektrum der jeweiligen Eingriffe ist je nach deren Invasivität sehr heterogen und kann hier nicht umfassend dargestellt werden, es wird auf die Literatur verwiesen (Paley 2016b).
Literatur
Achterman C, Kalamchi A (1979) Congenital deficiency of the fibula. J Bone Joint Surg Br 61-B(2):133–137CrossRefPubMed
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