Definition
Das Carcinoma in situ der Harnblase ist ein nichtinvasives, nichtpapilläres (flaches) Urothelkarzinom. Mikroskopisch ist es durch Zellen mit großen, irregulären hyperchromatischen Kernen charakterisiert, die die gesamte Dicke des Urothels, aber auch nur Teile davon einnehmen (Epstein et al.
1998). Das In-situ-Karzinom entspricht in seinem morphologischen Aussehen nach einem Urothelkarzinom von hohem Malignitätsgrad. Es gibt keine Subklassifizierung entsprechend unterschiedlicher Tumorgrade. Die mittlere Dysplasie ist zum Teil und die schwere Dysplasie vollständig in das In-situ-Karzinom aufgegangen (Norming et al.
1992). Diese Veränderung der Definition erschwert die Beurteilung der bisherigen Literatur erheblich.
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Primäres In-situ-Karzinom: Kein vorangegangener oder gleichzeitiger exophytischer oder invasiver Blasentumor.
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Sekundäres In-situ-Karzinom: Nach Resektion eines sichtbaren Tumors in der Nachsorge diagnostiziert.
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Assoziiertes In-situ-Karzinom: Wird gleichzeitig mit einem sichtbaren papillären oder soliden Blasenkarzinom diagnostiziert. Es sind dabei nicht die Ausläufer oder Randbezirke des sichtbaren Tumors gemeint.
Das In-situ-Karzinom muss gegenüber der Dysplasie abgegrenzt werden, da die Bedeutung für die Entwicklung des In-situ-Karzinoms oder des Ta/T1-Tumors und die diagnostische Sicherheit unklar sind. zeigten, dass Patienten mit In-situ-Karzinom oder Dysplasie in der systematischen Blasenbiopsie eine höhere Tumorprogressionsrate haben als Patienten mit normaler Histologie, wobei das Risiko bei Patienten mit In-situ-Karzinom am höchsten war. Ähnlich konnten Cheng et al. (
1999a) nachweisen, dass im Falle einer unbehandelten Dysplasie in etwa 19 % ein In-situ-Karzinom oder invasives Karzinom entsteht. Im Gegensatz dazu war es in einer Serie von 1500 Patienten mit oberflächlichen Tumoren nicht möglich, den Einfluss der Dysplasie auf die Tumorprogression nachzuweisen (Millan-Rodriguez et al. 2000) S/c.
Der Grund für die kontroversen Ergebnisse liegt wahrscheinlich in der diagnostischen Unterscheidung von Dysplasie und In-situ-Karzinom. So zeigten Sharkey und Sarosdy (
1997), dass der lokale Pathologe und der Review-Pathologe in einem hohen Prozentsatz unterschiedlicher Meinung sind. Dieser Unsicherheit trägt die neue Klassifikation des In-situ-Karzinoms Rechnung, da die mittlere (zum Teil) und die schwere Dysplasie als In-situ-Karzinom bezeichnet werden.
Inzidenz
5–19 % der Patienten mit einem oberflächlichen Urothelkarzinom weisen ein begleitendes In-situ-Karzinom auf (Kaasinen et al.
2003; Palou et al.
2001). Nur eine geringe Anzahl der In-situ-Karzinome werden als primäre Tumoren diagnostiziert. Die Mehrzahl der Tumoren wird assoziiert mit High-grade-T1-Tumoren bei systematisch entnommener Biopsie und sichtbarer Schleimhautveränderung entdeckt bzw. in den vergangenen Jahren zunehmend mit Hilfe der photodynamischen Diagnostik detektiert. Das primäre In-situ-Karzinom wird in 17–30 % dieser Patienten diagnostiziert (Kaasinen et al.
2003; Jakse et al.
2001; Griffiths et al.
2002; De Reijke et al.
2005), Wijkström und Kasinen
1999; Witjes et al.
1998). Es besteht eine direkte Korrelation des sekundären In-situ-Karzinoms mit Tumordifferenzierung und Invasionstiefe des initialen Tumors (Orozco et al. 1994). Die Inzidenz steigt mit dem Tumorgrad des exophytischen Tumors von 6–35 % auf 58–65 % für Grad-1 + 2- und Grad-3-Tumoren (Bollina et al.
1996; Wijkström und Kasinen
1999).
Das sekundäre In-situ-Karzinom wird in der Nachsorge durch Nachweis von Tumorzellen in der Urinzytologie mit nachfolgender systematischer Biopsie entdeckt. Die Frage, inwieweit systematische Biopsien zur Detektion ausreichend sind, stellt sich u. a. auch nach der Publikation von May et al. (
2003). Hier wurde für die Durchführung von systematischen Randombiopsien für Blasentumoren i. Allg. eine relativ geringe Trefferquote mit 12,4 % angegeben. In einer kleineren retrospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass durch die Verwendung der fluoreszenzgestützten Zystoskopie diese Trefferquote für Patienten mit negativer Weißlichtzystoskopie und positiver
Zytologie deutlich verbessert werden kann (Karl et al.
2009). Möglicherweise wird so bei zunehmendem Einsatz der PDD die Anzahl der detektierten In-situ-Karzinome weiter steigen.
Klinische Präsentation
Patienten mit primären In-situ-Karzinomen haben als Leitsymptom Pollakisurie, Dysurie und Schmerzen, die suprapubisch oder perineal lokalisiert werden (Jakse et al. 1980). Eine Makrohämaturie ist bei 25 % und eine Mikrohämaturie bei 17 % als einziges Symptom nachweisbar. Jedoch haben 70 % der Patienten mit In-situ-Karzinom eine Mikrohämaturie, dieser Befund ist vor allem für die Nachsorge von Bedeutung.
Häufig führen die uncharakteristischen Symptome zur Verzögerung der Diagnosestellung. Die häufigsten Fehldiagnosen sind chronische
Prostatitis und interstitielle Zystitis. So haben 23 % der Männer und 1,3 % der Frauen, die wegen einer interstitiellen Zystitis behandelt werden, ein In-situ-Karzinom (Shariat et al.
2005; Utz und Zincke
1974). Die durchschnittliche Beschwerdedauer bis zur Diagnose beträgt etwa 23 Monate (Jakse et al. 1980).
20–30 % der Blasenkarzinompatienten haben zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bereits muskelinvasive Tumoren. Viele dieser Patienten berichten über länger dauernde Beschwerden, die jenen gleichen, über die Patienten mit In-situ-Karzinomen berichten. Aus diesem Grund ist bei Patienten mit den oben angeführten Beschwerden der frühzeitige diagnostische Einsatz der Urinzytologie und Zystoskopie gerechtfertigt. Es ist aber zu beachten, dass das In-situ-Karzinom als unspezifische entzündliche Veränderung imponieren kann oder sich ohne zystoskopisch sichtbare Veränderungen darstellt (Jakse
1999; Kurth et al.
1995). Die photodynamisch assistierte Zystoskopie kann bei diesen Patienten wesentliche zusätzliche Information liefern (Schmidbauer et al.
2004; Fradet et al.
2007).
Diagnostik
Die
Zystoskopie zeigt typischerweise umschriebene, gerötete, samtartige, einzelne oder multiple, etwas erhabene Blasenschleimhautbezirke (Kurth et al.
1995).
In einer multizentrischen, randomisierten prospektiven Studie von Fradet et al. (
2007) konnte die Überlegenheit der Fluoreszenzendoskopie gegenüber der herkömmlichen Weißlichtzystoskopie in der Detektion des Carcinoma in situ bestätigt werden. In dieser Studie konnte bei einer Gesamtanzahl von 113 detektierten CIS-Läsionen die Diagnose für 104 Läsionen (92 %) mit Hilfe der PDD und für 77 Läsionen (68 %) unter Verwendung der Weißlichtzystoskopie gestellt werden (Fradet et al.
2007). In einer publizierten Meta-Analyse konnte die Überlegenheit der Fluoreszenzgestützten Endoskopie gegenüber der Weißlichtendoskopie bestätigt werden. Darüber hinaus wird die Technik des Narrow-Band-Imaging (NBI) in der Klinik zunehmend eingesetzt. Hierbei handelt es sich um eine hochauflösende Endoskopie-Technik, bei der das rote Lichtspektrum aus dem Weißlicht herausgefiltert wird. Im Gegensatz zur PDD ist bei NBI keine Applikation intravesikaler Substanzen notwendig. Das resultierende blaue und grüne Lichtspektrum wird von
Hämoglobin resorbiert und ermöglicht somit eine verbesserte Differenzierung zwischen Kapillaren und Mukosa (Bryan et al.
2010). Für die Technik des NBI konnten in systematischen Übersichtsarbeiten verbesserte Detektionsraten für die Detektion von CIS im Vergleich zur Weißlichtendoskopie gezeigt werden (OR: 4,545).
Ein weiteres wichtiges Diagnostikum stellt die Spülzytologie dar. Da In-situ-Zellen eine relativ geringe Kohärenz aufweisen, können sie leicht abgeschilfert und für die weitere Diagnostik genutzt werden. Die Blasenspülflüssigkeit, die zur Gewinnung eines urinzytologischen Präparates entnommen wird, zeigt bei mehr als 90 % der Patienten mit In-situ-Karzinom Tumorzellen (Brown
2000; Kausch und Bohle
2001; Lokeshwar und Soloway
2001; Williams et al.
1996). Dieser hohe Prozentsatz ist jedoch nur zu erreichen, wenn unzureichende Präparate durch neue Proben ersetzt werden (Witjes et al.
1992). Bei 8 % der Patienten mit positiver Urinzytologie werden bei endoskopisch unauffälligem Befund In-situ-Karzinome bioptisch nachgewiesen (Jakse et al. 1980). Jedoch gibt es auch Studien, die weniger vielversprechende Ergebnisse der Urinzytologie zeigten. In einer aktuellen Studie von Bolenz et al. erreichte die Urinzytologie selbst bei erfahrenen Pathologen lediglich eine Sensitivität von 60,5 %. Die diagnostische Wertigkeit der Spülzytologie kann durch den Einsatz der
Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH; UroVysion
TM) maßgeblich verbessert werden. Es konnte gezeigt werden, dass Sensitivität und Spezifität einer Kombination aus herkömmlicher und FISH-Urinzytologie einer alleinigen Standard-Zytologie überlegen ist. Weitere Urinmarker sind aktuell noch nicht klinisch etabliert.
Die Diagnose des In-situ-Karzinoms wird durch die Blasenschleimhautbiopsie gestellt. Diese kann in Form der Zangenbiopsie erfolgen. Es werden die zystoskopisch suspekten Areale und Stellen beidseits der Ureterostien, das Trigonum sowie Hinter- und Vorderwand biopsiert, um das Ausmaß des In-situ-Karzinoms abzuschätzen. Nach den aktuellen Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) wird die PDD für diesen Fall als äußerst nützliches Instrument für die Detektion des In-situ-Karzinoms beschrieben (
www.uroweb.org).
Der Pathologe ist über den klinischen Verdacht zu informieren, da es durch geringe Adhärenz der Tumorzellen zur teilweisen Ablösung des Urothels kommen kann und dann eine sog. „denuding cystitis“ bei positiver Urinzytologie den Verdacht auf das Vorliegen eines In-situ-Karzinoms nahe legt. Bei diesen Patienten muss zur Sicherung der Diagnose neuerlich eine Biopsie durchgeführt werden.
Da das In-situ-Karzinom begleitend im oberen Harntrakt und der Urethra auftreten kann, ist eine diesbezügliche weiterführende Diagnostik erforderlich. Etwa 25–40 % der Patienten mit In-situ-Karzinom der Harnblase weisen einen Befall der prostatischen Harnröhre auf (Farrow et al.
1977; Kurth et al.
1995). Die Abklärung der prostatischen Harnröhre erfolgt durch die Resektionsbiopsie, die bei 5 und 7 Uhr vom Blasenhals bis zum Kollikulus entnommen wird. Die Zangenbiopsie ist in der Sensitivität und der Beurteilung der möglichen Invasion nicht ausreichend.
Es gibt keine systematische Untersuchung hinsichtlich der Inzidenz von In-situ-Karzinomen der weiblichen Harnröhre. Man kann jedoch indirekt aus der Anzahl von Urethrarezidiven nach Zystektomie schließen, dass bei Patienten mit Carzinoma in situ am Blasenhals auch ein In-situ-Karzinom in der Urethra vorliegt. Coloby et al. (
1994) fanden bei 47 Zystourethrektomiepräparaten in 7 % einen urethralen Tumor. Bei allen Präparaten war auch das Trigonum befallen. Ähnliche Ergebnisse wurden von berichtet. Ali-El-Dein et al. (
2004) diagnostizierten nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 36 Monaten ein urethrales Rezidiv bei 11 Frauen mit In-situ-Karzinom nach Zystektomie und orthotopen Blasenersatz. Es sollte daher bei Frauen unbedingt eine Biopsie am Blasenhals entnommen werden, um eine Information über die Ausdehnung des In-situ-Karzinoms in die Harnröhre zu erhalten.
Die Untersuchung des oberen Harntrakts erfolgt durch das Ausscheidungsurogramm bzw. mittlerweile gehäuft mittels Computertomogramm mit entsprechender Kontrastmittelausscheidungsphase (=Urographie) und die Entnahme der Urinzytologie über einen Ureterkatheter (Solsona et al.
2000,
www.uroweb.org). Die Computertomographie gilt als heute als die bevorzugte Option zur Abklärung des oberen Harntraktes, da eine bessere Sensitivität und Spezifität gegenüber der herkömmlichen Infusionsurographie zu erreichen ist. (Van Der
Molen et al.
2008; Cowan et al.
2007).
Ob die urinzytologische Untersuchung des oberen Harntrakts nur bei jenen Patienten erforderlich ist, die einen unauffälligen bioptischen Befund in Blase und Harnröhre aufweisen, ist ungeklärt.
Weiterführende Untersuchungen wie Abdomen-CT oder Knochenszintigraphie sind beim In-situ-Karzinom der Harnblase zur Ausbreitungsdiagnositk primär nicht erforderlich, ausgenommen sind Patienten mit muskelinvasiven Blasenkarzinomen oder Invasion in die Prostata.
Therapie
Das primäre und sekundäre In-situ-Karzinom, welches auf die Harnblase beschränkt ist, ist die Domäne der intravesikalen Immuntherapie mit BCG.
Die TUR von sichtbaren In-situ-Karzinomarealen ohne zusätzliche intravesikale Instillationstherapie führt nur in der Ausnahme zur kompletten Tumorentfernung (Wolf et al.
1994). Bei assoziierten In-situ-Karzinomen wird der exophytische Tumor die Therapieentscheidung beeinflussen. Das In-situ-Karzinom ist bei diesen Patienten als negativer prognostischer Faktor zu werten und beeinflusst die Entscheidung in Richtung aggressive Therapie. Es gibt jedoch keinen randomisierten Vergleich von sofortiger Zystektomie und intravesikaler Therapie, sodass hier die Entscheidung immer individuell sein wird.
Intravesikale Chemotherapie
Verschiedene Zytostatika wie Mitomycin C (MMC), Adriamycin, Epirubicin wurden zur Behandlung des In-situ-Karzinoms eingesetzt. Komplette bioptisch und zytologisch nachgewiesene Tumorremissionen wurden bei bis zu 70 % der Patienten beschrieben (De Reijke et al.
2005). Die Remissionsdauer wird mit durchschnittlich 20 Monaten angegeben. Die Toxizität der Behandlung ist akzeptabel und jener bei intravesikaler Instillationsbehandlung zur Rezidivprophylaxe eines oberflächlichen Blasenkarzinoms vergleichbar.
Ein Wechsel des Zytostatikums bei fehlendem Ansprechen oder bei Rezidiv ist möglich. Welches Zytostatikum das effektivste ist, kann aufgrund fehlender randomisierter Studien mit genügender Patientenzahl nicht angegeben werden (Schwalb et al.
1992; Shariat et al.
2001; Ali-El-Dein et al.
2004; Jauhiainen et al.
1986; Solsona et al.
1991).
Die intravesikale Chemotherapie kann auch bei Patienten eingesetzt werden, die auf intravesikale BCG-Therapie nicht mit einer kompletten Tumorremission reagieren. Unter der Vorstellung, dass durch eine initiale Chemotherapie die Wirksamkeit von BCG verstärkt wird, wurde die alternierende MMC- und BCG-Instillation in einer randomisierten Untersuchungen überprüft (Kaasinen et al.
2003). Es fand sich jedoch kein Unterschied in der Rate an kompletten Remissionen (75 % MMC + BCG vs. 83 % BCG allein). Ebenso war der Prozentsatz an Patienten mit länger dauernder (56 Monate) Tumorremission nicht signifikant unterschiedlich (45 vs. 55 %).
Eine Studie mit BCG plus Epirubicin versus BCG allein ist aufgrund der geringen Fallzahl nicht aussagekräftig, jedoch muss man annehmen, dass die alternierende Chemo- und BCG-Therapie der alleinigen Behandlung mit BCG nicht überlegen ist (Ali-El-Dein et al.
2004).
Eine Studie von Witjes et al. (
2009) untersuchte die intravesikale hypertherme MMC-Instillation (Synergo) u. a. in der Therapie des CIS.
Hier wurden 51 Patienten im Zeitraum zwischen 1997 und 2005 therapiert. Die mittlere Anzahl von intravesikalen Hyperthermiebehandlungen mit MMC lag bei 10,0. Von 49 auswertbaren Patienten hatten 45 zunächst ein komplettes Tumoransprechen gezeigt. Das Follow-up dieser 45 Patienten zeigte 22 Rezidive nach 27 Monaten im Mittel mit folgenden Histologien: T2 (4), T1 (4), T1/CIS (1), CIS (5), Ta/CIS (2), Ta (5) and Tx (1) (Witjes et al.
2009). Weitere Studien müssen die tatsächliche Wertigkeit dieser neuen Methode zeigen, um einen Einsatz beim Carcinoma in situ zu rechtfertigen und einen Vergleich zur bisherigen BCG-Instillationstherapie anstellen zu können.
Intravesikale Immuntherapie mit BCG
Die intravesikale Immuntherapie mit 6 Instillationen von BCG führt in bis zu 80 % der Patienten zur kompletten Tumorremission. Der randomisierte Vergleich zwischen TUR und TUR plus intravesikaler BCG-Instillationstherapie (6 Instillationen) zeigte, dass bei einer Mindestbeobachtungszeit von 3 Jahren 65 % der Patienten im BCG-Arm tumorfrei waren, während alle im Kontrollarm ein Tumorrezidiv entwickelt hatten (Herr et al.
1986). Obwohl es sich um eine Studie mit geringer Fallzahl handelt (46 Patienten), ist dieses hoch signifikante Ergebnis die unbestrittene Grundlage für die Indikation zur intravesikalen BCG-Therapie bei Patienten mit In-situ-Karzinom.
Abgesehen von dem holländischen BCG-Stamm RIVM ergeben alle derzeit im Handel befindlichen BCG-Stämme vergleichbare Ergebnisse (Witjes et al.
1992; Vegt et al.
1995).
Kommt es nach der ersten Serie von 6 Instillationen nicht zur kompletten Remission, kann durch einen zweiten Instillationszyklus bei etwa 50 % der Patienten eine Remission erzielt werden (Jakse et al.
2001). Es besteht kein Unterschied hinsichtlich primärem und sekundärem In-situ-Karzinom.
Langzeitergebnisse zeigten, dass es nach initialer kompletter Remission in bis 40 % der Fälle zu einem Tumorrezidiv kommt (De Jager et al.
1991; Jakse et al.
2001; Herr et al.
1986). Um Tumorrezidive zu verhindern, wird die Auffrischung durch BCG-Instillationen nach 3 bzw. 6 Monaten für insgesamt 3 Jahre empfohlen, wobei die aktuellen EAU-Guidelines eine Erhaltungstherapie von mindestens Jahr vorsehen (
www.uroweb.org). Diese Empfehlung basiert auf den Ergebnissen einer randomisierten Untersuchung von (Lamm et al.
2000), die zeigte, dass die sog. Maintenance-Therapie der Therapie mit 6 Instillationen sowohl in der Anzahl von kompletten Respondern als auch in der Zeit des tumorfreien Überlebens signifikant überlegen ist (Lamm et al.
2000). Der Grund dafür ist u. a. die Erhöhung der Rate an kompletten Tumorremissionen von 55 % nach dem Induktionszyklus auf 84 % unter Erhaltungstherapie. Einschränkend ist festzuhalten, dass nur 16–30 % der Patienten diese Behandlung bis zum Ende der 3 Jahre tolerieren (Lamm et al.
1992; Van der Meijden et al.
2001,
2003).
Auch aktuelle
Metaanalysen konnten die Wirksamkeit einer BCG-Maintenance-Therapie bezüglich einer Senkung des Rezidivrisikos erneut bestätigen (Shelley et al.
2003; Sylvester et al.
2010). Eine Metaanalyse von Sylvester et al. aus dem Jahr 2002 zeigte, dass die BCG-Therapie die Tumorprogressionsrate im Vergleich zu intravesikaler Chemotherapie oder anderer Immuntherapie um 35 % reduziert (Sylvester et al.
2002). In einer 2005 publizierten Metaanalyse konnten Sylvester et al., zeigen, dass eine intravesikale BGG-Therapie zu einer signifikant erhöhten Ansprechrate gegenüber der intravesikalen Chemotherapie führt und das Risiko eines Therapieversagens um 59 reduziert (Sylvester et al.
2005). Ein Vorteil der BCG-Therapie gegenüber einer intravesikalen Chemotherapie hinsichtlich des Gesamt- bzw. tumorspezifischen Überlebens konnte bisher jedoch nicht gezeigt werden (Sylvester et al.
2002; Böhle und Bock
2004; Malmström et al.
2009).
Die sequenzielle Therapie von Chemotherapie und BCG ist hierbei der BCG-Maintenance-Therapie unterlegen. In einer prospektiven randomisierten Studie waren nach einer mittleren Beobachtungszeit von 56 Monaten 55 % der Patienten, die mit BCG behandelt wurden, tumorfrei, während dies nur bei 45 % der Patienten, die mit BCG und MMC behandelt wurden, der Fall war (Kaasinen et al.
2003). Kürzlich wurden die Ergebnisse des 17-Jahres Follow-Up publiziert. Hierbei konnte ebenfalls keine Überlegenheit der Kombinationstherapie gegenüber der Monotherapie beobachtet werden. Das Rezidivrisiko betrug 49 % für die Monotherapie-Kohorte und 59 % für die alternierende Kombinationsgruppe (p = 0,048) (Kaasinen et al.
2016).
Demgegenüber konnte gezeigt werden, dass die Nebenwirkungen von BCG im Vergleich zur intravesikalen Chemotherapie ausgeprägter sind. Schwerwiegende Nebenwirkungen der BCG-Therapie, wie BCGitis, abszedierende Entzündung in Niere und Hoden oder Ausbildung einer Schrumpfblase, werden bei weniger als 5 % der Patienten beobachtet (Lamm et al.
1992). Das Ausmaß der lokalen und systemischen Reaktion korreliert nicht mit der Ansprechrate. Die Nebenwirkungen werden vor allem anfänglich und während der frühen Phase der Maintenance-Therapie beobachtet (Saint et al.
2001; Morgia et al.
2002). Bis zu 20 % der Patienten beenden wegen der Nebenwirkungen diese Behandlung frühzeitig, wobei etwa 2/3 der Patienten dies während der ersten 6 Monate tun (Van der Meijden et al.
2003). Boehle et al. (
2003) weisen darauf hin, dass die zystitischen Beschwerden bei BCG häufiger als bei Mitomycin auftreten, dass dies aber unabhängig von der Erhaltungstherapie zu beobachten ist.
Um die Toxizität der Behandlung zu reduzieren, wurde die Dosis von BCG auf die Hälfte bzw. 1/3 der Standarddosis gesenkt. Zwei randomisierte Studien mit kleinen Patientenzahlen ergaben kontroverse Ergebnisse. Die Studie von Martinez-Pineiro et al. (
2002) zeigte einen Trend zu einer höheren Rate von Tumorprogression und tumorassoziertem Tod, während Bassi et al. (
2005) bei einer Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren für Patienten mit der reduzierten Dosis eine signifikant höhere Rate (62 %) von Rezidivfreiheit gegenüber der Standarddosis (33 %) beobachtete.
Intravesikale Chemotherapie und BCG: randomisierter Vergleich
Es wurde in mehreren randomisierten Studien versucht, zu klären, ob die intravesikale Chemotherapie oder BCG-Therapie effektiver hinsichtlich Tumorremission und bleibender Tumorfreiheit ist.
Es gibt jedoch nur wenige Studien, die eine ausreichende Patientenzahl aufweisen. Lamm et al. (
1991,
1992,
2000) zeigten, dass durch BCG eine höhere Rate von kompletten Remissionen (70 %) im Vergleich zu Adriamycin (34 %) zu erzielen ist (Thalmann et al.
2002). 45 % der Patienten mit kompletter Remission nach BCG blieben bei einer Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren tumorfrei, während dies nur bei 18 % der Patienten nach Adriamycin der Fall war.
De Reijke et al. (
2005) verglichen BCG mit Epirubicin. Beide Gruppen erhielten eine Erhaltungstherapie. Die komplette Remissionsrate war mit 65 % für BCG und 56 % für Epirubicin nicht signifikant unterschiedlich. Patienten mit Tumorremission hatten durchschnittlich nach 5,1 Jahren und 1,4 Jahren ein Tumorrezidiv nach BCG und Epirubicin. Nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 64 Monaten waren 56 % im BCG-Arm und 33 % im Epirubicin-Arm tumorfrei. Die 5-Jahres-Rezidivfreiheit war mit 55 % gegenüber 26 % signifikant besser für Patienten, die mit BCG behandelt wurden.
Eine aktuelle
Metaanalyse von Malmström et al. (
2009) analysierte unter Einschluss von 2820 Patienten aus 9 randomisierten Studien die Wirksamkeit von MMC gegenüber BCG. Bei dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass eine BCG-Erhaltungstherapie eine Reduktion des Risikos für ein Rezidiv vs. MMC um 32 % bewirken kann (p < 0,0001), wohingegen ein Fehlen der Erhaltungstherapie mit einer Erhöhung des Risikos um 28 % gegenüber MMC einhergeht (p = 0,006) (Malmström et al.
2009).
MMC wurde in Studien mit geringerer Fallzahl untersucht und zeigte keinen Vorteil der Chemotherapie gegenüber BCG (Tab.
1; Studer et al.
1989; Sylvester et al.
2006).
Tab. 1
Intravesikale Chemotherapie: Vergleich von MMC mit BCG
BCG versus MMC (Malmstrom) | 23/41 | 14/42 | 5,3 |
BCG versus Adriamycin (Lamm) | 26/64 | 8/67 | 5,4 |
BCG versus Epirubicin (De Reijke) | 37/84 | 16/84 | 5,6 |
BCG-Versager
Grundsätzlich muss zwischen BCG-refraktären Tumoren, bei denen in der zystoskopischen Kontrolle nach 3 bzw. 6 Monaten ein high-grade Urothelkarzinom oder CIS diagnostiziert werden kann, von einem High-Grade-Rezidiv nach BCG-Therapie unterschieden werden. Eine BCG-Intoleranz liegt vor, wenn die BCG-Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen werden muss.
Etwa 30 % der Patienten werden unter BCG-Therapie nicht tumorfrei, und etwa 40 % entwickeln zu einem späteren Zeitpunkt ein Tumorrezidiv. Für die erste Gruppe von Patienten kann durch einen zweiten Zyklus eine Tumorremission in 50 % erreicht werden (Melamed et al.
1960). Anders verhält es sich bei Patienten, die wegen eines frühen Rezidivs eine neuerliche BCG-Therapie erhalten. 11 von 15 Patienten sprachen auf die neuerliche Behandlung nicht an und entwickelten ein muskelinvasives oder extravesikales Rezidiv (Morgia et al.
2002). Zytostatika oder andere Immuntherapeutika werden als Zweitlinientherapie eingesetzt. Für Valrubicin, Gemcitabine und Interferon-α werden Remissionsraten von 21 % (Kurth et al.
1995) und 45 % berichtet (Steinberg et al.
2000; Williams et al.
1996; Dalbagni et al.
2002). Die damit zu erreichenden Tumorremissionsraten von weniger als 50 % rechtfertigen diese Therapie aber nur bei Patienten, die nicht für die Zystektomie geeignet sind.
Alternative blasenerhaltende Therapien
Durch die intravenöse oder intravesikale Instillation von Photosensitizern und anschließender Bestrahlung mit einer dem Photosensitizer in der Wellenlänge angepassten Laserquelle ist die Zerstörung von In-situ-Karzinomen und exophytischen Tumoren möglich. behandelte 36 Patienten mit i. v. Porfimer und anschließender Bestrahlung der gesamten Blase mit einem Argonlaser bei 630 nm Wellenlänge. Alle Patienten hatten ein In-situ-Karzinom und 2 vorangegangene und fehlgeschlagene intravesikale Chemo- und Immuntherapien inklusive BCG. Nach 12 Monaten waren 53 % der Patienten ohne Rezidiv (Jakse et al.
2001). 17 % starben während dieser Zeit am Tumor. Eine Schrumpfblase oder Dysurie/Pollakisurie wurde bei 19 % bzw. 94 % der Patienten festgestellt. Nach intravesikaler Instillation von 5-Aminolevulinsäure und anschließender Bestrahlung mit einem KTP-Laser (633 nm) konnte bei 5 von 10 Patienten mit In-situ-Karzinom bei einer Nachsorgezeit von 19–34 Monaten eine Tumorfreiheit erzielt werden (Berger et al.
2003).
Auch eine multimodale intravesikale Chemotherapie wurde an Patienten mit nicht-muskelinvasivem Rezidiv nach vorangegangener Erstlinien-intravesikaler Therapie untersucht. Cockerill et al. analysierten die Ergebnisse einer Kombination aus MMC und intravesikalem Gemcitabine an 23 Patienten mit rezidivierender High-Grade Läsion (inkl. CIS), von denen die Mehrzahl BCG in der Vorgeschichte erhalten hatte. Die Autoren fanden ein medianes Krankheitsfreies Überleben von 15,2 Monaten bei einer Rzidivrate von 63 %. Ein Patient entwickelte ein muskelinvasives Urothelkarzinom, Metastasen traten bei einem weiteren Patienten auf. Drei Patienten wurden einer radikalen Zystektomie unterzogen. Nach einem medianen Beobachtungszeitraum von 22 Monaten hatten 37 % keinen Anhalt für Krankheitsrezidiv (Cockerill et al.
2016). Eine aktuelle Studie, die die Ergebnisse einer intravesikalen Kombinationstherapie aus
Everolimus und Gemcitabine bei BCG-refraktären Paienten mit CIS untersuchte zeigte mit einer Krankheitsfreien Rate von lediglich 16 % nach 12 Monaten enttäuschende Ergebnisse und wurde vorzeitig gestoppt (Dalbagni et al.
2017).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die aktuelle Datenlage darauf hindeutet, dass eine intravesikale Therapie einer radikalen Zystektomie bei BCG-Versagern onkologisch unterlegen ist.
Prognose
Etwa 70 % der Patienten entwickeln ohne therapeutische Intervention einen papillären oder soliden Tumor (Wolf et al.
1994). Patienten mit Ta/T1-Tumor und assoziiertem In-situ-Karzinom, die nur mit TUR behandelt werden, entwickeln in etwa 50 % innerhalb von 5 Jahren ein muskelinvasives Blasenkarzinom. Bei Ta/T1-Tumoren ist das begleitende In-situ-Karzinom der wichtigste prognostische Faktor nach der Tumordifferenzierung, der für die Tumorprogression und den Tod durch den Tumor verantwortlich ist (Millan-Rodriguez et al.
2000b). Nach erfolgreicher BCG-Therapie kommt es innerhalb von 5 Jahren bei etwa 40 % zu einem Tumorrezidiv (Kaasinen et al.
2003; Jakse et al.
2001). Jakse et al. (
2001) zeigten, dass 60 % der Patienten mit In-situ-Karzinom nach kompletter Remission in 60 % für 5 Jahre tumorfrei sind. 21 % der Patienten mit Tumorrezidiv sterben am Tumor. Über ähnliche Ergebnisse berichteten Kaasinen et al. (
2003). 14 % der Patienten entwickelten innerhalb von 5 Jahren ein T1- oder muskelinvasives In-situ-Karzinom, und 7 % starben am Tumor (Kaasinen et al.
2003).
Prognostische Faktoren
Es gibt derzeit keine prognostischen Faktoren, die – in prospektiven Studien überprüft – es ermöglichen, zum Zeitpunkt der Diagnose ein Ansprechen auf die intravesikale Therapie und die bleibende Tumorremission vorherzusagen.
Nachsorge
Zahlreiche Untersuchungen haben nachgewiesen, dass Patienten mit In-situ-Karzinom der Harnblase trotz initial erfolgreicher konservativer Therapie ein hohes Risiko des Tumorrezidivs in der Blase, aber vor allem extravesikal haben. Ebenso ist bei Zystektomie ein Rezidiv im oberen Harntrakt und bei orthotopem Blasenersatz zusätzlich in der Urethra möglich.
Dementsprechend muss bei diesen Patienten eine lebenslange Nachsorge mit Urinzytologie, Zystoskopie und Bildgebung des oberen Harntrakts erfolgen (Van der Meijden et al.
2005). Die Intervalle der Nachsorge sind wegen der Aggressivität des Tumors anfänglich in 3-monatlichen Abständen für einen Zeitraum von 2 Jahren durchzuführen. Bis 5 Jahre sollten die Untersuchungen halbjährlich stattfinden und nach dem 5. Jahr jährlich. Die Untersuchung des oberen Harntraktes sollte ebenfalls jährlich erfolgen (
www.uroweb.org).