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DGIM Innere Medizin
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Verfasst von:
Felix J. F. Herth
Publiziert am: 04.02.2015

Lungenemphysem: interventionelle/chirurgische Therapie

Patienten mit fortgeschrittenem Emphysem können zum einen eine chirurgische Volumenreduktion oder eine endoskopische Verfahren angeboten werden. Dabei werden zwei unterschiedliche Therapieprinzipien angewandt. Zum einen die blockierenden Verfahren mittels Einwegventilen als auch die nicht blockierenden irreversiblen Verfahren mittels Spiralen, Biokleber oder Dampfapplikation. Die Patientenselektion ist der entscheidende Faktor für den definitiven Erfolg. So werden die Verfahren Patienten angeboten, die in der Bodyplethysmographie nach Lyse eine Überblähung (Residualvolumen) von über 200 % aufweisen und ein inhomogenes Lungenemphysem in der durchgeführten hochauflösenden Computertomographie zeigen.

Einleitung

Das Lungenemphysem stellt eines der Endstadien einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung dar. Die Patienten sind durch Belastungsdyspnoe bei geringster Belastung maximal eingeschränkt, im weiteren Verlauf kann es zur pulmonalen Kachexie und zum Atempumpenversagen führen. Bereits in den 1950er-Jahren kamen Überlegungen zum Tragen, bei Patienten, die eine inhomogene Verteilung des Emphysems aufwiesen, durch eine Resektion der am meisten überblähten Areale die Situation der Patienten zu verbessern. Ziel dieser resezierenden Hypothese war es, die Instabilität der Atemwege und des Airtrappings durch eine Verminderung der Überblähung zu optimieren. Die Rückstellkräfte der Lunge sollten dadurch verbessert werden, und auch eine Verbesserung der Atemmechanik durch eine bessere Effizienz der Diaphragma-Thorax-Bewegungen sollte ermöglicht werden (Criner et al. 1998).
Initiale chirurgische Versuche zeigten nur kurzfristige Effekte (Brantigan und Mueller 1957), da die perioperative Problematik in Form von chronischen Parenchymfisteln dem Effekt überwiegte. In den 1990er-Jahren wurde dieses Verfahren von Joel Cooper erneut durchgeführt (Cooper et al. 1996) und wurde aufgrund guter Ergebnisse, insbesondere in den Vereinigten Staaten, doch unkontrolliert angeboten. Letztendlich durch nationale Institutionen eingeleitet, hat der National Emphysema Treatment Trial in einer randomisierten Form diese chirurgische Therapie bei Patienten im Vergleich zu einer „Best medical support“-Gruppe verglichen (Fishman et al. 2003). In der Auswertung zeigte sich, dass bei einer gewissen Subgruppe der Patienten (oberlappenbetontes Emphysem, geringe Besserung auf rehabilitative Maßnahmen) eine signifikante Besserung der Situation der Patienten erzielt werden kann. Es zeigte sich jedoch auch, dass in der Interventionsgruppe eine erhöhte 90-Tage-Mortalität von knapp 8 % bestand im Vergleich zur konservativ behandelten Gruppe, die eine Mortalität von 1 % aufwies.
Diese erhöhte Mortalität führte dazu, dass minimal invasive Verfahren entwickelt wurden, die die gleiche Effektivität mittels endoskopisch applizierter Verfahren und dadurch minimierter Morbidität ermöglichen. Über die Jahre hat sich die endoskopische Lungenvolumenreduktion (ELVR) nun als alternatives Verfahren für die chirurgische Volumenreduktion entwickelt.
Heutzutage werden zwei unterschiedliche Therapieprinzipien angewandt. Zum einen die blockierenden Verfahren mittels Einwegventilen als auch die nicht blockierenden irreversiblen Verfahren mittels Spiralen, Biokleber oder Dampfapplikation.
Alle Verfahren, wie auch das chirurgische Verfahren, werden Patienten angeboten, die in der Bodyplethysmographie nach Lyse eine Überblähung (Residualvolumen) von über 200 % aufweisen und ein inhomogenes Lungenemphysem in der durchgeführten hochauflösenden Computertomographie (HR-CT) zeigen. Für Patienten mit einer geringgradigeren Überblähung werden diese Verfahren derzeit nicht angeboten. Bei Patienten mit homogener Verteilung des Lungenemphysems werden einzelne Verfahren in kontrollierten Studien derzeit überprüft. Außerhalb von diesen Studien gilt eine homogene Verteilung weiterhin als Kontraindikation.
Geändert hat sich zwischenzeitlich die Situation bei Alpha-1-Antitrypsin-induziertem Emphysem: War dies initial ein Ausschlusskriterium, gilt auch dieser Typ des Emphysems heute als behandelbar mittels der ELVR.

Blockierende Verfahren (Ventile)

Bei den Ventilen handelt es sich um ein Nitinolgerüst, das mit einer entsprechenden Ummantelung beschichtet ist, sodass die Ventile während der Einatmung den Atemfluss in die überblähten Areale verhindern, der Ventilmechanismus jedoch ein Ausbreiten der überblähten Luft durch die Atemmechanik ermöglicht. Dies führt zu einer Atelektasenbildung und somit zur Schrumpfung der Lunge und dem damit verbundenen Aufrichten des Zwerchfells.
Nach etlichen Fallbeobachtungsstudien wurden mit diesen Verfahren randomisiert kontrollierte Studien durchgeführt.
In den zwischenzeitlich publizierten Ergebnissen zeigte sich, dass die Gehstrecke, aber auch die Lebensqualität der Patienten signifikant verbessert werden kann. Klinisch gesehen waren die Verbesserungen allerdings gering. Es erfolgte daher in beiden Studien (Sciurba et al. 2010; Herth et al. 2012) auch eine Prädiktorenanalyse. Es zeigte sich, dass die Geschlossenheit eines Lappens (komplette Fissur) ein unabhängiger Faktor für den Erfolg einer ELVR mit Ventilen darstellt. Dies bedeutet, es muss das Ausmaß der kollateralen Ventilation (Gompelmann et al. 2013) abgeschätzt werden. Nur bei Patienten, die über eine geringe kollaterale Ventilation verfügen, kann es zur gewünschten Atelektase kommen, die dann zur Volumenreduktion führt. Weist der Patient eine erhöhte kollaterale Ventilation auf, füllt sich der durch Ventile verschlossene Lappen retrograd über diese Kanäle und Poren, sodass es nicht zur Atelektase und nicht zur Besserung des Patienten kommen kann. Daher muss vor einer Ventilimplantation das Ausmaß der kollateralen Ventilation abgeschätzt werden. Hierzu können spezielle HR-CT benutzt werden, die eine Beurteilung der Fissuren erlaubt. Leider ist dies ein Verfahren, das extrem von der Kenntnis des beurteilenden Radiologen abhängt (Koenigkam-Santos et al. 2012), sodass ein endoskopisches Messsystem (Chartis, Pulmonx, USA) entwickelt wurde, das die kollaterale Ventilation unmittelbar vor einer möglichen Ventilimplantation messen lässt (Gompelmann et al. 2010).
In Studien wurde gezeigt, dass durch den Einsatz der Chartis-Messung eine Patientenselektion betrieben werden kann, die in über 80 % zu einer effektiven Behandlung führt (Herth et al. 2012).
Hauptkomplikation der Ventilimplantation ist das Auftreten eines Pneumothorax. Dies tritt in ca. 10 % der Patienten ein und bedarf meist einer Thoraxdrainagenanlage.

Nicht blockierende Verfahren

Bei den nicht blockierenden Verfahren existieren zum einen die Spiralen (PneumRx Inc., USA). Hierbei handelt es sich um einen Nitinoldraht, der in einem gestreckten Zustand über ein Implantationssystem in die emphysematös veränderte Lunge eingebracht wird. Nach Entladen der Spirale zieht diese sich in die ursprüngliche Form zurück und führt somit zu einem Schrumpfen der Lunge. In der Regel werden zehn Spiralen pro Lungenlappen implantiert (Abb. 1). Bisher wurde in ersten Studien eine Effektivität, insbesondere hinsichtlich der Verbesserung der Belastbarkeit, nachgewiesen (Slebos et al. 2012). In einer kürzlich veröffentlichten randomisiert kontrollierten Studie bei einer kleinen Patientenzahl wurde dies auch in diesem Studiendesign bestätigt (Shah et al. 2013). Derzeit läuft hier eine große internationale Multicenterstudie, die diese guten Ergebnisse nun auch größer angelegt bestätigen will.
Hauptkomplikation der Spiralen ist die postinterventionelle Pneumonie. Ein möglicher Nachteil stellt die fehlende Möglichkeit der Entfernung der Spiralen dar.
Alternativ stehen bei den blockierenden Verfahren die Möglichkeit der Injektion eines Hydrogelschaumes (Aeriseal Therapeutics, USA) oder die Applikation von heißem Wasserdampf (Uptake Medical, USA) zur Verfügung. Beide Instillationen führen zu einer künstlich herbeigeführten lokalen Inflammation, die im Verlauf letztendlich zu einer Narbenbildung und der entsprechenden Schrumpfung führt.
Für beide Verfahren wurde in ersten Studien die Effektivität nachgewiesen (Gompelmann et al. 2012, Kramer et al. 2012). Mit den Patienten sollte die Hauptnebenwirkung einer akuten Exazerbation durch die Verfahren besprochen werden, jedoch auch der langsamere Wirkungseintritt. Bis zur Ausbildung der Narben und dem dadurch bedingten Effekt können doch bis zu sechs Monate vergehen.

Zusammenfassung

Zusammenfassend können bei Patienten mit fortgeschrittenem Emphysem zum einen eine chirurgische Volumenreduktion oder endoskopische Verfahren angeboten werden. Mit zunehmendem Wissen und zunehmender Häufung evidenzbasierten Daten kann an einem Algorithmus gearbeitet werden, sodass letztendlich für jeden Patienten anhand seines Phänotyps, im CT evaluiert, entschieden werden kann, welches Verfahren am ehesten zur Verbesserung führt.
Bei allem Wissen, was derzeit vorliegt, zeigt sich klar, dass die Patientenselektion der entscheidende Faktor für den definitiven Erfolg darstellt. Insofern sollten Patienten für diese Verfahren zum einen nach interdisziplinärer Entscheidung (Thoraxchirurg, Pneumologe, Radiologe), aber auch nur in Studien oder Registern behandelt werden, um eine stabile Datenbasis zu schaffen.
Literatur
Brantigan OC, Mueller E (1957) Surgical treatment of pulmonary emphysema. Am Surg 23:789–804PubMed
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Criner G, Cordova FC, Leyenson V et al (1998) Effect of lung volume reduction surgery on diaphragm strength. Am J Respir Crit Care Med 157:1578–1585CrossRefPubMed
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