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Kinderchirurgie
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Publiziert am: 07.04.2018

Ösophagusersatzverfahren bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Jens Dingemann und Benno Ure
In der Ösophaguschirurgie des Kindes wird grundsätzlich der Erhalt des eigenen Ösophagus angestrebt. Anatomische (langstreckige Ösophagusatresie) oder funktionelle (Motilitätsstörung/Stenose durch Laugenverätzung) Verhältnisse können jedoch den Ersatz des Ösophagus notwendig machen. An den Ösophagusersatz werden besondere Anforderungen gestellt. Die orale Ernährung und das „Mitwachsen“ des Interponats – insbesondere bei kleinen Kindern – müssen sichergestellt sein. Ein gastroösophagealer Reflux sollte durch das Neoorgan toleriert werden können. Kardiopulmonale Einschränkungen sollen zudem möglichst gering sein. Der Magenhochzug und das Koloninterponat stellen etablierte Methoden dar. Der Magenhochzug ist aufgrund der besseren funktionellen Ergebnisse in den meisten Zentren die favorisierte Option. Dünndarminterponat und Magenschlauch haben sich bisher nicht allgemein durchsetzen können, da beide Verfahren mit erheblichen chirurgischen Komplikationen einhergehen können.
In der Ösophaguschirurgie des Kindes wird grundsätzlich der Erhalt des eigenen Ösophagus angestrebt. Anatomische (langstreckige Ösophagusatresie) oder funktionelle (Motilitätsstörung/Stenose durch Laugenverätzung) Verhältnisse können jedoch den Ersatz des Ösophagus notwendig machen. An den Ösophagusersatz werden besondere Anforderungen gestellt. Die orale Ernährung und das „Mitwachsen“ des Interponats – insbesondere bei kleinen Kindern – müssen sichergestellt sein. Ein gastroösophagealer Reflux sollte durch das Neoorgan toleriert werden können. Kardiopulmonale Einschränkungen sollen zudem möglichst gering sein. Der Magenhochzug und das Koloninterponat stellen etablierte Methoden dar. Der Magenhochzug ist aufgrund der besseren funktionellen Ergebnisse in den meisten Zentren die favorisierte Option. Dünndarminterponat und Magenschlauch haben sich bisher nicht allgemein durchsetzen können, da beide Verfahren mit erheblichen chirurgischen Komplikationen einhergehen können.

Einleitung

Die häufigsten Indikationen für einen Ersatz der Speiseröhre sind die langstreckige Ösophagusatresie und chemische Verletzungen. Peptische Strikturen, die trotz medikamentöser Therapie, Fundoplikatio und Bougierungen eine Ernährung nicht zulassen und einen Ersatz erfordern, sind in der westlichen Welt selten geworden.
Spitz stellte die für alle Ersatzverfahren geltenden Erfordernisse zusammen (Spitz 2006):
  • Das Conduit muss langfristig die orale Ernährung sichern.
  • Das Conduit muss adäquat zum Wachstum des Patienten mitwachsen und gleichzeitig seine Form behalten.
  • Ein gastroösophagealer Reflux sollte durch das Operationsverfahren minimiert bzw. vom Transponat toleriert werden.
  • Pulmonale, kardiale und kosmetische Beeinträchtigungen sind zu minimieren.
  • Das Verfahren sollte auch bei kleinen Kindern technisch möglichst einfach durchführbar sein.
Die im Weiteren aufgeführten Techniken haben hinsichtlich dieser Erfordernisse unterschiedliche Vor- und Nachteile.
Prinzipiell kann das Transponat retrosternal oder transpleural durch das hintere Mediastinum platziert werden. Das transpleurale Vorgehen erfolgt auf dem direkten Weg im natürlichen Ösophagusbett ohne Abknickung des Transponats. Es geht im Vergleich zum retrosternalen Vorgehen mit einer geringeren Verdrängung der Lunge einher, erfordert nicht regelhaft eine Thorakotomie, ist aber nach mediastinalen Entzündungen nicht immer durchführbar und mit einer höheren Gefahr der Verletzung von Gefäßen verbunden.
Das retrosternale Vorgehen ist sicherer, doch wird ein längerer Weg benötigt und zudem eine Abwinkelung des Transponats in Kauf genommen. Der optimale Zeitpunkt für einen Ösophagusersatz ist abhängig von der Indikation. Bei langstreckiger Ösophagusatresie sollte das Kind ein Gewicht von 5 kg und damit in der Regel ein Alter von 3 Monaten erreicht haben. Bei langstreckigen Verätzungen wird die Indikation zum Ösophagusersatz nach 6–12 Monaten erfolgloser Bougierungstherapie gestellt.

Koloninterponat

Die erste Koloninterposition bei Kindern mit Ösophagusatresie wurde 1955 beschrieben. Seitdem ist die Interposition von Kolon in den USA und zahlreichen anderen Ländern zu dem am häufigsten durchgeführten Ösophagusersatzverfahren avanciert (Hamza et al. 2003; Lindahl et al. 1983).
Prinzipiell kann das Interponat aus dem Colon ascendens mit Blutversorgung durch die A. colica media und bei Erhalt des Ileozökalbereichs retrograd durch die ileokolischen Gefäße oder aus dem linken Kolon mit Versorgung durch die linksseitigen Gefäße des Dickdarms gebildet werden. Das Interponat kann iso- oder antiperistaltisch eingesetzt werden, wobei meist das Colon ascendens retrosternal oder das linke Kolon retrohilär eingebracht wird.

Interponat aus dem rechten Kolon

Die Interposition des rechten Kolon erfolgt über eine quere Oberbauchlaparotomie (Gross und Firestone 1967). Nach Mobilisation und Abschätzung der erforderlichen Länge des Interponats werden die zu ligierenden Gefäße temporär abgeklemmt, um die ausreichende Durchblutung zu überprüfen. Bei Resektion der Ileozökalregion erfolgt die Durchblutung ausschließlich aus der A. colica sinistra. Beim ileozökalerhaltenden Vorgehen ist eine Appendektomie vorzunehmen. Der obere Ösophagusstumpf wird über eine linksseitige kollare Inzision mobilisiert und mittels stumpfer Präparation ein retrosternaler Tunnel ventral des Thymus und des Perikards angefertigt. Das Interponat wird hinter dem Magen hochgezogen und mit seinem kaudalen Ende im Bereich der kleinen Kurvatur mit der Vorderwand des Magens anastomosiert. Nach Ausführung der kollaren Anastomose wird die Anlage einer Gastrostomie für die initiale Ernährung empfohlen.

Interponat aus dem linken Kolon

Die ursprünglich von Waterston beschriebene Interposition des linken Kolon wurde von Hamza (Hamza et al. 2003) modifiziert. Die Mobilisation des thorakalen Ösophagus erfolgt von abdominal durch den Hiatus oesophageus, in Ausnahmefällen über einen zusätzlichen thorakalen Zugang. Die obere Speiseröhre wird von zervikal mobilisiert und ein transhiataler Tunnel präpariert, durch den das Interponat nach kranial verbracht wird. Die gastrokolische Anastomose wird im Bereich der Kardia angefertigt. Abschließend erfolgen Antirefluxplastik und Pyloroplastik (Abb. 1).

Vergleich linkes versus rechtes Kolon

Mehrere Analysen belegten für die retrohiläre Transposition des linken Kolon im Vergleich zur retrosternalen Verwendung des rechten Kolon Vorteile im Sinne einer niedrigeren Leckagerate, verminderter Refluxprobleme und besserer funktioneller Ergebnisse. Generell beträgt die Mortalität nach Koloninterposition heute <5 %. Für die häufigste perioperative Komplikation, die Leckage, wird eine verminderte Durchblutung des Transponats oder des oberen Ösophagusstumpfs verantwortlich gemacht. Sie tritt bei 10–20 % der Eingriffe an der oberen Anastomose auf und heilt unter parenteraler Ernährung in der Regel spontan aus. Anastomosenstrikturen weisen eine ähnliche Inzidenz auf und sprechen gut auf Bougierungen an. Im Langzeitverlauf kann es im Interponat zu refluxbedingten Erosionen und Ulzerationen mit Blutungen und zur Barrett-Metaplasie kommen.

Komplikationen

Das Koloninterponat weist keine Peristaltik auf (Ure et al. 1997), sodass der Transport ausschließlich über die Gravitation erfolgt. Dies führt zu einer deutlich verlängerten Passagezeit, häufig mit Dysphagie und Bolusgefühl. Aufgrund des mangelnden Tonus kommt es zu Aussackungen bis zur grotesken Formation des Interponats mit Verhalt und Regurgitation der Nahrung. In diesen Fällen kann eine Nachresektion zur Streckung des Interponats indiziert sein.

Nachsorge

Im Langzeitverlauf ist ein Eisenmangel auszuschließen, der bei bis zu 50 % der Patienten eintritt. Persistierende Symptome können nach einer Koloninterposition die Lebensqualität bis in das Erwachsenenalter beeinträchtigen, haben aber in der Regel keinen Einfluss auf soziale, emotionale und physische Lebensqualitätsparameter (Tab. 1; Ure et al. 1997, 1998).
Tab. 1
Inzidenz von Symptomen im Langzeitverlauf nach Koloninterposition bei langstreckiger Ösophagusatresie. (Aus: Ure et al. 1998)
Symptom
Inzidenz in %
Dyspnoe
100
Diarrhö
62
Sodbrennen/Reflux von Nahrung
38
Erbrechen
12
12
Husten/chronische Bronchitis
25

Magenhochzug

Die thorakale Transposition des Magens als Ösophagusersatz für Kinder mit langstreckiger Ösophagusatresie oder Verätzungen wurde erstmals in den 1980er-Jahren von Spitz beschrieben (Spitz et al. 1987). Hierbei wird der Magen durch die anatomisch vorgegebenene Zwerchfelllücke, den Hiatus oesophageus, in das obere Mediastinum hochgezogen und dort mit dem oberen Ösophagusstumpf anastomosiert, ohne dass regelhaft eine Thorakotomie erforderlich ist. Letztere ist lediglich bei thorakalen Verwachsungen nach vorheriger Operation, Infektion oder Entzündung indiziert, um eine sichere Transposition zu gewährleisten.
Die vollständige Mobilisation des Magens erfolgt über eine Oberbauchlaparotomie, wobei die gastro-epiploischen Gefäße und die A. gastrica dextra erhalten bleiben. Die Gastrostomie ist auszulösen, zu verschließen und der Ösophagusstumpf abzutragen. Eine Pyloromyotomie oder Pyloroplastik wird empfohlen, ist aber nicht obligat. Nach Auslösung des kollaren Ösophagostomas bzw. der Mobilisierung des oberen Ösophagusstumpfs wird von abdominal durch den Hiatus oesophageus stumpf digital und vom kollaren Zugang retrohilär präpariert. Der Magen wird hiernach an Haltefäden bis zum Hals hochgezogen und mit dem oberen Ösophagusstumpf vom Hals aus anastomosiert. Zur postoperativen Ernährung erfolgt die Einlage eines temporären Jejunostomiekatheters. Die Mobilisation des Magens, die stumpfe thorakale Präparation und die Pyloroplastik können laparoskopisch erfolgen (Abb. 2; Ure et al. 2003).
Die Präparation im Bereich des Thorax und des Halses kann zur ödematösen Schwellung der Regionen mit Kompromittierung der Belüftung führen, weshalb eine Beatmung über 2–3 Tage empfohlen wird. Das weitere Vorgehen beinhaltet eine enterale Ernährung über das Jejunostoma ab dem 2. postoperativen Tag und eine Röntgenkontrastdarstellung des Magens vor Einleitung des oralen Nahrungsaufbaus nach einer Woche.

Komplikationen

Die häufigste initiale Komplikation des Magenhochzugs ist die Leckage der oberen Anastomose, mit der bei 10–30 % der Fälle zu rechnen ist. In der Serie von Spitz et al. (Spitz et al. 2004) heilten alle bis auf eine Leckage spontan aus. Anastomosenstrikturen, die bei 20 % der Patienten auftraten, konnten in der Regel erfolgreich bougiert werden. Für die laparoskopische Operation ist als Spätkomplikation eine ausgeprägte Hiatushernie im Sinne eines vollständig intrathorakal gelegenen Magens beschrieben (Bataineh et al. 2011). Die Früh- und Spätmortalität des Eingriffs beträgt heute <5 %.
Im Langzeitverlauf persistiert gewöhnlich eine verminderte Lungenkapazität, wobei ungeklärt ist, inwiefern diese auf die Verdrängung im Thorax zurückzuführen ist oder ein allgemeines Phänomen bei Kindern mit langstreckiger Ösophagusatresie darstellt. Eine gute bis exzellente Langzeitlebensqualität wurde in kleinen Serien für 90 % der Patienten belegt (Ludman und Spitz 2003), es ist jedoch mit der Persistenz zahlreicher Symptome zu rechnen (Tab. 2).
Tab. 2
Inzidenz von Symptomen im Langzeitverlauf nach Magenhochzug bei langstreckiger Ösophagusatresie. (Aus: Ludman und Spitz 2003)
Symptom
Inzidenz in %
Dyspnoe
58
Diarrhoe
53
Sodbrennen/Reflux von Nahrung
37
Erbrechen
63
63
Husten/chronische Bronchitis
21

Weitere Ösophagusersatzverfahren

Jejunuminterposition

Im Vergleich zum Koloninterponat und Magenhochzug sind die Erfahrungen mit Jejunuminterponaten im Kindesalter begrenzt. Prinzip der Operationstechnik ist die Verlagerung eines Jejenumanteils mit einem mesenterialen Gefäßstiel in den Thorax und die Anastomosierung mit dem oberen und unteren Ösophagusstumpf oder dem Magen (Saeki et al. 1988). Vorteile des Jejunuminterponats sind ein dem Ösophagus entsprechendes Kaliber, eine Peristaltik und eine im Vergleich zum Kolon größere Stabilität. Die Technik hat sich aufgrund des höheren operativen Schwierigkeitsgrades und einer möglicherweise höheren Komplikationsrate bisher nicht allgemein durchgesetzt. Nekrosen, Perforationen und Leckagen wurden bei bis zu 25 % der Patienten berichtet. Zudem ist das Jejunum möglicherweise vulnerabler für peptische Strikturen und Ulzerationen.

Magenschlauch

Das Verfahren beinhaltet die Bildung eines Magenschlauchs aus der großen Kurvatur, der substernal oder retrohilär in den Thorax verbracht und mit dem oberen Ösophagusstumpf anastomosiert wird (Ein et al. 1987). Durch Zuhilfenahme eines Klammerstaplers für die Schlauchbildung kann die Operationszeit im Vergleich zu den anderen Verfahren drastisch verkürzt werden. Problematisch ist bei kleinen Kindern, insbesondere mit Ösophagusatresie, dass die Größe des Magens die Bildung eines adäquaten Schlauchs nicht immer zulässt. Auffällig ist eine hohe Rate an Leckagen und Strikturen bei bis zu 75 % der Patienten (Spitz 2006; Sharma und Gupta 2017).
Literatur
Bataineh ZA et al (2011) Hiatus hernia after laparoscopically assisted gastric pull-up for esophageal replacement. Eur J Pediatr Surg 21:130–131CrossRef
Ein SH et al (1987) Twenty-one year experience with the pediatric gastric tube. J Pediatr Surg 22(1):77–81CrossRef
Gross RE, Firestone FN (1967) Colonic reconstruction of the esophagus in infants and children. Surgery 61:955–964PubMed
Hamza AF et al (2003) Caustic esophageal strictures in children: 30 years’ experience. J Pediatr Surg 38:828–833CrossRef
Lindahl H et al (1983) Colon interposition or gastric tube? Follow-up study of colon-esophagus and gastric tube-esophagus patients. J Pediatr Surg 18:58–63CrossRef
Ludman L, Spitz L (2003) Quality of life after gastric transposition for esophageal atresia. J Pediatr Surg 38:53–57CrossRef
Saeki M et al (1988) Long-term results of jejunal replacement of the esophagus. J Pediatr Surg 23:483–489CrossRef
Sharma S, Gupta DK (2017) Surgical techniques for esophageal replacement in children. Pediatr Surg Int 33(5):527–550CrossRef
Spitz L (2006) Esophageal replacement, Chapter 69. In: Grosfeld J et al (Hrsg) Pediatric surgery, 6. Aufl. Mosby Elsevier, Philadelphia, S 1093–1106CrossRef
Spitz L et al (1987) Gastric transposition for esophageal replacement in children. Ann Surg 206:69–73CrossRef
Spitz L et al (2004) Gastric transposition in children – a 21-year experience. J Pediatr Surg 39:276CrossRef
Ure BM et al (1997) Long-term functional results and quality of life after colon interposition for long gap esophageal atresia. Eur J Pediatr Surg 5:206–210CrossRef
Ure BM et al (1998) Quality of life more than 20 years after repair of esophageal atresia. J Pediatr Surg 33(3):511–515CrossRef
Ure BM et al (2003) Laparoscopically assisted gastric pull-up for long gap esophageal atresia. J Pediatr Surg 38(11):1661–1662CrossRef