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Screening von Hautkrebs

Verfasst von: Alexander Katalinic und Joachim Hübner
Im Jahr 1974 wurde Hautkrebs erstmals in die Krebsfrüherkennungsrichtlinie mit aufgenommen, damals aber noch ohne die regelhafte Inspektion der Haut, sondern nur als anamnestische Frage nach „Wachstum, Verfärbung oder Blutung eines Pigmentfleckens oder Knotens der Haut“. In den 1990er-Jahren wurde an einer Weiterentwicklung der Hautkrebsfrüherkennung gearbeitet und ab Juli 2003 ein einjähriges Modellprojekt zum Hautkrebsscreening (HKS) durchgeführt.
Im SCREEN Projekt (Systematic skin cancer screening in Northern Germany) wurde den gesetzlich Versicherten des Bundeslandes Schleswig-Holstein ab dem Alter von 20 Jahren ein kostenloses Hautkrebsscreening angeboten, das nun eine Ganzkörperuntersuchung der Haut vorsah. Das Projekt wurde von einer intensiven Aufklärungskampagne begleitet und etwa 360.000 Personen nahmen an SCREEN teil. Mit dem Pilotprojekt konnte die grundlegende Machbarkeit eines HKS gezeigt werden, eine Verschiebung hin zu prognostisch günstigeren Tumoren konnte beobachtet werden. Mitte des Jahres 2008 wurde dann basierend auf dem SCREEN Projekt ein Hautkrebsscreening als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt.

Einführung

Im Jahr 1974 wurde Hautkrebs erstmals in die Krebsfrüherkennungsrichtlinie mit aufgenommen, damals aber noch ohne die regelhafte Inspektion der Haut, sondern nur als anamnestische Frage nach „Wachstum, Verfärbung oder Blutung eines Pigmentfleckens oder Knotens der Haut“. In den 1990er-Jahren wurde an einer Weiterentwicklung der Hautkrebsfrüherkennung gearbeitet und ab Juli 2003 ein einjähriges Modellprojekt zum Hautkrebsscreening (HKS) durchgeführt.
Im SCREEN Projekt (Systematic skin cancer screening in Northern Germany) wurde den gesetzlich Versicherten des Bundeslandes Schleswig-Holstein ab dem Alter von 20 Jahren ein kostenloses Hautkrebsscreening angeboten, das nun eine Ganzkörperuntersuchung der Haut vorsah (Breitbart et al. 2012). Das Projekt wurde von einer intensiven Aufklärungskampagne begleitet und etwa 360.000 Personen nahmen an SCREEN teil. Mit dem Pilotprojekt konnte die grundlegende Machbarkeit eines HKS gezeigt werden, eine Verschiebung hin zu prognostisch günstigeren Tumoren konnte beobachtet werden. Mitte des Jahres 2008 wurde dann basierend auf dem SCREEN Projekt ein Hautkrebsscreening als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt.

Epidemiologie Hautkrebs

Unter Hautkrebs wird eine Gruppe von verschiedenen Krebserkrankungen zusammengefasst, die von den unterschiedlichen Zellen der Haut ausgehen. Differenziert werden
  • das maligne Melanom der Haut (MM)
  • und die nichtmelanozytären Hautkrebsformen (NMSC),
Etwa 20.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland am malignen Melanom der Haut (2014: 10.500 Männer und 9400 Frauen). Dies entspricht einer altersstandardisierten Inzidenzrate von 18,6/100.000 (Männer) bzw. 16,6/100.000 (Frauen) (Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (GEKID) 2019).
Da die nichtmelanozytären Hautkrebsformen nicht in allen Regionen Deutschlands systematisch erfasst werden (Rudolph et al. 2015), muss hier auf Schätzungen zurückgegriffen werden. Nach Berechnungen des Krebsregisters Schleswig-Holstein erkranken jährlich etwa 55.000 Menschen an einem invasiven SCC und 160.000 an einem BCC.
Unter Einschluss der Frühformen (in situ Karzinom) wird die Anzahl der erstmaligen Hautkrebserkrankungen auf 290.000 Fälle pro Jahr geschätzt, damit ist Hautkrebs die häufigste Krebsform in Deutschland (Katalinic 2018). Pro Jahr sterben etwa 3800 Menschen an Hautkrebs, drei Viertel davon am MM (2016: 2926 Todesfälle MM, 76 % der Hautkrebstodesfälle) (Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2019).
Die NMSC weisen eine sehr gute Prognose auf (relative 5 Jahres-Überlebensrate (RÜL): BCC ca. 100 %, SCC 94 % (Eisemann et al. 2016)). Die Prognose beim MM ist mit 90,7 % (Männer) bzw. 93,8 % (Frauen) ist etwas schlechter, aber insgesamt immer noch als gut zu bezeichnen.
Beim MM zeigen sich aber deutliche stadienspezifische Überlebensunterschiede, im Frühstadium (Tumordicke <1 mm) ist die relative 5 Jahres-Überlebensrate ca. 100 %, während sie im Spätstadium (Tumordicke >4 mm) nur bei etwa 50 % liegt (Brunssen et al. 2018).
Betrachtet man die langfristigen Trends von Hautkrebs, ist in den letzten 40 Jahren ein starker Anstieg der Neuerkrankungsraten festzustellen. Für das MM haben sich die Erkrankungsraten, basierend auf Daten des Krebsregisters Saarland, seit den 1970er-Jahren in etwa verfünffacht, für die NMSC liegt der Anstieg noch höher. Die Mortalität ist im Langzeitverlauf für das MM bis etwa 1990 angestiegen (ca. verdoppelt) und war ab dann relativ konstant (Hübner et al. 2018).

Umsetzung des Hautkrebsscreenings in Deutschland

Im Juli 2008 traten die Änderungen der Krebsfrüherkennungsrichtlinie für die Hautkrebsfrüherkennung (§ 29 KFE-RL) in Kraft. Damit wurden die Voraussetzungen für ein deutschlandweites Hautkrebsscreening (HKS) geschaffen.
Das HKS richtet sich an gesetzlich Versicherte ab dem Alter von 35 Jahren, die die Screeninguntersuchung alle zwei Jahre in Anspruch nehmen können. Im Gegensatz zum Mammografiescreening ist kein Einladungs- oder Erinnerungswesen vorgesehen, sodass es sich beim HKS um ein opportunistisches Screening handelt. Ob das HKS letztendlich vom Anspruchsberechtigten genutzt wird, hängt also von „günstigen Umständen“ ab, insbesondere davon, ob der Versicherte über das Angebot angemessen informiert wird.
Die Durchführung des HKS, die Bedingungen zur Teilnahme am HKS von ärztlicher Seite und die Evaluation werden in der KFE-RL ausgeführt.
Die Screeninguntersuchung im HKS selbst umfasst nach der KFE-RL folgende Elemente:
  • gezielte Anamnese;
  • visuelle, standardisierte Ganzkörperinspektion der gesamten Haut einschließlich des behaarten Kopfes sowie aller Hautzwischenräume;
  • Befundmitteilung mit entsprechender Beratung und standardisierte Dokumentation des Befunds.
  • Seit April 2020 sind Auflichtmikroskopie bzw. Dermatoskopie fakultativer Bestandteil des HKS.
Das HKS ist im Ablauf als zweistufiges Screening angelegt (siehe Abb. 1). Die initiale Screeninguntersuchung erfolgt im Rahmen der hausärztlichen Primärversorgung. Ergibt sich in dieser Untersuchung ein Verdacht auf Hautkrebs (MM, SCC oder BCC), wird die betroffene Person an einen fachärztlich tätigen Dermatologen überwiesen. Der Facharzt führt eine erneute Screeninguntersuchung durch. Ergibt sich wieder ein Hautkrebsverdacht, veranlasst er eine Biopsie oder Exzision der verdächtigen Stelle(n) mit anschließender histopathologischer Untersuchung. Bei positivem Befund wird die Person der entsprechenden Therapie zugeführt. Neben dem zweistufigen Zugang zum HKS sieht die KFE-RL auch den direkten Zugang über den Dermatologen vor (einstufiges Screening).
Um Screeninguntersuchungen im Rahmen des HKS durchführen und abrechnen zu dürfen, müssen Hausärzte und Dermatologen eine achtstündige, von der KV zertifizierte Fortbildung nachweisen. Im Rahmen der Fortbildung wird insbesondere auf Ätiologie und Risikofaktoren von Hautkrebs, die praktische Durchführung der Ganzkörperinspektion und das Erkennen von krebsverdächtigen Läsionen eingegangen. Für den Bereich der histopathologischen Begutachtung liegt seit 2009 eine Qualitätssicherungsvereinbarung vor, die fachliche, apparative und organisatorische Voraussetzungen, darunter Mindestmengen der jährlich durchgeführten Befundungen definiert.
Inzwischen bieten viele Krankenkassen im Rahmen von Selektivverträgen Erweiterungen zum HKS an, wie die Senkung der Altersgrenze auf 18 Jahre oder die zusätzliche Nutzung der Dermatoskopie im Screening.

Stand der Umsetzung des Hautkrebsscreenings

Zur Beurteilung der Umsetzung des HKS können verschiedene Datenquellen genutzt werden. Laut KFE-RL ist für die Beurteilung der Zielerreichung und der Qualität des HKS eine regelmäßige Auswertung der verbindlichen Routinedokumentation vorgesehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dazu bereits zwei Berichte in Auftrag gegeben, die die Zeiträume von 2009/10 und 2011/13 abdecken (Berichte der BQS – Institut für Qualität und Patientensicherheit). Darüber hinaus liegen weitere Untersuchungen zum HKS, z. B. basierend auf Daten von Krankenkassen, vor.
Tab. 1 zeigt wesentliche Zahlen zum HKS. Bereits vor der Interpretation dieser Zahlen muss auf Limitationen hingewiesen werden, die insbesondere in der unzureichenden Art der Dokumentation des HKS begründet sind. In der Dokumentation des HKS fehlt ein Patientenpseudonym. Damit kann nicht sicher erkannt werden, ob eine Person, die beim Dermatologen untersucht wird, vorher beim Hausarzt war und überwiesen wurde. Ggf. werden Personen so doppelt als Teilnehmer am HKS gezählt. Auch die mehrfache Teilnahme einer Person am HKS lässt sich nicht erkennen. Bei der Nutzung von Krankenkassendaten ist darauf hinzuweisen, dass sich die Versichertenstrukturen der Krankenkassen unterscheiden und damit ist die Repräsentativität der Ergebnisse nicht immer gegeben.
Tab. 1
Zahlen zum Hautkrebsscreening
Anzahl Teilnehmer pro Jahr
7,8 Millionen
Teilnahmerate, Zweijahresintervall, abgeleitet
34 %
Anteil an 60-jährigen Personen im Jahr 2016 mit
 
 - Mindestens 1× HKS in den letzten 8 Jahren
 - Mindestens 2× HKS in den letzten 8 Jahren
 - Mindestens 3× HKS in den letzten 8 Jahren
ca. 58 %
ca. 36 %
ca. 21 %
Beteiligte Hausärzte#
36.140 (von 52.276)
Beteiligte Dermatologen#
3191 (von 3442)
Anzahl primäres HKS#
 
 - Insgesamt
 - Beim Hausarzt
 - Beim Dermatologen
6,9 Millionen
4,3 Millionen
2,6 Millionen
Anzahl sekundäres HKS (Beim Dermatologen)#
0,2 Millionen
Anzahl Biopsien (Beim Dermatologen)#
100.000
Dokumentierte Hautkrebsfälle im Screening#
 
 - Plattenepithelkarzinome
6180
25.583
42.601
Geschätzte Kosten pro Jahr
ca. 154# bis 168 Millionen Euro
Jahr 2016, Versorgungsreport 2019 (Günster et al. 2019)
#Jahr 2013, BQS-Report 2016 (BQS Institut für Qualität und Patientensicherheit 2016), Angaben zu beteiligten Ärzten
jeweils ohne Hamburg
Auf Basis von Krankenkassendaten wird die jährliche Teilnahme am Hautkrebsscreening in Deutschland auf 7,8 Millionen gesetzlich Versicherte geschätzt (s. Tab. 1) (Günster et al. 2019). Damit liegt die Teilnahme, bezogen auf ein zweijähriges Screeningintervall, bei 15,6 Millionen Personen, was einer Teilnahmerate von 34 % der anspruchsberechtigten Bevölkerung entspricht.
Betrachtet man einen vergangenen 8-Jahreszeitraum, z. B. für Personen, die im Jahr 2016 sechzig Jahre alt waren, dann haben seit der Einführung des HKS nur etwa 21 % der Anspruchsberechtigten mindestens drei Screeninguntersuchungen – dies kann als regelmäßige Teilnahme betrachtet werden – in Anspruch genommen. Legt man die 60-jährigen Personen zugrunde, die nur mindestens einmal im 8-Jahreszeitraum beim HKS waren, ergibt sich eine unregelmäßige Teilnahme von etwa 58 % der Anspruchsberechtigten. Das bedeutet auch, dass 42 % der Anspruchsberechtigten noch nie beim HKS waren.
Aus dem zweiten BQS-Bericht (BQS Institut für Qualität und Patientensicherheit 2016) lässt sich entnehmen, dass im Jahr 2013 etwa 69 % der Hausärzte (36.140 von 52.276) und 93 % der Dermatologen (3191 von 3442) aktiv am HKS teilgenommen haben (Zahlen ohne Hamburg). Die Anzahl der initialen Screeninguntersuchungen im Jahr 2013 wird mit 6,9 Millionen angegeben, was etwas geringer ist als die auf Basis von Kassendaten ermittelte Zahl. Etwa 60 % der Screeninguntersuchungen wurden im primärärztlichen Setting durchgeführt, 40 % direkt bei Dermatologen. Zusätzlich wurden im fachärztlichen Setting etwa 210.000 vom Hausarzt überwiesene Patienten sekundär untersucht. Somit wurde etwa jede 20ste Person beim Hausarzt untersuchte Person an einen Facharzt überwiesen, was einer Überweisungsquote von 5 % entspricht.
Insgesamt wurden 160.000 Biopsien beim Dermatologen im Rahmen des HKS dokumentiert, wobei für etwa 30 % aller Fälle, in denen seitens des Facharztes ein Verdacht auf Hautkrebs geäußert wurde, keine Biopsie dokumentiert wurde. Es ist anzunehmen, dass die Anzahl an Biopsien deutlich unterschätzt ist. 74.000 histologisch gesicherte Hautkrebsbefunde (bei ca. 72.000 Personen) lagen für das Jahr 2013 vor. Auf das MM entfielen 6180 Fälle, von denen 52 % als invasives und 48 % als in situ Melanom diagnostiziert wurden, auf das Basalzellkarzinom 42.601 Fälle.
Bei den 25.583 Plattenepithelkarzinomen lag der Anteil der invasiven Befunde nur bei 18 %. Legt man die vom Zentrum für Krebsregisterdaten geschätzte Neuerkrankungszahl von ca. 22.500 pro Jahr für das invasive malige Melanom zugrunde (Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut 2016), dann wurden im Jahr 2013 etwa 15 % aller Melanome im Screening entdeckt. Wie oben bereits angedeutet, sind die vorgelegten Zahlen mit Vorsicht zu interpretieren, Defizite in der Dokumentation (Vollzähligkeit und Vollständigkeit) sind klar ersichtlich.
Hinsichtlich der Kosten des Hautkrebsscreening existieren ebenfalls nur Schätzungen, die im Bereich von 154 bis 168 Millionen Euro pro Jahr liegen (Tab. 1), was etwa 21,50 Euro pro Screening entsprechen würde. Belastbare Analysen zur Kosteneffektivität eines HKS existieren derzeit nicht.

Aktuelle Auswirkungen des HKS auf Hautkrebsinzidenz und -mortalität

Mit Einführung eines Screenings werden in zeitlicher Folge bestimmte Veränderungen in der Inzidenz und Mortalität der entsprechenden Tumorerkrankung erwartet. Unmittelbar mit der Einführung ist von einem deutlichen Anstieg der Inzidenz auszugehen, gefolgt von einem Rückgang, was sich grafisch im sogenannten Prävalenz-Peak zeigen sollte. In der weiteren Folge wird ein Zurückgehen der Häufigkeit von fortgeschrittenen Tumoren erwartet. Wesentlich später sollte sich ein Rückgang der Sterblichkeit der Zielerkrankung einstellen.
Abb. 2 zeigt die aktuelle Entwicklung der Hautkrebsinzidenz und -mortalität in Deutschland vor und nach der Einführung des HKS.
Beim MM lag die altersstandardisierte Inzidenzrate vor der HKS-Einführung bei etwa 14,5 pro 100.000, danach bei etwa 18,3 pro 100.000, was einem Anstieg um etwa 26 % entspricht (Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (GEKID) 2019).
Bei den NMSC fällt der Anstieg mit 45 % noch größer aus. Damit hat sich wie erwartet ein Anstieg der Hautkrebsinzidenz mit Einführung des HKS ergeben, der erwartete Rückgang der Inzidenz hat sich bis 2014 aber noch nicht eingestellt. Möglicherweise ist der Anstieg nicht nur auf vermehrt entdeckte Tumore, sondern zum Teil auch durch eine verbesserte Meldung an die Krebsregister begründet.
Für die Hautkrebsmortalität zeigt sich nach Einführung des HKS für das MM scheinbar ein geringer Anstieg, dieser ist aber im Wesentlichen durch eine Umstellung der Bevölkerungsdaten im Jahr 2011 begründet (neuer Bevölkerungszensus). Ob der zu beobachtende Rückgang der Melanommortalität in den letzten drei Beobachtungsjahren einen Trend andeutet, bleibt abzuwarten.
Analysen des Zentrums für Krebsregisterdaten zur stadienspezifischen Inzidenzentwicklung lassen einen deutlichen Anstieg der Frühstadien beim malignen Melanom erkennen, ein Rückgang der fortgeschrittenen Stadien lässt sich noch nicht erkennen (Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut 2016).

Evidenz zum Hautkrebsscreening

Über den Nutzen und Schaden eines HKS wird national und international kontrovers diskutiert (Jorgensen 2017). Anders als beispielsweise beim Mammografiescreening liegen für das HKS keine randomisierten kontrollierten Studien (RCT) zur Beurteilung einer Mortalitätsreduktion vor. Die U.S. Preventive Task Force folgerte daher in ihrer Stellungnahme vom Juli 2016, dass für eine Bewertung von Nutzen und Schaden eines HKS keine hinreichende Evidenz vorliegt (Bibbins-Domingo et al. 2016). Eine randomisierte kontrollierte Studie in Australien kam wegen fehlender finanzieller Förderung über die Pilotphase nicht hinaus (Aitken et al. 2002). Auf hochwertige Evidenz aus RCTs kann daher bei der Beurteilung des HKS nicht zurückgegriffen werden.
Eine systematische Übersichtsarbeit zum Einfluss der Sekundärprävention auf die Inzidenz und Mortalität von Hautkrebs kam ebenfalls zu dem Resultat, dass die vorhandene Evidenz zum HKS als „very low“ einzustufen ist (Brunssen et al. 2017).
Dennoch zeigt dieser Review, dass der Effekt eines HKS auf Inzidenz und Mortalität in den eingeschlossenen Beobachtungsstudien konsistent in die Richtung geht, die man bei einem wirksamen Screening erwarten würde. So nahm die Inzidenz prognostisch günstigerer Melanome nach der Einführung von Screeningmaßnahmen zu und für ungünstigere ab. Einen Rückgang der Melanomsterblichkeit konnte in zwei internationalen Studien (Schneider et al. 2008; Sitas et al. 2013) (LIT 14,15) beobachtet werden. Im deutschen SCREEN-Projekt (2003–2004), das zur Einführung des nationalen HKS führte, wurde nach der einjährigen Pilotphase eines HKS ein signifikanter Rückgang der Melanomsterblichkeit um ca. 50 % beobachtet (Katalinic et al. 2012), wobei kontrovers diskutiert wird, ob der Rückgang auf das Screening oder andere Effekte zurückzuführen sei (Stang und Jöckel 2016). In einer Follow-up Studie konnte für die gescreenten Teilnehmer am SCREEN-Projekt eine um 40 % verminderte Melanommortalität ermittelt werden (Eisemann et al. 2017).
Die aktuellen epidemiologischen Trends nach der Einführung des nationalen HKS lassen solche Effekte bislang aber noch nicht erkennen. Die (noch) fehlenden Effekte könnten auf eine geringere Intensität des nationalen HKS im Vergleich zum Modellprojekt zurückzuführen sein (Katalinic et al. 2015).
Fasst man die Studienlage zusammen, kann man schlussfolgern, dass die Evidenz für ein Hautkrebsscreening zwar schwach ist (im Sinne eines niedrigen Evidenzlevels), aber dass die vorliegenden Ergebnisse doch auf einen positiven Effekt des HKS hindeuten, und zwar sowohl hinsichtlich Morbidität als auch Mortalität. Es ist anzumerken, dass sich diese Bewertung im Wesentlichen auf das maligne Melanom bezieht. Für den nichtmelanozytären Hautkrebs ist eine Bewertung wesentlich schwieriger, da hier die Mortalität nicht im Vordergrund steht. Ob ein HKS zu weniger invasiven Eingriffen und weniger Rezidiven führt und damit die Morbidität verringert und die Lebensqualität steigert, ist weiter offen. Ebenso fehlen Untersuchungen zur Quantifizierung von möglichem Schaden eines HKS, wie Überdiagnosen oder falsch positive Befunde.
Insgesamt sind somit noch weitere Untersuchungen zur Bewertung der Wirksamkeit eines HKS erforderlich. Da randomisierte kontrollierte Studien nicht (mehr) möglich erscheinen, könnten gute Beobachtungsstudien, z. B. wie eine von der U.S. Preventive Task Force angeregte Fall-Kontroll-Studie, weitere Evidenz erzeugen.

Ausblick

Zur Weiterentwicklung des HKS werden derzeit verschiedene Ansätze verfolgt. Diskutiert wird der Einsatz eines risikoadaptierenden Screenings (Hübner et al. 2017). Hier gilt es aber zunächst ein überzeugendes Modell zu entwickeln und zu testen, das nicht nur theoretisch, sondern auch in der (deutschen) Versorgungsrealität bevölkerungsbezogen umsetzbar ist. Weiter wird an automatisierter Ganzkörperfotografie als Screeningmethode oder an Hautkrebserkennung mit Methoden der „Künstlichen Intelligenz“ gearbeitet (Brinker et al. 2019).

Fazit

Im Jahr 2008 wurde als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ein Hautkrebsscreening mit einer Ganzkörperinspektion als Screeningtest für Personen ab dem Alter von 35 Jahren im zweijährigen Rhythmus eingeführt. Nach Bewertung der aktuellen Evidenz hat ein solches Screening durchaus das Potenzial die Krankheitslast an Hautkrebs und die Hautkrebssterblichkeit zu senken, der endgültige Nachweis steht allerdings noch aus. Bislang ist die Teilnahme am HKS noch gering (34 % im Zweijahresintervall) und auf Bevölkerungsebene haben sich noch keine eindeutigen positiven Screeningeffekte gezeigt. Beides dürfte in der opportunistischen Ausrichtung des HKS mitbegründet liegen. Eine Weiterentwicklung des HKS zu einem organisierten Screeningprogramm – analog den Programmen für Brust-, Darm- und Gebärmutterhalskrebs – scheint dringend geboten.
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