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Ethylglukuronid

Verfasst von: T. Arndt
Ethylglukuronid
Synonym(e)
EtG; Ethyl-β-Glucopyranosiduronsäure
Englischer Begriff
ethyl glucuronide; EtG
Definition
Stoffwechselprodukt von Ethanol, das durch Konjugation von Ethanol und Glukuronsäure entsteht. Strukturformel:
Molmasse
222 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Im menschlichen Organismus werden ca. 0,5 % (bis 1,6 %) der aufgenommenen Ethanolmenge durch Konjugation mit Glukuronsäure in Ethylglukuronid umgewandelt und nach glomerulärer Filtration mit dem Urin ausgeschieden. EtG-Spitzenkonzentrationen im Blut werden 2–3,5 Stunden nach Alkoholaufnahme gefunden. Eine Korrelation zwischen der EtG-Konzentration in Urin und Blut wurde nicht gefunden. Stattdessen existieren offenbar erhebliche interindividuelle Unterschiede im Ethanoldosis-Ethylglukuronidbildungs-Verhältnis. Die Nachweisbarkeitsdauer in Serum oder Urin ist stark dosisabhängig und individuell verschieden. Dabei ist die Serumkonzentration (wenige mg/L) deutlich geringer als jene von Urin (bis mehrere Hundert mg/L). EtG wird über die Haarwurzel in das Haar eingelagert und wächst mit diesem aus der Kopfhaut heraus.
Halbwertszeit
23 Stunden.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum, Urin, Haare, Gewebs- und Leichengewebsproben.
Probenstabilität
EtG ist im Urin mindestens 140 Stunden stabil.
Präanalytik
Eine Kontamination der Probenentnahmebestecke und Probengefäße mit Ethanol ist zu vermeiden.
Analytik
Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS), Flüssigkeitschromatographie-Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS), Immunoassay.
Konventionelle Einheit
mg/L, mg/g.
Referenzbereich – Erwachsene und Kinder
Klassische Referenzbereiche wurden bisher nicht ermittelt. Stattdessen kommen Entscheidungsgrenzen (Cut-offs) zum Einsatz: EtG im Urin: 0,1 mg/L als Abstinenzbeleg (Schubert et al. 2013) oder 0,5 mg/L (klinisch-chemisch); EtG in Haaren: ab 5–7 pg/mg Alkoholkonsum, ab 25–30 pg/mg erhöhter Alkoholkonsum (Schubert et al. 2013).
Indikation
Nachweis einer zurückliegenden Ethanolaufnahme für verkehrs- oder berufsmedizinische Fragestellungen, insbesondere jedoch zur Rückfalldiagnostik im Rahmen der Alkoholentzugsbehandlung.
Interpretation
EtG im Urin
  • Die immer wieder berichteten 3–4 Tage Nachweisbarkeitsdauer von EtG im Urin sind bei moderatem Alkoholkonsum unrealistisch. Da Ethanoldosis, interindividuelle Differenzen im Ethanolmetabolismus und die Nachweisgrenze des Analysenverfahrens über die Nachweisbarkeitsdauer entscheiden, sind stattdessen allgemeine Aussagen nicht möglich. Geringe Ethanolmengen, entsprechend z. B. 1–2 Glas Wein oder 1 Flasche Bier (typische Rückfallsituation unter Ethanolentzugstherapie), sind gewöhnlich nur ca. 12–24 Stunden über EtG im Urin nachweisbar.
  • Bereits 1 g Ethanol kann zu einem positiven EtG-Nachweis im Urin führen. Deshalb sind unter Abstinenzauflage alle offenen und verdeckten exogenen Ethanolquellen konsequent zu meiden.
  • EtG kann im bakteriell besiedelten Urin durch die Wirkung bakterieller Glukuronidasen abgebaut werden, wodurch falsch negative Befunde bzgl. Ethanolaufnahme resultieren können.
  • EtG kann bei Anwesenheit von Glukose im Urin (Diabetiker) und Hefe in vitro gebildet werden (Vergärung der Glukose durch Hefe zu Ethanol und anschließend Konjugation mit Glukuronsäure zu EtG), was zu falsch positiven Befunden führen kann.
  • EtG wird auch nach inhalativer Exposition gegenüber ethanolhaltiger Umgebungsluft, z. B. bei Händedesinfektion, gebildet und dosisabhängig in z. T. deutlich über den aktuellen Cut-offs liegenden Konzentrationen im Urin ausgeschieden.
  • Falsch positive immunologische EtG-Befunde können auftreten durch Kreuzreaktion des EtG-Antikörpers mit Trichlorethylglukuronid (Chloralhydratmedikation), mit Hexafluoroisopropyl-Glukuronid (Abbauprodukt des Inhalationsanästhetikums Sevofluran), mit n- und iso-Pentylglukuronid (Inhalation n- und/oder iso-Propanol-haltiger Desinfektionsmitteldämpfe oder Lösungsmittelabusus) sowie mit Glukuroniden von Methanol, Butanolen und Pentanolen (Begleitstoffe von Alkoholika oder Lösungsmittelabusus).
  • Zur zusätzlichen Erhöhung der diagnostischen Spezifität wird der parallele Nachweis von Ethylsulfat im Urin empfohlen.
EtG in den Haaren
  • Die hydrophilen Eigenschaften von EtG führen mit den üblichen Haarpflegemaßnahmen und der Alterung des Haares zu Ausspülung und Abbau von EtG. Trotz ggf. gleichbleibenden Ethanolkonsums werden dadurch mit zunehmender Entfernung des untersuchten Haarsegmentes von der Kopfhaut abnehmende EtG-Konzentrationen und ggf. falsch negative Befunde bzgl. Ethanolaufnahme erhalten.
  • Haaranalysen auf EtG sollten sich deshalb auf das 0–3-cm-Segment beschränken. Dieses ermöglicht eine diagnostische Rückschau auf ca. 3,5 Monate (0,5 Monate Wachstum in der Kopfhaut + ca. 1 cm/Monat für Kopfhaar). Bei der Untersuchung alternativer Haarproben (z. B. von Achseln, Bart, Brust, Scham) sind die z. T. deutlich abweichend durchschnittlichen Wuchsgeschwindigkeiten zu beachten.
  • Ethanolhaltige Haarkosmetika sind ohne Einfluss auf die EtG-Konzentration im Haar, aber EtG-haltige Haarkosmetika können, auch nach sorgfältiger Dekontamination im Rahmen der Probenvorbereitung, zu analytisch richtig positiven, aber bzgl. Ethanolaufnahme falsch positiven EtG-Befunden führen (was als Hinweis auf eine Einlagerung von exogenem EtG in die Haarstruktur gewertet wird).
  • Ob eine chronisch inhalative Exposition gegenüber ethanolischen Dämpfen zur Einlagerung von EtG in das Haar führt, ist derzeit noch nicht untersucht.
Diagnostische Wertigkeit
EtG im Urin: Der massenspektrometrisch erhobene EtG-Befund im Urin ist ein spezifischer Kurzzeitmarker einer Ethanolaufnahme oder Ethanolexposition. EtG im Urin kann die diagnostische Lücke zwischen den Kenngrößen einer unmittelbaren Ethanolintoxikation (Ethanol), einer ca. 1 Tag zurückliegenden Alkoholaufnahme (Ethanol im Urin) und den Kenngrößen eines chronischen Alkoholmissbrauchs (Carbohydrate-deficient transferrin und γ-Glutamyltransferase) verkürzen, wenn jegliche Quellen einer unbeabsichtigten oralen (z. B. Nahrungskonservierungsmittel, Kochen mit Wein etc.) oder inhalativen (z. B. Desinfektions-, Reinigungs- und Hygieneartikel) Ethanolaufnahme zuverlässig ausgeschlossen werden.
EtG in Haaren: Der massenspektrometrische Nachweis von EtG in den Haaren ist bei Ausschluss exogener EtG-Quellen ein Langzeitmarker für eine Ethanolaufnahme.
Literatur
Arndt T, Buschmann HC, Schulz K, Stemmerich K (2017) Lessons learned from a case of tert-butyl glucuronide excretion in urine – „New“ Psychoactive Alcohols knocking on the back door? Forensic Sci Int 281:9–12.CrossRef
Arndt T, Grüner J, Schröfel S, Stemmerich K (2012) False-positive ethyl glucuronide immunoassay screening caused by a propyl alcohol-based hand sanitizer. Forensic Sci Int 223:359–363CrossRef
Arndt T, Schroefel S, Guessregen B, Stemmerich K (2014) Inhalation but not transdermal resorption of hand sanitizer ethanol causes positive ethyl glucuronide findings in urine. Forensic Sci Int 237:126–130CrossRef
Schubert W, Dittmann V, Brenner-Hartmann J (Hrsg) (2013) Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, 3. Aufl. Kirschbaum, Bonn
Sporkert F, Kharbouche H, Augsburger MP, Klemm C, Baumgarten MR (2012) Positive EtG findings in hair as a result of a cosmetic treatment. Forensic Sci Int 218:97–100CrossRef