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Glukose

Verfasst von: K. J. Lackner und D. Peetz
Glukose
Synonym(e)
D-Glukose; Dextrose
Englischer Begriff
glucose
Definition
Hexose mit der Summenformel C6H12O6.
Strukturformel:
Molmasse
180,16 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Als zentrales Molekül des Kohlenhydratstoffwechsels kann Glukose sowohl endogen synthetisiert (Glukoneogenese) als auch mit der Nahrung aufgenommen werden. Hauptorgan der Glukoneogenese ist die Leber. Als Energieträger wird Glukose in der Glykolyse anaerob zu C3-Einheiten (Pyruvat bzw. Laktat) abgebaut, die aerob unter Energiegewinnung weiter zu CO2 und Wasser abgebaut werden. Kurzfristige Speicher für nicht benötigte Glukose in Form von Glykogen existieren in der Leber und der Muskulatur. Glukose wird frei in den Urin filtriert und nahezu vollständig tubulär rückresorbiert.
Halbwertszeit
Die Glukosekonzentration im Blut wird in engen Grenzen konstant gehalten. Nach einer oralen Glukosegabe von 75 g werden nach ca. 2–4 Stunden wieder die Ausgangswerte erreicht (s. a. Glukosetoleranztest, oral, oGTT).
Funktion – Pathophysiologie
Glukose ist neben Fettsäuren der wichtigste zelluläre Energieträger. Neuronen und das Nierenmark nutzen Glukose bevorzugt. Störungen des Glukosestoffwechsels führen zu Hyper- oder Hypoglykämien. Die Hyperglykämie im Nüchternzustand ist das Kardinalmerkmal des Diabetes mellitus. Hypoglykämien können spontan, postprandial, alkoholinduziert oder als Folge einer antidiabetischen Therapie auftreten. Daneben gibt es Störungen des zellulären Glykogenstoffwechsels, die zu Veränderungen der Plasmaglukose, meist Hypoglykämien, führen.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum, Plasma, Vollblut; venös, kapillär. Die Wahl des Untersuchungsmaterials hängt von den jeweiligen organisatorischen Gegebenheiten ab. Bevorzugtes Material ist venöses Plasma, auf das sich auch die meisten publizierten Grenzwerte beziehen. In der folgenden Tabelle sind die Unterschiede zwischen den Materialien angegeben. Evtl. sich daraus ergebende Einflüsse auf die Werte sind bei der Interpretation zu berücksichtigen.
Materialabhängige Interpretation von Glukosewerten:
 
Unterschied zu venösem Plasma (%)
Nüchtern
Postprandial
Kapilläres Plasma
±
+5–15
Venöses Vollblut
↓ 10–15
↓ 10–15
Kapilläres Vollblut
↓ 10–15
±
Daraus ergibt sich in den WHO-Empfehlungen (s. u.), dass die Grenzwerte für Nüchternproben für kapilläres und venöses Plasma gleich sind, während sie sich postprandial unterscheiden. Dagegen sind die Grenzwerte postprandial oder nach oGTT für kapilläres Vollblut und venöses Plasma identisch.
Die Entnahmebedingungen sind abhängig von der Fragestellung. In der Erstdiagnostik genügt zunächst eine zufällige Blutentnahme ohne spezifische Patientenvorbereitung. Bei weder eindeutig normalen (<100 mg/dL) oder diabetischen (>200 mg/dL) Werten erfolgt eine Entnahme beim mindestens 12 Stunden nüchternen Patienten.
Probenstabilität
Aufgrund der Glykolyse der Erythrozyten nimmt die Glukosekonzentration in Vollblutproben kontinuierlich ab. Die Rate hängt dabei hauptsächlich von der Temperatur und dem Hämatokrit (Neugeborene!) ab. Sie beträgt bei Raumtemperatur ca. 4–8 mg/dL pro Stunde.
Präanalytik
Blutentnahme in Spritzen bzw. Kapillaren mit effektivem Glykolyseinhibitor wird empfohlen, wenn eine Plasmaseparation innerhalb von 30 Minuten nicht möglich ist. Inhibition mit Na-Fluorid ist in den ersten 4 Stunden nach Blutentnahme nicht ausreichend effektiv, weshalb heute Kombinationen von Na-Fluorid mit einem sauren Zitratpuffer (pH 5,3–5,9) empfohlen werden. Wenn keine unmittelbare Weiterverarbeitung der Probe organisatorisch möglich ist (im ambulanten Sektor die Regel), ist der Glykolyseinhibitor obligat. Bei Kapillarblutentnahme wird je nach weiterer Verarbeitung unmittelbar hämolysiert und enteiweißt.
Analytik
Für die Glukosebestimmung existiert eine definitive Methode, die auf Isotopenverdünnung basiert. Als Referenzmethode (Referenzmessverfahren) gilt die enzymatische Bestimmung mit Hexokinase nach Enteiweißung der Probe. In der Routineanalytik kommen die Hexokinase-Methode, die Glukoseoxidase-Methode und die Glukose-Dehydrogenase-Methode zum Einsatz.
Konventionelle Einheit
mg/dL.
Internationale Einheit
mmol/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
0,0555.
Referenzbereich – Erwachsene
Nüchtern 65–100 mg/dL im venösen Plasma.
Referenzbereich – Kinder
S. Erwachsene.
Indikation
Verdacht auf Diabetes mellitus, Hypoglykämien, Therapiekontrolle des Diabetes mellitus
Interpretation
In Tab. 1 ist die Interpretation von Glukosewerten gemäß den Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft und anderer Fachgesellschaften dargestellt (s. a. Glukosetoleranztest, oral).
Tab. 1
Interpretation von Glukosewerten gemäß den Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft und anderer Fachgesellschaften
 
Venös
mg/dL (mmol/L)
Kapillär
mg/dL (mmol/L)
Venös
mg/dL (mmol/L)
Kapillär
mg/dL (mmol/L)
Diabetes mellitus
- Nüchtern
- 2-Stunden-Wert oGTT
≥126 (≥7,0) oder
≥200 (≥11,1)
≥126 (≥7,0) oder
≥220 (≥12,2)
≥110 (≥6,1) oder
≥180 (≥10,0)
≥110 (≥6,1) oder
≥200 (≥11,1)
Gestörte Glukosetoleranz
- Nüchtern
- 2-Stunden-Wert oGTT
<126 (<7,0) und
140–199 (7,8–11,0)
<126 (<7,0) und
160–219 (8,9–12,2)
<110 (<6,1) und
120–179 (6,7–10,0)
<110 (<6,1) und
140–199 (7,8–11,0)
Abnorme Nüchternglukose
- Nüchtern
- 2-Stunden-Wert oGTT
100–125 (5,6–6,9) und
<140 (<7,8)
100–125 (5,6–6,9) und
<160 (<8,9)
90–109 (5,0–6,0) und
<120 (<6,7)
90–109 ((5,0–6,0) und
<140 (<7,8)
Diagnostische Wertigkeit
Der Blutglukosewert ist neben dem Hämoglobin A1c der entscheidende Analyt für die Diagnose eines Diabetes mellitus. Bei Werten nahe an den Entscheidungsgrenzen werden wiederholte Messungen zur Sicherung der Diagnose empfohlen. Ggf. Ist ein oGGT (Glukosetoleranztest, oral) erforderlich.
Literatur
American Diabetes Association (2016) Classification and diagnosis of diabetes. Sec. 2. In standards of medical care in diabetes 2016. Diabetes Care 39(suppl 1):S13–S22
Müller-Wieland D, Petermann A, Nauck M et al (2016) Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. Diabetologie 11(Suppl 2):S78–S81