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Heparansulfat-Proteoglykane

Verfasst von: H. -D. Haubeck
Heparansulfat-Proteoglykane
Englischer Begriff
heparan sulfate proteoglycans; heparan sulphate proteoglycans
Definition
Heparansulfat-Proteoglykane bilden eine große, heterogene Gruppe von Proteoglykanen, die an zahlreichen wichtigen biologischen Prozessen, wie der Kontrolle von Zellproliferation und Differenzierung, von Tumorinvasion und Metastasierung, aber auch der Kontrolle des Gerinnungssystems, beteiligt sind.
Beschreibung
Heparansulfat-Proteoglykane bilden eine heterogene Familie von komplexen Makromolekülen, deren Grundstruktur aus einem Core-Protein besteht, an das eine oder mehrere Heparansulfat-Glykosaminoglykan-Ketten gebunden sind. Die Heparansulfatketten bestehen, wie das eng verwandte Heparin (Heparin und Heparinoid), aus repetitiven Disaccharideinheiten aus N-Acetyl-Glukosamin und Glukuronsäure bzw. der C5-epimeren Iduronsäure, wie die folgende Abbildung zeigt:
Diese Heparansulfatketten unterliegen während der Biosynthese umfangreichen Modifikationen, welche die Ausbildung spezifischer Domänen für die Interaktion mit zahlreichen Liganden ermöglichen. Dabei erfolgt, im Anschluss an die Synthese der Bindungsregion (linkage region: Glukuronsäure-Galaktose-Galaktose-Xylose) an spezifischen Serinresten des Core-Proteins, die Kettenverlängerung durch die Polymerasen EXT1 und EXT2. Beide Polymerasen besitzen Glukuronyl-Transferase- und N-Acetyl-Glukosamin-Transferase-Aktivität und bilden ein Dimer, das für die maximale Transferaseaktivität benötigt wird. Beim Menschen führt ein heterozygoter Defekt des EXT1-Gens zum Auftreten von multiplen Exostosen, d. h. benignen Knochentumoren, und weiteren Skelettanomalien, während ein homozygoter EXT1-Gendefekt nicht beschrieben ist. Wahrscheinlich ist dieser Gendefekt letal, wie bei EXT-1-defizienten (Knock-out-)Mäusen, die in der frühen Embryonalphase (Gastrulationsphase) versterben. Die wachsende Heparansulfatkette wird durch verschiedene Enzyme (NDST, C5-Epimerase, Sulfotransferasen) weiter modifiziert, wobei der NDST (Glucosaminyl-N-Deacetylase/N-Sulfotransferase), die die Acetylgruppe von N-Acetyl-Glukosamin durch eine Sulfatgruppe ersetzt, eine Schlüsselrolle zukommt, da die weiteren Modifikationen nur in der Nachbarschaft solcher N-Sulfatgruppen erfolgen. Die Bedeutung dieser verschiedenen Modifikationen ergibt sich aus dem Phänotyp der entsprechenden gendefizienten (Knockout-)Mäuse, z. B. der fehlenden Nierenbildung (renale Agenesie) beim 2-O-Sulfotransferase-Defekt. Das Ergebnis des komplexen biosynthetischen Prozesses sind Heparansulfatketten, auf denen Cluster von N- und O-sulfatierten Zuckerresten durch nicht modifizierte Bereiche getrennt werden. Diese Cluster bilden spezifische Domänen für die Interaktion mit zahlreichen Liganden, zu denen neben Zytokinen und Wachstumsfaktoren (FGFs, VEGF, TGF-β1, TGF-β2, PDGF, IL-8 etc.) Komponenten der extrazellulären Matrix, Proteasen, Proteaseinhibitoren, Lipasen, Lipoproteine, Gerinnungsfaktoren, aber auch virale Proteine gehören. Ein Beispiel ist ein Pentasaccharid in Heparin und Heparansulfat, das eine 3-O-Sulfatgruppe enthält und spezifisch Antithrombin III (AT-III) bindet. Diese Bindung induziert eine Konformationsänderung im AT-III-Molekül, die zu einem starken Anstieg der AT-III-Aktivität, d. h. der Inaktivierung von Thrombin und Faktor Xa, führt.
Heparansulfat-Proteoglykane kommen in fast allen Zellen und Geweben vor. Sie sind ein wichtiger Bestandteil von Zellmembranen (s. Abbildung), Basalmembranen und der extrazellulären Matrix.
Struktur von Zelloberflächen-Heparansulfat-Proteoglykanen (HS-PG):
Verschiedene Familien von Heparansulfat-Proteoglykanen wurden beschrieben. Neben Perlecan und Agrin, die überwiegend in Basalmembranen vorkommen, sind hier die Familie der Syndecane (Syndecan 1–4) und die Familie der Glypicane (Glypican 1–6) zu nennen. Während die Syndecane in der Zellmembran über eine klassische Transmembrandomäne verankert sind, besitzen die Glypicane einen Glykosyl-Phosphatidyl-Inositol-Anker. Zellmembran-ständige Heparansulfat-Proteoglykane, zu denen auch Betaglykan gehört, besitzen vielfältige Aufgaben u. a. als Corezeptoren für Zytokine und Wachstumsfaktoren.
Literatur
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