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Ko-Therapien im Kindes- und Jugendalter

Verfasst von: Thorsten Sukale, Gerhard Libal, Ramona Emmerich, Thomas Stegemann und Anna Sacher Santana
Die therapeutischen Angebote im kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Kontext sind vielfältig. Neben den psychotherapeutischen Verfahren gibt es den Bereich der funktionellen Therapien und Kreativtherapien. Im klinischen Kontext werden diese Therapieangebote oft auch als Ko-Therapien bezeichnet. Die Ko-Therapien nehmen in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen eine bedeutende Rolle ein. Zum einen als nonverbales Interaktions- und Reflexionsmedium oder auch als aktivierendes Element auf der Handlungsebene. In diesem Kapitel sollen zunächst die gängigsten Verfahren der funktionellen Therapien und Kreativtherapien vorgestellt werden (Ergo-, Kunst- und Musiktherapie). Ziel ist es, zu verdeutlichen, welchen Auftrag diese Therapieangebote haben und was diese unterschiedlichen Berufsgruppen durch das Behandlungssetting in einem interdisziplinären Team mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern beabsichtigen. Zu den funktionellen Therapien gehören Angebote wie Arbeitstherapie, Ergotherapie, oder körperorientierte Angebote (z. B. Physiotherapie, Sporttherapie). Zu den kreativtherapeutischen Angeboten zählen beispielsweise Musiktherapie, Kunsttherapie oder Tanztherapie. In diesem Kapitel werden auch weitere therapeutische Interventionen in Kürze beschrieben, um die Vielfältigkeit in diesem Bereich zu dokumentieren. Dies ist keine abgeschlossene Aufzählung und beansprucht nicht, dass alle Angebote vollständig dargestellt sind.

Ergotherapie

Besonderheiten in der kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Behandlung

Die Ergotherapie hat in den letzten Jahrzehnten einen festen Platz in den Behandlungsempfehlungen bei psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter eingenommen. Dies hat vor allem zwei Gründe. Zum einen profitieren im Besonderen Kinder mit umschriebenen motorischen Entwicklungsstörungen (ICD-10 F82) von den therapeutischen Ansätzen der Ergotherapie (AWMF online 2011), was sich auch in Meta-Analysen belegen lässt (Smits-Engelsman et al. 2013). Die therapeutischen Ansätze der Ergotherapie und verschiedener spezialisierter Verfahren, die in weiterer Folge in der Ergotherapie Anwendung fanden, wurden zunehmend auch bei Störungsbildern wie der einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ADHS) und den Störungen aus dem autistischen Spektrum (Autismus-Spektrum-Störungen, ASS) angewendet. Als ein Beispiel sei die sensorische Integration nach Jean Ayres erwähnt (Ayres 1992). Dies wiederum hat drei Gründe. Zum einen haben viele Kinder, bei denen diese Störungsbilder diagnostiziert werden, unter anderem Defizite in der motorischen Entwicklung. Zur Behandlung motorischer Entwicklungsstörungen, aber auch vor allem zur Behandlung kombinierter Entwicklungsstörungen, wurden in der Ergotherapie neben kompetenzzentrierten Methoden zur Verbesserung der Fein- und Grobmotorik auch Methoden zur Verbesserung der Planung von Arbeits- und Handlungsabläufen sowie wahrnehmungszentrierte Methoden zur Verbesserung der Reizwahrnehmung, der Selbstwahrnehmung und Selbstregulation angewandt (DVE 2014). Auch ausdruckszentrierte Methoden, bei denen sich die jungen Patientinnen und Patienten mit ihren inneren Zuständen, Gefühlen und Stimmungen auseinandersetzen und sich in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Materialen (harten wie Holz oder weichen wie Ton) selbst besser kennenlernen können sowie interaktionelle Methoden, die in Kleingruppen angewendet werden, haben zunehmend Eingang in die ergotherapeutische Praxis gefunden.

Stand der Forschung

Heute gehört die ergotherapeutische Behandlung bei Kindern zu einer Therapiemaßnahme, die in vielen Fällen auch in Behandlungsempfehlungen zu psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter einen prominenten Platz einnimmt. Diese Stellung ist jedoch besonders erstaunlich, weil Ergotherapie häufig als Monotherapie bei Störungsbildern wie ADHS oder ASS verordnet wird (Gebhardt et al. 2008), obwohl weiterhin aussagekräftige Studien über eine spezielle Wirksamkeit von Ergotherapie bei Kindern und Jugendlichen in der wissenschaftlichen Literatur fehlen (Hakimi 2005). Dies gilt eben im Besonderen für die Störungsbilder ADHS und ASS, bei denen in allen gültigen Behandlungsempfehlungen und Leitlinien ein multimodaler therapeutischer Zugang empfohlen wird, aber auch für die kombinierten Entwicklungsstörungen und die Störungen schulischer Fertigkeiten (Lese-Rechtschreibstörung, Rechenstörung). In der zuletzt 2017 aktualisierten AWMF-Leitlinie (S3) ADHS im Kindes-, Jugendlichen- und Erwachsenenalter wird die Ergotherapie als Therapieverfahren bei diesem Störungsbild nicht ausdrücklich erwähnt, aber die Anwendung von multimodalen Prävention- und Therapieprogrammen auch im Rahmen der Ergotherapie empfohlen. Ziel ist hier vor allem die Förderung und Unterstützung der Spiel- und Beschäftigungsintensität, das Einüben von Handlungsabläufen und die Bewältigung anstehender Entwicklungsaufgaben. Fokus sollte dabei auf der Generalisierung von Verhaltensänderungen auf Handlungsebene im Alltag des Kindes gelegt werden. Zusätzlich können kindzentrierte Interventionen zur Verminderung von Entwicklungsdefiziten, oppositioneller Verhaltensweisen, anderen Verhaltensauffälligkeiten und emotionale Probleme adressiert werden (AWMF 2017). Ein wesentlicher Faktor ist auch, dass eine ergotherapeutische Behandlung unter finanziellen Aspekten für das Gesundheitswesen durchaus kostengünstiger ist als die im Vergleich teureren psychotherapeutischen Behandlungsangebote. Hiermit steht eine oft leichter verfügbare und kostengünstigere Behandlungsmethode, die jedoch kaum wissenschaftliche Evidenz zur Behandlung verschiedener Störungsbilder vorweisen kann, psychotherapeutischen Methoden gegenüber, die in Therapiestudien zwar Effizienz nachweisen können, aber oft teurer und schwerer verfügbar (räumliche Entfernung zum Therapeuten in ländlichen Gebieten und Wartezeiten) sind. Ein Schluss daraus wäre die Forderung (und letztlich auch Förderung) von Therapiestudien (aber auch Grundlagenstudien) für die ergotherapeutischen Behandlungsansätze (Jacobson et al. 2016).

Zielsetzung

Ergotherapie im Rahmen eines multimodalen kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlungsplanes hat als Therapieziele die Stabilisierung, Förderung und Wiederherstellung von:
  • psychischen Grundfunktionen (u. a. Eigenantrieb, intrinsische Motivation, Belastbarkeit, emotionale Stabilität, Leistungsbereitschaft, Ausdauer, Steigerung der exekutiven Funktionen),
  • emotionalen Fähigkeiten (u. a. psychische Stabilität, Impulsregulation, Empathiefähigkeit, Frustrationstoleranz, Resilienz – psychische Widerstandsfähigkeit),
  • Interaktions-, Kommunikationsfähigkeit sowie sozialer Kompetenzen,
  • Introspektion und realistischer Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie -einschätzung,
  • einem positiven Selbstbild, Selbstvertrauen und Selbst bewusstsein,
  • exekutiven Funktionen (u. a. Arbeitsgedächtnis, Verarbeitungsgeschwindigkeit, wahrnehmungsgebundenes logisches Denken, fluides Schlussfolgern, räumlich-visuelle Verarbeitung, Sprachverständnis),
  • lebensrelevanten Fertigkeiten und von Strategien zum Selbstmanagement,
  • Selbstversorgung und Selbstständigkeit.

Therapeutische Rahmenbedingungen

In der ambulanten und auch stationären kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Behandlung wird die Ergotherapie am häufigsten für die Störungsbilder ADHS und ASS empfohlen. Bei diesen Störungsbildern sollte eine Ergotherapie immer im Rahmen der gültigen Behandlungsempfehlungen und Leitlinien Teil eines multimodalen Therapieansatzes sein.
Eine ergotherapeutische Maßnahme kann als motorisch-funktionelle, als sensomotorisch-perzeptive oder als psychisch-funktionelle Behandlung erfolgen, die als Einzel- oder Gruppenbehandlungen durchgeführt werden kann (G-BA 2017).
In der stationären Behandlung hat die Ergotherapie eine wichtige Funktion in einem multidisziplinären Behandlungskonzept und wird bei verschiedenen Störungsbildern als Teil eines multimodalen Behandlungsplans eingesetzt.

Methoden

Kompetenzzentrierte Methode

Durch alltägliche Übungen und das Nutzen lebenspraktischer, handwerklicher und/oder arbeitsbezogener Materialien werden Tätigkeiten gefördert, die zur Verbesserung der Handlungsplanung und -ausführung, des strukturierten Vorgehens und der Entwicklung von Problemlösungsstrategien beitragen. Der Patient soll eine bessere Selbsteinschätzung (Introspektion) erlangen und sich selbstwirksam erleben, um sich im Alltag besser orientieren zu können.

Interaktionelle Methode

Darunter ist vor allem ein prozessorientiertes Gruppenangebot zu verstehen, z. B. ein soziales Kompetenztraining. Durch soziozentrierte, interaktionelle Aufgaben stehen soziale Kompetenzen und Interaktionsfähigkeit, Selbst- und Fremdwahrnehmung, Kommunikations- und Beziehungsfähigkeiten, Kritik und Konfliktfähigkeiten sowie situationsadäquates Verhalten im Vordergrund.

Ausdruckszentrierte Methode

Diese Methode basiert auf einem tiefenpsychologischen Konzept. Die subjektbezogenen, ausdruckszentrierten Tätigkeiten sollen dem Patienten Möglichkeiten bieten über kreatives, gestalterisches Handeln sich selbst wahrnehmen zu lernen. Wahrnehmung von Erlebnisqualitäten des eigenen Lebens hat eine enorm große Bedeutung für die eigene Ich-Entwicklung, d. h. zu lernen, Wünsche, Bedürfnisse und Gefühle schwerpunktmäßig nonverbal, aber auch verbal zum Ausdruck zu bringen. Der Gestaltungsprozess steht im Vordergrund mit dem Ziel des besseren Selbstverständnisses und der dahintersteckenden Verhaltensreaktionen.

Kognitives Training

Diese neuropsychologische Behandlung nutzt aktuelle wissenschaftliche Forschungen und Kenntnisse, die belegen, wie kognitive Fertigkeiten und Fähigkeiten, u. a. Konzentration und Merkfähigkeit, positiv beeinflusst werden können.

ADL-Training

Beim ADL-Training (Training der Aktivitäten des täglichen Lebens) werden praktische, alltagsrelevante Tätigkeiten in Einzel- oder Gruppentherapie konkret geübt.

Spezifisch für Störungsbilder entwickelte Therapieverfahren

Dazu gehören Verfahren wie das Ergotherapeutische Trainingsprogramm bei ADHS (ETP-ADHS) nach Winter und Arasin (2007), das Marburger Konzentrationstraining (Krowatschek et al. 2007) und das Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern nach Lauth und Schlottke (2009). Für diese Therapieverfahren, die im Wesentlichen Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie einsetzen, fehlt jedoch der eindeutige Wirksamkeitsnachweis oder es finden sich teilweise widersprüchliche Ergebnisse (AWMF online 2017).

Bewegungstherapie

In der Bewegungstherapie erfahren Kinder und Jugendliche, wie sie selbstbestimmt handeln und Lebenskrisen besser bewältigen können. Im Tanz entsteht ein neues Körpergefühl, Selbstwertgefühl und neue Lebensschritte werden erprobt. Bewusst werden der eigenen Persönlichkeit, das eigene Bewegungsrepertoire erkennen und kreativ so zu modifizieren, dass dadurch eine Veränderung des Körper- und Selbstbewusstseins entsteht, sind Schwerpunkte der Zielsetzung.

Soziales Kompetenztraining

„Mein Kind ist ständig in Streitereien verwickelt“ oder „Die Lehrer berichten, dass mein Kind sehr zurückgezogen ist und sich im Gruppengeschehen wenig beteiligt.“ Hier geht es darum Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln und anzuwenden, um die soziale Kompetenz zu steigern. Das geschieht u. a. über klare Strukturen und Regeln, themenzentriertes Arbeiten, kreativ-therapeutische Methoden, spielerische Übungen, Kommunikation, Eigen- und Fremdwahrnehmung und Ressourcen entdecken und stärken.

Empfehlung für die Praxis

Die Ergotherapie hat aus vielen methodischen und praktischen Gründen heute einen festen Platz in der ambulanten und stationären kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Behandlung. Dies gilt eben im Besonderen für die Störungsbilder ADHS und ASS. Aus den dargestellten methodischen Ansätzen sowie durchaus auch aus praktischen Überlegungen sollten ergotherapeutische Behandlungsepisoden zumindest ergänzend als Therapiebaustein eingesetzt werden. Die klinische Erfahrung zeigt, dass sowohl bei diesen beiden Störungsbildern, aber auch bei kombinierten Entwicklungsstörungen oder Störungen schulischer Fertigkeiten (Lese-Rechtschreibstörung, Rechenstörung) eine Ergotherapie gute Voraussetzungen für die weitere Entwicklung und letztlich auch eine gute Basis für darauf folgende psychotherapeutische Therapieansätze (kognitive Verhaltenstherapie, Lerntherapie) bereiten kann. Zu den Faktoren, die sehr für den Einsatz der Ergotherapie im Kindes- und teilweise auch im Jugendalter sprechen, zählen die häufig gute Akzeptanz der Therapiemethode bei (jüngeren) Kindern, die gute Bewertung der Ergotherapie im Elternurteil sowie die in vielen Regionen mit psychotherapeutischer Unterversorgung bessere Verfügbarkeit von ergotherapeutischen Behandlungsplätzen. Diese Faktoren sollten jedoch auf keinen Fall dazu führen, dass ambulante ergotherapeutische Behandlungen über viele Verschreibungen und letztlich über viele Jahre hinweg ohne kritische fachärztliche Überprüfung (am besten unter Einbezug von ergotherapeutischen Fachkräften im Rahmen einer sozialpsychiatrischen Praxis oder Klinik) durchgeführt werden (G-BA 2017). Auch wenn sich Eltern oft ein Fortsetzen der Ergotherapie über Jahre wünschen, steht diesem Wunsch die fehlende wissenschaftliche Evidenz für vor allem lange Episoden mit kontinuierlicher Ergotherapie entgegen. Der Stellenwert der Ergotherapie bei der Behandlung der dargestellten Störungsbilder liegt vor allem darin, dass sie einen durchaus wichtigen Baustein in multimodalen Behandlungskonzepten darstellen. Im Besonderen können Kinder, die (oft kombinierte) Defizite in den Bereichen motorische Entwicklung, Motivation, Arbeitsgedächtnis, Handlungsplanung und -umsetzung (exekutive Funktionen) haben, von ergotherapeutischen Therapiemaßnahmen profitieren. In diesem Rahmen sollten ergotherapeutische Therapieansätze auf überschaubare und somit kürzere Behandlungsepisoden beschränkt sein, die – je nach anstehenden Entwicklungsaufgaben – auch als wiederholte Behandlungsepisoden zum Einsatz kommen können.

Arbeitstherapie

Die Arbeitstherapie hat den Fokus, das Leistungsvermögen speziell von jugendlichen Patienten zu erfassen und das Funktionsniveau zu verbessern. Es wird durch strukturierte und zielorientierte Aufgaben, die man auch gut überprüfen kann, an beeinträchtigten Arbeitsfähigkeiten gearbeitet. Die Überprüfbarkeit ermöglicht es dem Therapeuten eine direkte Rückmeldung zu geben.
Folgende Arbeitsfertigkeiten spielen eine Rolle (vgl. Köser 2008):
  • elementare Arbeitsfähigkeiten, wie z. B. Belastbarkeit, Konzentration, Ausdauer und Arbeitsplanung,
  • soziale Arbeitsfähigkeiten, wie z. B. Teamarbeit, Kritikfähigkeit und Durchsetzungsvermögen,
  • berufsspezifische Arbeitsfähigkeiten,
  • emotionale Arbeitsfertigkeiten, wie z. B. Interesse, Antrieb, Motivation,
  • Arbeitsfähigkeiten im Bereich des Selbstbildes, wie z. B. Selbstvertrauen, Selbstwahrnehmung, Verant wortung.
Durch die funktionale Ebene des Angebotes sollen Alltagsfunktionen gestärkt und somit die Selbstwirksamkeitserwartungen der Patienten verbessert werden. Durch das niedrigschwellige Angebot, welches einen hohen Aufforderungscharakter besitzt, gelingt es auch auf nonverbaler Ebene, dass sich Patienten leichter öffnen können, weil sie Problemstellungen nicht so konkret ansprechen müssen. Arbeitstherapeutische Maßnahmen sind häufig langfristig angesetzt, dadurch lernen Arbeitstherapeuten die Jugendlichen über lange Zeit gut kennen, vor allem auch in akuten Leistungsstresssituationen, welche bewusst in der Therapie entstehen. In solchen Stresssituationen kann der Körper durch störungsspezifische Symptome an seine Leistungsgrenzen gelangen.
Arbeitstherapeuten sehen sich oft als Brücke zwischen Jugendlichen und Eltern, Ausbildung und Schule. Im klinischen Setting sind Arbeitstherapeuten in institutionelle Arbeitsabläufe eng eingebunden. Das interdisziplinäre Arbeiten ermöglicht es, dass Informationen über den Jugendlichen direkter und schneller an andere Fachpersonen weitergegeben werden können.

Kunsttherapie

Kunsttherapie kommt zum Einsatz, wenn das Wort allein nicht reicht!
In allen Formen der Gesprächstherapie steht der verbale Zugang, das Wort, im Vordergrund. Es ist ein primär mentaler Zugang. In der Kunsttherapie werden zusätzlich, durch die Arbeit mit unterschiedlichen Medien, weitere Wahrnehmungskanäle und Hirnareale angesprochen. Das Arbeiten mit Bildern, Skulpturen, Installationen, Musik, Performance, Video, Fotografie, Tanz, Gesang, Schreiben und anderem mehr, aktiviert unsere kinästhetischen, Seh-, Riech-, Hör-Sinne und im Gehirn limbische und paralimbische Strukturen (Amygdala, Hippocampus, Gyrus parahippocampalis und anteriore Insel; Zald und Pardo 2002). So werden der Körper und die Emotionen direkt angesprochen, andere Erlebnis- und Verarbeitungsprozesse eröffnet, und unbewusste und/oder präverbale Themen können leichter ins Bewusstsein gelangen. Durch die Darstellung in Bildern, Gestalten, Tönen und/oder Bewegung werden diese für den/die Erschaffende und den/die Therapeutin sichtbar und/oder hörbar. Damit wird der therapeutische Prozess vertieft, bereichert und es eröffnen sich weitere Kommunikations- und Therapieebenen.

Besonderheiten in der kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Behandlung

Vielen Kindern und Jugendlichen fällt es schwer Worte für ihr Erleben zu finden. Es kann sein, dass ihr Wortschatz entwicklungsbedingt nicht ausreichend entwickelt ist oder sie es grundsätzlich nicht gewohnt sind, ihr inneres Erleben in Worte zu fassen. Ein kreatives Medium kann gerade für diese Kinder und Jugendlichen eine gute Brücke zum Ausdruck und zum Verbalisieren und Bearbeiten sein. Es können auch Zugänge zu Prozessen geschaffen werden, die vor der Sprachentwicklung stattgefunden haben und somit einer verbalen Bearbeitung nicht zugänglich sind. Zusätzlich inkludiert Kunsttherapie auch sehr spielerische und kreative Aspekte, die viele Kinder und Jugendliche besonders ansprechen und die ihnen Spaß machen.

Zielsetzung und Methoden

Grundlegend kann man 2 große Schwerpunkte der Kunsttherapie unterscheiden: die kunsttherapeutische Begleitung mit gezielten therapeutischen Interventionen und die Selbststärkung, Ressourcenstärkung, Weiterentwicklung und Persönlichkeitsentfaltung, wobei beide Schwerpunkte Hand in Hand gehen können.

Therapeutische Interventionen

Der zentrale Aspekt in der kunsttherapeutischen Arbeit ist die Externalisation durch verschiedene künstlerische Medien.
Durch Bilder, Skulpturen, Installationen, Performance, Tanz, Musik, Video, Fotografie oder andere künstlerische Ausdrucksformen wird ein Gefühl, ein Geschehen oder eine Vision sichtbar, hörbar, vergegenständlicht, greifbar oder körperlich spürbar gemacht.
Therapeutische Interventionen
  • Darstellung aktueller, aber auch vergangener Gefühle und Befindlichkeiten, z. B. Baum, Blumenwiese – bunt, strahlend, kräftig, voll versus schwarz-weiß, düster, leer; „Wenn das Gefühl, das gerade in dir ist, eine Gestalt, Farbe, Form hätte – wie würde dieses ausschauen – wie könnte es sich verändern?“; Gestaltung mit geschlossenen Augen von dem, was gerade ist
  • Schilderung von Ereignissen, Geschichten, Traumen, Träumen, Unfällen, z. B. Bilder von Frida Kahlo, in denen sie ihren Unfall verarbeitet
  • Angsttherapie, z. B. ein Monster aufzeichnen oder formen lassen und dann verwandeln oder zerstören lassen
  • Prozessbegleitend am Anfang, im Verlauf und am Ende einer Therapie oder z. B. eines stationären Aufenthaltes
  • Gesprächstherapie ergänzend (innere Bilder, Situationen sich und dem Therapeuten sichtbar machen) – „Bilder sagen mehr als 1000 Worte“
  • In sich erstarrte, zurückgezogene, depressive Menschen wieder in die Bewegung kommen lassen, wieder in den Fluss bringen
  • „Zerflossene“, desorganisierte Menschen wieder zentrieren, binden, z. B. Psychotiker, die durch das Formen von Tonkugeln sich wieder auf einen Kern konzentrieren können
  • Probehandlung für das Leben: Patienten können im künstlerischen Prozess alternative Handlungsweisen ausprobieren
  • Der Erschaffende kann bei dem Anblick seines Werkes immer wieder in den Prozess „einsteigen“, gegebenenfalls neue Aspekte erkennen und je nach Material auch weiter modifizieren. Er sieht auch, dass er wirklich etwas geschaffen und nicht nur darüber geredet hat. Es kann ihn mit Stolz erfüllen
  • Manchmal ist oder kann es aber auch sehr wichtig sein, das Objekt zu zerstören, um damit verbundene, oft negative Emotionen zu verabschieden

Selbststärkung, Ressourcenstärkung, Weiterentwicklung und Persönlichkeitsentfaltung

Kunsttherapie fördert den Mut, in einen leeren Raum, auf ein leeres Papier, mit einem undefinierten Stück Ton sein eigenes Erleben abzubilden. Meist gilt es, die ersten Glaubenssätze des Richtig/Falsch und des Könnens/Nicht-Könnens zu überwinden, um in den kreativen Flow, das Gestalten zu kommen.
Zielsetzungen und Merkmale der Kunsttherapie
  • Unterstützt ureigene kreative Fähigkeiten zu aktivieren
  • Fördert Vertrauen und das Gefühl, sein Leben gestalten zu können. Kunsttherapie kann sinnstiftend wirken
  • Das Erleben von Flow während des Gestaltens kann Gefühle von Verbundenheit (mit sich selbst und anderen) fördern sowie (Selbst-)Annahme und (Re-)Integration bewirken
  • Negative Glaubenssätze auflösend (ich kann nicht zeichnen, ich kann das nicht …) ist Kunsttherapie neutral, nicht wertend. Es gibt kein „Richtig“ oder „Falsch“. Leistungsprinzipien und Bewertungssysteme gelten hier nicht
  • Ressourcenstärkend durch Förderung des Erkennens und der Stärkung der eigenen Fähigkeiten
  • Regression: Der Patient betätigt sich künstlerisch, wie er es oftmals als Kind zuvor schon gemacht hat und so können Erinnerungen und Gefühle aus der Kindheit ganz unbewusst hervorkommen und der Erschaffende darf auch wieder Kind sein
  • Der/die Gestaltende vertieft im künstlerischen Prozess seine/ihre Wahrnehmung und somit auch die Wahrnehmung der eigenen Person. „Wenn ich Material berühre, werde ich auch selbst berührt.“
  • Förderung der Kreativität und Konzentrationsfähigkeit
  • Kunsttherapie fördert Entspannung, aktiviert Selbstheilungskräfte, macht Freude und Spaß

Rezeptive Kunsttherapie

Neben der bisher beschriebenen produktiven Kunsttherapie kann Kunst auch rezeptiv therapeutisch genutzt werden. Durch die sinnliche Wahrnehmung künstlerischer Ausdrucksformen (Bild- oder Skulpturenbetrachtung in Museen, Musikhören bei Konzerten, Theater, Tanzaufführungen etc. und auch im gruppentherapeutischen Kontext) kommen Assoziationen, Erinnerungen und Emotionen im Betrachtenden hervor, die im Zusammenhang mit ihm analysiert und therapeutisch verarbeitet werden.

Therapeutische Rahmenbedingungen

Die bisher beschriebenen Prozesse sind sowohl für die Einzelarbeit als auch für die Gruppenarbeit relevant. In der kunsttherapeutischen Gruppenarbeit kommen aber zusätzlich zu den generellen Aspekten der Gruppentherapie noch weitere positive Aspekte zum Tragen.
Viele kreative Ideen von mehreren Menschen können einander beeinflussen, über sich hinauswachsen und noch größere, außergewöhnlichere Projekte entstehen lassen: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Ein gemeinsames Projekt und Produkt stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. Das Organisieren eines gemeinsamen Kunstprojektes, sei es ein Gemälde, eine Skulptur, eine Installation, ein Tanz-, Theater- oder Musikstück, erfordert und fördert soziale Kompetenzen. Durch die Länge eines künstlerischen Projektes entsteht viel Raum für die Beteiligten sich auch in den „Pausen“ über unterschiedliche Erfahrungen mit dem Projektthema auszutauschen und verschiedene Lösungsstrategien neu zu entwickeln.
Ein Kunstprojekt und -produkt wertet das Projektthema und die Erschaffenden auf. Das Werk ist wichtig genug, dass Menschen so viel Energie aufwenden, um es zu gestalten. Die Erschaffenden werden zu „Künstlern“ und können „etwas“ vorweisen. Das Kunstobjekt kann gesehen und gezeigt werden und helfen, „die Anderen“, die Eltern, die Angehörigen, die Nachbarn, die Freunde, die Lehrer, die Gesellschaft, die Politiker, die Entscheidungsträger zu sensibilisieren. Prozesse, Themen werden optisch sichtbar und besser „begreifbar“. Es kann unterstützen, Unverständnis, Unsicherheit, Ablehnung- und Berührungsängste abzubauen und kann motivieren, aktiv helfend einzugreifen.

Empfehlungen für die Praxis

Kunsttherapie ist vielseitig und vielschichtig und kann therapeutisch in Bereiche vordringen, in welchen das Wort allein nicht reicht. Sie kann direkt im therapeutischen Prozess eingesetzt werden und/oder zur Selbst- und Ressourcenstärkung. Zusätzlich fördert sie die Kreativität und macht Spaß. Im Gruppenprozess unterstützt sie Solidarität und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Das Ergebnis kann hergezeigt werden und somit nicht nur eigene therapeutische Prozesse des Erschaffenden vertiefen, sondern auch andere Menschen erreichen und Stigmata abbauen.
Kunsttherapie ist eine Bereicherung für den Erschaffenden und die Menschen, die das Kunstwerk sehen bzw. begreifen!

Musiktherapie

Die Musiktherapie ist eine Methode, die in kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen stationären Settings häufig Anwendung findet. Stegemann et al. (2008) haben in einer Umfrage festgestellt, dass an 63,4 % der angefragten Kliniken (Rücklaufquote: 77,7 %) Musiktherapie zum Behandlungsangebot gehört, dies zum Teil als eigenständige Therapieform oder begleitend im stationären Alltag innerhalb des gesamten Indikationsspektrums. Auch Fegert (2004) stellt fest, dass Musiktherapie ein wesentlicher Bestandteil eines multimodalen Behandlungsansatzes bei einer Krankenhausbehandlung in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie ist.
Die Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft (vgl. DMtG 2018) definiert Musiktherapie als „gezielten Einsatz von Musik im Rahmen der therapeutischen Beziehung zur Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit“. Als Methoden kommen tiefenpsychologische, verhaltenstherapeutisch-lernorientierte, systemische, anthroposophische und ganzheitlich-humanistische Methoden zum Einsatz.

Besonderheiten in der kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung

Musik hat im Alltag von Kindern und Jugendlichen eine wesentliche Bedeutung. Streng genommen beginnt die musikalische Sozialisation bereits im Mutterleib. Durch Wiegenlieder wird beim Neugeborenen der Übergang in den Schlaf begleitet. Aus dem ersten Experimentieren mit Stimmlauten entwickelt sich im Verlauf das spontane Singen, parallel zum Singen von Kinderliedern in der Familie oder im Kindergarten. Mit der musikalischen Sozialisation entwickelt sich idealerweise auch das kreative Potenzial eines Kindes (Plahl und Koch-Temming 2005). Jugendliche verbringen im Alltag viel Zeit damit, Musik zu hören: 78 % der Befragten 12- bis 19-Jährigen gaben in der JIM-Studie von 2016 an, täglich oder mehrmals pro Woche beispielsweise Radio zu hören. Neben Handy und Internetnutzung gehört Musikhören damit zu den drei wichtigsten Medientätigkeiten von Jugendlichen (Feierabend et al. 2016). Das Musikhören hat also im Alltag der Jugendlichen eine zentrale Bedeutung. Die Jugendlichen berichten, dass sie Musik zur Emotionsregulation verwenden. Musik wird auch als Ausdruck der Persönlichkeitsentwicklung verstanden. Die Jugendlichen fühlen sich durch die Präferenz verschiedener Musikstile und -genres zu unterschiedlichen Subkulturen und Jugendbewegungen zugehörig und nutzen daher Musik auch als Unterstützung zur Autonomieentwicklung und Ablösung vom Elternhaus (Feierabend et al. 2016). Aufgrund der hohen Bedeutung und Affinität von Musik im Alltag von Kindern und Jugendlichen ist eine therapeutische Nutzung des Mediums naheliegend.
Haffa-Schmidt et al. (1999) berichten in diesem Zusammenhang davon, dass unterschiedliche Konzepte für die Arbeit mit Behinderten und mit erwachsenen Psychiatrie-Patienten entwickelt wurden. Diese Konzepte sind aber ohne Weiteres nicht für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen übertragbar. Sind pädagogisch-spielerische Angebote für Kinder durchaus noch anwendbar, werden sie von Jugendlichen als zu kindisch abgetan. Gleichzeitig stellen die für Erwachsene konzipierten musiktherapeutischen Angebote für die Jugendlichen meist eine Überforderung dar. Es gilt also in diesem Bereich den Kindern und Jugendlichen ein Angebot zu machen, welches dem jeweiligen Entwicklungsstand entspricht und gleichzeitig den Bedürfnissen nach nichtsprachlichen, körpernahen und intensiven Ausdrucks- und Erlebnisformen entgegenkommt.

Stand der Forschung

Betrachtet man die wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Musiktherapie, so hat sich diese in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt. Stegemann und Schmidt (2015) messen diesen Forschungsbemühungen eine hohe Bedeutung zu. Sorgen sie doch dafür, dass sich die Musiktherapie auf dem Weg zu einer evidenzbasierten Behandlungsform befindet, die ihren klinischen Nutzen auch wissenschaftlich nachweisen kann.
Argstatter et al. (2007) berichten in ihrem systematischen Review einen deutlichen Zuwachs von kontrollierten klinischen Studien zu musiktherapeutischen Themen. Sie beschreiben eine mittlere bis hohe Behandlungseffektivität (Effektstärken zwischen d = 0,61 und d = 0,89) von Musiktherapie bei Kindern und Jugendlichen. Gold et al. (2004) beschreiben in ihrer Meta-Analyse Effektstärken von d = 0,61 bei der Musiktherapie mit externalisierend verhaltensauffälligen Kindern. In der Meta-Analyse von Geipel et al. (2018) werden die Auswirkungen von musikbasierten Interventionen bei internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten beschrieben. Die Ergebnisse deuten daraufhin, dass Musiktherapie sich auch in der Behandlung depressiver und ängstlicher Kinder und Jugendlicher als hilfreich erweist. In einem Cochrane-Review zu Autismus-Spektrum-Störungen (Geretsegger et al. 2014) zeigte sich Musiktherapie hinsichtlich der Effekte auf soziale Interaktion außerhalb des Therapie-Kontextes im Vergleich zu Standardtherapien überlegen. Signifikante Effekte der musiktherapeutischen Interventionen innerhalb des Therapie-Kontextes konnten auch für soziale Interaktion, nonverbale und verbale kommunikative Fähigkeiten, initiatives Verhalten und sozial-emotionale Reziprozität festgestellt werden. Zu den Stärken der Musiktherapie gehört u. a. die Förderung der Behandlungsmotivation und Compliance von Menschen mit psychischen Erkrankungen (Gold et al. 2009).
Die Ergebnisse in der wissenschaftlichen Arbeit im Feld der Musiktherapie sind ermutigend. Es sind aber weitere Anstrengungen notwendig, um bestehende Erkenntnisse zu replizieren und das musiktherapeutische Vorgehen als evidenzbasierten Ansatz zu implementieren.

Zielsetzung

Die Vielfalt der Möglichkeiten des Mediums Musik ist ein großer Vorteil, um Interventionen für Kinder und Jugendliche therapeutisch flexibel, sinnvoll und bedeutsam einsetzen zu können. Die Erfahrungen für die Kinder und Jugendlichen mit dem Medium Musik können entspannende, erlebniserweiternde und ressourcenaktivierende Prozesse in Gang setzen. Es können kreative Lösungsmöglichkeiten für Probleme gefunden werden und die Kinder und Jugendlichen können durch den Einsatz des nonverbalen Mediums Musik Verhaltensweisen überprüfen, variieren und erproben. Ein weiteres Ziel sind Selbstwirksamkeitserfahrungen durch eigenes aktives Beteiligen in der Therapie, durch die der Patient sich als aktiv gestaltenden Akteur im Therapieprozess erlebt und dies zu einer positiveren Selbstwahrnehmung führen kann.
Im therapeutischen Kontext kann Musik unterschiedliche Funktionen erfüllen: Musik kann aktivieren, stimulieren, entspannen und sie unterstützt bei der Emotionsregulation. Ausgehend von diesen unterschiedlichen Ansatzpunkten formuliert Howitz (2000) folgende Ziele für die Musiktherapie mit Kindern und Jugendlichen:
  • Erfahrungs- und Wahrnehmungserweiterung,
  • Verbesserung der Eigen- und Fremdwahrnehmung,
  • Steigerung des Selbstwertgefühls und -erlebens,
  • Ermöglichen von Spaß und Genussfähigkeit.

Therapeutische Rahmenbedingungen und Methoden

Stegemann et al. (2008) zeigen, dass in den Kinder- und Jugendpsychiatrien das gesamte Spektrum kinder- und jugendpsychiatrischer Störungsbilder musiktherapeutisch behandelt wird. Dabei findet Musiktherapie im Einzel- oder Gruppensetting statt. Dies ist zum einen abhängig vom Angebot in den jeweiligen Einrichtungen, aber auch von den Möglichkeiten des Patienten sich auf eine musiktherapeutische Arbeit einzulassen. Bandprojekte sind eine weitere Möglichkeit gerade mit Jugendlichen zu arbeiten. Plener et al. (2010) haben in ihrem Projekt „Rocken statt Ritzen“ ein interdisziplinäres gruppenmusiktherapeutisches Angebot für Jugendliche mit selbstverletzendem Verhalten erfolgreich erprobt. Es handelt sich hier um ein gruppenmusiktherapeutisches Angebot mit aktiven und rezeptiven Inhalten, welches durch einzeltherapeutische Interventionen und Elternarbeit ergänzt wird. Solche interdisziplinären Interventionen bieten zusätzliches Potenzial für personalisierte Therapiemaßnahmen.
Grundsätzlich lassen sich zwei Formen in der musiktherapeutischen Behandlung unterscheiden: die rezeptive und die aktive Musiktherapie. Bei der rezeptiven Form der Musiktherapie liegt der Fokus auf dem Hören von Musik. Der Therapeut spielt für den Patienten oder es werden Musikstücke von Tonträgern angehört. Gerade das Hören von Musik ist in der Therapie mit Jugendlichen von enormer Bedeutung. Bei der aktiven Musiktherapie liegt der Fokus auf dem Musikmachen. Der Patient spielt allein, mit dem Musiktherapeuten oder in der Gruppe aktiv an einem Instrument, singt oder produziert auf anderweitige Art Töne und Geräusche, wie beispielsweise beim Beatboxen. Auch das Songwriting – also das Komponieren und Texten eigener Lieder – bietet sich gerade in der Arbeit mit Jugendlichen als methodischer Zugang an (Stegemann und Geipel 2018).
Musik kann im therapeutischen Kontext sowohl als Kommunikationsmedium (Mittel zum Zweck), als auch als eigentlich wirkendes Mittel und als Spiegel psychosozialer und psychischer Wirklichkeiten eingesetzt werden. In folgender Übersicht werden die einzelnen Funktionen von Musik näher beschrieben (Frohne-Hagemann und Pleß-Adamczyk 2005, S. 95–103).
Funktionen der Musik
  • Musik als haltgebendes Medium: Lieder und musikalische Formen mit einem klaren Aufbau und Ablauf, einem Anfang und Ende und vielen Variations- und Ausgestaltungsmöglichkeiten wirken stabilisierend, vertrauensbildend, verlässlich, vermitteln Sicherheit und sind übersichtlich. Dazu gehören z. B. musiktherapeutische Rituale wie Begrüßungs- und Abschiedslieder
  • Musik als basaler Sinnesstimulus: Gerade bei Patienten mit tief greifenden Entwicklungsstörungen und mangelnder Selbstwahrnehmung dient Musik der sensorischen Integration und der Verbesserung der neurophysiologischen Wahrnehmungs-, Verarbeitungs- und Handlungszyklen. Klang-, Rhythmus-, Intensitäts- und Formerfahrungen sind als basaler Sinnesstimulus zu verstehen
  • Musik als Integrator: Musik wird in der Therapie auch als integrierendes Medium eingesetzt. Verschiedene vordergründig nicht oder unzusammenhängende Gefühls- und Gedankenfragmente oder Handlungen werden durch Musik zusammengefügt. Gerade im musikalischen Spiel mit Kindern kann so Beziehung gestaltet werden, indem beispielsweise eine Situation in der Therapie musikalisch begleitet wird (Hintergrundmusik) und so durch die Musik eine musikalisch ausgedrückte Atmosphäre zum Thema werden kann
  • Musik als Vehikel: Durch die musikalischen Parameter, wie Dynamik, Tempo, Tondauer, Tonhöhe und Rhythmus, kann im gemeinsamen musikalischen Spiel die emotionale Welt von Kindern erlebbar gemacht werden. Die Musik hat so eine ergotrope (antriebsfördernde) oder auch eine trophotrope (beruhigende) Funktion
  • Musik als Katalysator: Als Steigerung zur Vehikelfunktion, bei der die Musik Gefühle erlebbar macht, hilft hier die Musik dem Kind und dem Jugendlichen Gefühle zu differenzieren. Dadurch wird den Emotionen eine Form gegeben und die Affekte können so reguliert werden
  • Musik als emotionale Resonanzgeberin: In dieser Funktion spiegelt die Musik Gefühle und Aktivitäten des Patienten wider und ermöglicht neben der Vehikel- und der Katalysatorfunktion eine weitere Form des emotionalen Ausdrucks. Hinzu kommt die kulturelle Tradition, die Musik auch hat. Durch das aktive gemeinsame Musik machen, durch Musik hören oder durch die vom Therapeuten gespielte Musik bekommt das Kind oder der Jugendliche das Gefühl, mit seinen Emotionen verstanden zu werden
  • Musik als Übergangsobjekt: In der Funktion als Übergangsobjekt bietet die Musik dem Kind die Möglichkeit durch den sensorisch-funktionalen Kontakt sich selbst zu empfinden und sich gleichzeitig Richtung Außenbezug zu bewegen. Instrumente lassen sich beispielsweise funktionalisieren und als Symbol für etwas benutzen, ohne dass konkret auf eine Person mit eigenen Gefühlen Bezug genommen werden muss. Auch hier dient die Musik also als nonverbales Ausdrucksmedium
  • Musik als Intermediärobjekt: Musik dient hier zur Vermittlung von Gemeinsamkeit im Sinne eines gemeinsamen Interesses, welches dann zwischenmenschliche Begegnungen möglich macht. In der Musiktherapie mit Kindern sind das beispielsweise Einzel- oder Gruppenangebote mit Regelspielen. Bei Jugendlichen kann dies ein rezeptives Angebot sein, bei der ein Jugendlicher einer Gruppe seine Musik präsentiert
  • Musik als Projektionsfläche: Die Musik oder auch Musikinstrumente werden zum Symbol für Gefühlsqualitäten oder Personen. Dadurch können dann im Spiel unbewusste Bedürfnisse, Wünsche und Konflikte nach außen gebracht werden, verarbeitet und wieder integriert werden
  • Musik als Ressource: Dies ist die am häufigsten angewandte Form der Musik in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Musik aktiviert und der Aufforderungscharakter eines Instrumentes ist sowohl bei Kindern als auch bei Jugendlichen sehr hoch. Es werden vorhandene Fähigkeiten geweckt, neue entdeckt und die Kreativität gefördert
  • Musik als soziokulturelles Medium: Musik in ihrer soziokulturellen Einsatzform in der Musiktherapie fördert die psychosoziale Identitätsentwicklung, da sie soziale und kulturelle Hintergründe vermittelt. Gleichzeitig spiegelt sie den Lifestyle eines Jugendlichen und wirkt so unterstützend auf die Entwicklung tragfähiger Netzwerke und vermittelt das Gefühl von Zugehörigkeit. Dies funktioniert am besten in Gruppenangeboten sowohl in Form von aktiver Musiktherapie (z. B. Bandprojekte) oder rezeptive Angebote (gemeinsames Musik hören).

Empfehlungen für die Praxis

Musik kommt wie beschrieben eine große Bedeutung sowohl im Kindes- als auch im Jugendalter zu. Musikinstrumente haben eine hohe Ausstrahlung auf dieses Klientel und nicht nur das Schlagzeug im Musiktherapieraum hat einen hohen Appell- und Aufforderungscharakter. Durch das breite Spektrum des therapeutischen Einsatzes von Musik ermöglicht man dem Kind oder Jugendlichen völlig neue Erfahrungen. Die Möglichkeit sich nonverbal auszudrücken bereichert einen therapeutischen Prozess enorm und durch die erlebnis- und ressourcenorientierte Herangehensweise kann Musiktherapie eine sehr bedeutungsvolle Komponente bei der Bewältigung von psychischen Problemen sein. Wichtig ist dabei eine gute, fachlich fundierte Ausbildung der Therapeuten und eine Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit. Darüber hinaus bedarf es weiterer intensiver Forschungsbemühungen, z. B. in Form von RCT mit größeren Fallzahlen, um die Anerkennung zu erhöhen und Musiktherapie als evidenzbasierte Therapieform zu etablieren.

Weitere Angebote

Im kinder- und jugendpsychiatrischen/psychotherapeutischen Setting gibt es eine Vielzahl an weiteren Interventionen, die dem ko-therapeutischen Spektrum zuzuordnen sind. Hier nur exemplarisch eine Aufzählung solcher Angebote.

Yoga mit Kindern und Jugendlichen

Yoga ist in seinem Ursprung ein über 2000 Jahre altes, ganzheitlich ausgerichtetes philosophisches System aus Indien. Der Mensch wird als Einheit aus Körper, Geist und Seele verstanden. Es ist ein Weg der Selbstbegegnung, der die Spürfähigkeit für ein gesundes Gleichgewicht fördert und so die eigene Authentizität entwickeln hilft. Yoga verbindet die Aspekte Bewegung, Atem und bewusste Achtsamkeit. Jede einzelne dieser drei Repräsentanzen wirkt bereits für sich allein gesundheitsfördernd. In ihrem Zusammenwirken verstärken sie sich gegenseitig. Zahlreiche Studien belegen die therapeutische Wirksamkeit. Die Übungen haben einen positiven Einfluss auf die Regulation des autonomen Nervensystems. Sie vermindern Stresssymptome. Neurotransmitter wie Dopamin und körpereigene Opiate werden ausgeschüttet, der präfrontale Kortex angeregt. Das Herz-Kreislauf-System wird gestärkt und eine gesunde Körperhaltung entwickelt (Klatte et al. 2016).
Durch die vielfältigen Techniken des Yoga werden sowohl Energie und kraftvoller Ausdruck als auch Entspannung im Wechsel miteinander gefördert. Die Aufmerksamkeit wird auf die individuellen Ressourcen gelenkt. Das Erleben von Erfolgen und wachsendem körperlichen und psychischen Wohlgefühl stärkt die intrinsische Motivation.
Das therapeutische Yoga ist wahrnehmungsorientiert und im Sinn einer basalen Stimulation werden durch die Körperübungen vor allem das taktile, das kinästhetische und das vestibuläre System angesprochen. Viszerale Erfahrungen werden als körperliche Empfindungen wie „geborgen sein“, „in Sicherheit sein“, „in Ordnung sein“ gespeichert. Das Selbstwertgefühl ist unmittelbar mit dem Körper verbunden (Dunemann et al. 2017).
Durch den Einsatz von Yoga in der kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung kann Kindern und Jugendlichen früh vermittelt werden, wie sie in einer anspruchsvollen Umwelt selbst regulierend auf ihre Stimmung, ihre Konzentration, ihre Gedankenflut einwirken können. Das geschieht über spielerische Körperübungen, Bewegungssequenzen, Achtsamkeits-, Entspannungs- und Konzentrationsübungen. Die Körper-, Atem- und Konzentrationsübungen können dem jeweiligen Alter angepasst und spielerisch vermittelt werden (Stück 2011).

Sporttherapie

Als eher bewegungsorientiere Angebote sind im ko-therapeutischen Bereich Körpertherapie, Tanztherapie und Sport-/Bewegungstherapie zu nennen. Vor allem die Sporttherapie ist in Kliniken, besonders im Rehabilitationsbereich, bereits eine etablierte Behandlungs- und Therapieform. Es gibt hierfür aber noch keinen gesonderten Ausbildungsbereich und es handelt sich auch um keine geschützte Berufsbezeichnung. Unter Sport- und Bewegungstherapie versteht sich eine ärztlich und therapeutisch indizierte und verordnete Bewegung. Diese wird umgesetzt durch verhaltensorientierte Komponenten, die dosiert und kontrolliert durchgeführt werden. Sporttherapie kann im Einzel- oder Gruppensetting durchgeführt werden. Sie bedient sich geeigneter Mittel und Methoden aus dem Sportbereich, der Bewegung und der Verhaltensorientierung, um bei vorliegenden Schädigungen im physischen, psychischen und psychosozialen Bereich zu unterstützen (DVGS 2014). Der zentrale Gedanke dabei ist, dass über ein systematisches und langfristiges körperliches Funktionstraining Anpassungsprozesse entstehen, die dann im weiteren Verlauf auch psychosoziale Effekte nach sich ziehen können.
Wirksamkeitsstudien gibt es vor allem im Bereich des Ausdauersportes. Die Auswirkung von Ausdauerlaufen auf psychische Parameter sind (Stoll und Ziemainz 2011):
  • gesteigertes Wohlbefinden; Glücksgefühl („runner’s high“),
  • Verlust von Raum- und Zeitwahrnehmung; meditative Bewusstseinszustände (Flow-Erfahrungen),
  • Verminderung bewusster kognitiver Prozesse wie Grübeln oder Problemlösen,
  • Stressbewältigung,
  • Entspannung,
  • Selbstwirksamkeitserfahrungen.
In einer Wirksamkeitsstudie konnten Blumenthal et al. (2007) nachweisen, dass der Effekt von Ausdauertraining mit dem von Sertralin vergleichbar und effektiver als Placebo in Bezug auf eine depressive Symptomatik war.

Tiergestützte Therapie (TGT)

Nicht nur im teil- und vollstationären Kontext werden zunehmend Tiere in die therapeutischen Angebote mit einbezogen, auch im ambulanten Setting kommt es immer häufiger vor, dass tiergestützte Interventionen angeboten werden. Am bekanntesten sind hier sicherlich der Einsatz von Hunden oder Pferden. Tiergestützte Interventionen haben schon eine lange Geschichte. Schon im 9. Jahrhundert wurden in Belgien Tiere in einem therapeutischen Setting eingesetzt. Man ging davon aus, dass Nutztiere die Zufriedenheit von Menschen erhöhen (Arkow 1993). Die Heil- und Pflegeanstalt in Bielefeld für Menschen mit Epilepsie bezieht seit 1867 Tiere (Hunde, Katzen, Vögel, Pferde) in ihr therapeutisches Konzept mit ein. 1947 wurden in den USA die Internatsschule Green Chimneys gegründet. In diesem Internat für „verhaltensgestörte, behinderte und missbrauchte Kinder“ hat der Umgang mit Tieren das Ziel emotionale Gesundheit, subjektives Wohlbefinden und die Selbstständigkeitsentwicklung als Ziel. Die Einrichtung ist bis heute eine der weltweit größten Einrichtungen, die mit tiergestützten Interventionen arbeitet (Beetz 2003).
Die tiergestützte Therapie versteht sich als gezielter Einsatz eines Tieres zum Erreichen folgender therapeutischer Ziele (Otterstedt 2003):
  • Unterstützung in der Diagnostik: Motivation der Patienten, Erhebung ergänzender diagnostischer Parameter,
  • Unterstützung in der Therapie: körperliche, kognitive und emotionale Funktionen wiederherstellen und erhalten (durch emotionale Nähe, Wärme und unbedingte Anerkennung durch das Tier),
  • Förderung der nonverbalen Kommunikation,
  • Unterstützung bei der sozialen Integration (Tier als Begleiter und Motivator im Alltag),
  • Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Durchführung von Aktivitäten und Handlungen fördern,
  • subjektives Wohlbefinden verbessern,
  • Linderung von Angst und Stress.
Durchgeführt werden die Interventionen in der Regel von ausgebildeten Therapeuten (Ergo-, Physio-, Psychotherapeuten, Logopäden, Ärzten) mit einer Weiterbildung in tiergestützter Therapie. Im Allgemeinen sind die Tiere auch ausgebildet (z. B. Therapiebegleithund). Der Therapeut braucht fachkundliches Wissen, gerade weil auch Punkte wie Tierschutz beachtet werden müssen.
Die Tiere dienen im therapeutischen Kontext als „Eisbrecher“ für die therapeutische Beziehung. Die Situation mit Tieren wird als offen und entspannt empfunden und die positive Beziehung zum Tier kann sich im Verlauf positiv auf die therapeutische Beziehung auswirken. Für Kinder und Jugendliche dienen die Tiere daher auch als Motivation für den therapeutischen Prozess. Die Tiere helfen dabei, Angst und Anspannung zu mindern und beeinflussen die Stimmung positiv (Beetz et al. 2011).
Die Evidenzlage für tiergestützte Therapie ist relativ gering und beruft sich hauptsächlich auf Einzelfallberichte. Was man aber sagen kann ist, dass TGT zu wirken scheint und einige Wirkmechanismen durchaus nachvollziehbar erscheinen. Die Abgrenzung zwischen tiergestützter Therapie und sog. Aktivität mit Tieren ist schwierig. Es gibt eine hohe Akzeptanz der Intervention bei Eltern und Kindern bzw. Jugendlichen.

Erlebnispädagogik/Erlebnistherapie

Es gibt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie die zunehmende Tendenz auch erlebnispädagogische Elemente in das therapeutische Setting einzubauen. Der Fokus liegt bei den Angeboten in der Regel auf der Handlungsebene und den dadurch resultierenden Selbstwirksamkeitserfahrungen. Hierzu zählen Angebote wie Klettern oder Bogenschießen, aber auch die im Folgenden näher beschriebenen Elemente aus der Kampfkunstpädagogik.
Ein Beispiel dieser erlebnispädagogischen Angebote sind Elemente aus der Kampfkunst als ressourcenorientierter Ansatz. Es sollen im Rahmen eines Einzel- oder Gruppenangebotes eigene Grenzen erlebbar gemacht werden und vermeintliche Schwächen können so in Stärken umgewandelt werden. Die Kinder und Jugendlichen übernehmen Verantwortung für ihr eigenes Tun und erleben sich durch eine sanft konfrontative Herangehensweise und durch Kooperationsübungen als Teil der Gruppe. Die Selbstwirksamkeitserfahrung verbessert die Frustrationstoleranz und den Selbstwert der Kinder und Jugendlichen. Die ritualisierten Abläufe und Übungsformen (Tiere der Shaolin, Kraftübungen etc.) vermitteln eine Struktur, die verinnerlicht und in den Alltag übernommen werden kann. Im Rahmen von taktil-kinästhetischen Übungen wird die Eigen- und Fremdwahrnehmung verbessert (BVKKP 2018).

Fazit

Deutlich wird in den Beschreibungen der einzelnen ko-therapeutischen Angebote, dass hier therapeutische Kontakte mit Kindern, Jugendlichen und Eltern in vielfältiger Weise stattfinden. Die Kinder und Jugendlichen sind dabei in unterschiedlichen Bereichen eingeschränkt. Sowohl die Möglichkeiten die Kinder und Jugendlichen auf einer eher funktional ausgerichteten Ebene zu unterstützen (z. B. Arbeits- und Ergotherapie), als auch die nonverbalen Ansätze im Bereich der künstlerisch orientieren Therapien (z. B. Musik- und Kunsttherapie) sollten im therapeutischen Alltag genutzt werden. Durch diese verschiedenen Zugangswege zum menschlichen Erleben, kann es den Kindern und Jugendlichen gelingen, sich zu öffnen und therapeutische Hilfe in Bezug auf die psychische Erkrankung anzunehmen oder diese überhaupt erst zu äußern.
Die Möglichkeiten dieser Therapierichtungen sind vielfältig. Durch die alternativen Ausdrucksformen (nonverbal oder funktionaler Ansatz) bieten die Therapeuten eine Therapieform an, die einen hohen Aufforderungscharakter für die Kinder und Jugendlichen besitzt und daher durchaus attraktiv ist. Es besteht für die Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit, sich auf andere Art und Weise auszudrücken und die Therapeuten können so im therapeutischen Kontext an Informationen gelangen, die man durch das reine Gespräch nicht erhält. Wichtig ist eine fundierte und gute Aus- und Weiterbildung der Therapeuten in diesem Bereich, verbunden mit einer wissenschaftlichen Evaluation der einzelnen Angebote, um die Wirkungen auch nachweisen zu können und die Angebote dadurch auch zu stärken.
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