Das
Urachuskarzinom ist eine seltene Tumorerkrankung der Urologie und macht <1 % aller malignen Erkrankungen der Harnblase aus. (Gopalan et al.
2009; Johnson et al.
1985) Das Robert-Koch Institut gibt eine Inzidenz von etwa 30 Fällen für das Jahr 2016 in Deutschland an, die Geschlechterverteilung fällt mit 2:1 zu Ungunsten männlicher Patienten aus. Das Erkrankungsalter liegt im Median bei 52 Jahren, ätiologische Faktoren oder eine familiäre Häufung sind nicht bekannt. (Robert Koch Institut, Epidemiologische Kennzahlen
2016; Szarvas et al.
2016) Die Prognose des Urachuskarzinoms
ist eingeschränkt. Mehrere Studien zeigten ein Stadienunabhängiges medianes Gesamtüberleben zwischen 19 und 94 Monaten, mit einem 5-Jahres Gesamtüberleben von etwa 50 %. (Johnson et al.
1985; Szarvas et al.
2016; Bruins et al.
2012; Meeks et al.
2013; Yazawa et al.
2012; Dhillon et al.
2015; Jung et al.
2014; Niedworok et al.
2016; Siefker-Radtke
2012) Für das metastasierte Urachuskarzinom, oder wenn es zu einem Lokalrezidiv gekommen ist, wird ein 5-Jahres Überleben von 20 % bei einer medianen Überlebenszeit von 1,3 Jahren beobachtet. (Bruins et al.
2012; Ashley et al.
2006)
Es sind mehrere Systematiken
für eine klinische Einteilung der
Urachuskarzinome beschrieben, von denen sich die Staging-System nach Sheldon von 1984 und das Mayo-System nach Ashley von 2006 etabliert haben. (Tab.
1) (Gopalan et al.
2009; Ashley et al.
2006) Eine Einteilung nach dem TNM System, wie sie für andere solide Tumorerkrankungen vorgenommen wird, ist beim Urachuskarzinom nicht vorgesehen, denn der Urachus ist beim Erwachsenen keine als Organ definierte Struktur. Da das Urachuskarzinom regelhaft zu einem Zeitpunkt diagnostiziert wird, in dem es in die Harnblase infiltriert, fallen die meisten Urachuskarzinome in die Tumorstadien ≥IIIA nach der Sheldon Klassifikation. (Sheldon et al.
1984) Das Mayo-System
zeigt bei der Zuordnung der Tumorstadien ein ausgewogeneres Verhältnis. Für beide Staging-Systeme konnte gezeigt werden, dass sie eine fundierte Aussage bezüglich der Prognose erlauben, wobei in multivariaten Analysen das Mayo-Schema dem Sheldon-System überlegen war. (Dhillon et al.
2015; Ashley et al.
2006; Kim et al.
2014) Der wichtigste Metastasierungsweg des Urachuskarzinoms ist der lymphatische. Bei den Urachuskarzinomen, die der Harnblase benachbart sind, ist eine Metastasierung in die iliakalen, präsakralen und später retroperitonealen, paraaortalen und parakavalen Lymphknoten zu erwarten. (Siefker-Radtke
2012; Ashley et al.
2006; Sheldon et al.
1984; Ghazizadeh et al.
1983; Siefker-Radtke et al.
2003) Die hämatogene Metastasierung erfolgt zumeist pulmonal, ossär, hepatisch oder in das ZNS. (Chen et al.
2008) Eine Besonderheit des Urachuskarzinoms ist die Peritonealkarzinose
, die als Pseudomyxoma peritonei auftreten kann und durch einen rasch progredienten Verlauf gekennzeichnet ist. (Niedworok et al.
2016; Siefker-Radtke et al.
2003; Herr et al.
2007) 21 % der Patienten mit einem Urachuskarzinom weisen zum Zeitpunkt der Diagnose bereits eine Lymphknoten- oder Fernmetastasierung auf. (Szarvas et al.
2016)
Tab. 1
Systematiken zur Einteilung des Urachuskarzinoms in seine klinischen Stadien. Am geläufigsten ist das Staging System nach Sheldon. Das Sheldon System orientiert sich maßgeblich an dem klinischen Verlauf. Da aufgrund der fehlenden Symptome nur wenige Urachuskarzinome erkannt werden, die noch auf die Mukosa des Urachus begrenzt sind, sind nur wenige Patienten beschrieben, die dem Sheldon Tumorstadium I zugeordnet werden können. (Ghazizadeh et al.
1983) Die klinische Beschreibung nach der Ontario-Klassifikation orientiert sich an der
TNM-Klassifikation solider Tumore. (Pinthus et al.
2006) Die klinische Stadieneinteilung nach der Mayo-Klassifikation stellt eine Zusammenfassung und Vereinfachung des Sheldon-Systems dar, und ist aus dieser hervorgegangen. Als vorteilhaft hat sich erwiesen, dass die Patientenverteilung innerhalb der Gruppen ausgewogener ist als in der Sheldon-Systematik. (Ashley et al.
2006)
I
| begrenzt auf die Mukosa des Urachus |
T1
| begrenzt auf die Submukosa des Urachus |
I
| begrenzt auf den Urachus oder die Harnblase |
II
| mit lokaler Ausbreitung begrenzt auf den Urachus |
III
| mit lokaler Ausbreitung |
T2
| mit lokaler Ausbreitung in die Muskularis der Harnblase |
IIIA
| … in die Harnblase |
IIIB
| … periurachal & in das vesikale Fettgewebe |
T3
| mit lokaler Ausbreitung in das periurachale oder das perivesikale Gewebe |
II
| mit lokaler Invasion über die Muskularis des Urachus oder der Harnblase hinaus |
IIIC
| … in das Peritoneum |
T4
| mit Ausbreitung in benachbarte Organe inkl. Bauchwand |
IIID
| … In viszerale Organe außer der Blase |
IV
| mit Metastasierung | | | | |
IVA
| … in Lymphknoten |
N
| separate Betrachtung |
III
| mit Metastasierung in regionale Lymphknoten |
IVB
| … in andere Organe |
M
| separate Betrachtung |
IV
| mit Metastasierung in nicht-regionale Lymphknoten oder andere entfernte Regionen |