Erschienen in:
27.06.2016 | Epilepsie | Leitthema
Epilepsie in der deutschsprachigen erzählenden Literatur
verfasst von:
Prof. Dr. P. Wolf
Erschienen in:
Clinical Epileptology
|
Ausgabe 4/2016
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Zusammenfassung
Die Geschichte der Epilepsie ist nicht ausschließlich Medizingeschichte, sondern Kulturgeschichte, zu der medizinische, juristische, religiöse und literarische Texte beitragen. Literarische Texte lassen sich unter ganz verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Der vorliegende Beitrag skizziert eine Geschichte der Epilepsie in der deutschsprachigen Literatur seit der Epoche der Aufklärung. Schriftsteller haben die verschiedensten Gründe, Epilepsie zu erwähnen, denen aber immer künstlerische und keine medizinischen Absichten zugrunde liegen. Zu den Besonderheiten der deutschsprachigen Literatur gehört, dass sich anders als in einigen Nachbarliteraturen die Realisten des 19. Jh.s kaum für Epilepsie interessiert haben, während sich ausgehend von Lichtenberg und Jean Paul eine satirische Tradition entwickelt hat, die es in anderen Literaturen so nicht gibt. Das Dritte Reich ist ein eigenes Thema sowohl wegen der Schicksale der jüdischen Autoren Georg Hermann, Joseph Roth und Ernst Weiß als auch der Bedrohung von Epilepsiekranken durch Zwangssterilisation und Mord. In der deutschen und den meisten Literaturen der Gegenwart gibt es ein großes Interesse an Epilepsie, wobei erfreulicherweise an die Stelle von Schwächemetaphern zunehmend attraktive und selbstständige Romanfiguren treten. Meistens wird heute von Autoren, die nicht aus eigener Anschauung schöpfen können, Epilepsie angemessen recherchiert, aber weiterhin nur selten als behandelbare Krankheit dargestellt, mit einer medikamentösen Behandlung, die überwiegend als sinnloser, von Nebenwirkungen behafteter medizinischer Selbstzweck erscheint.