Die Prävalenz beschreibt die Verteilung eines Ereignisses oder einer Eigenschaft in der Grundgesamtheit einer räumlichen oder zeitlich definierten Population. Da sie einen Ist-Zustand abbildet, ist sie weder für die Beurteilung der Ätiologie noch der Prognose dienlich. Sie eignet sich hingegen eher zur Verteilung von Ressourcen im Gesundheitssystem.
Die Anzahl der Studien zur Prävalenz der Epilepsien übersteigt die Anzahl der Inzidenzstudien deutlich, was v. a. an ihrem geringeren Aufwand und Kosten liegt. Zur Abschätzung der Prävalenz werden in den meisten Studien Menschen mit aktiver Epilepsie berücksichtigt, also Patienten, bei denen nach der operationalen ILAE-Definition eine Epilepsie besteht und die mindestens einen Anfall in den 5 Jahren vor der Erhebung erlitten haben.
Die Punktprävalenz der aktiven Epilepsien liegt bei ca. 6,4/1000 (95 % CI 5,6–7,3) und unterscheidet sich nach Herkunftsland, Alter und Geschlecht mitunter erheblich [
7]. In einer Übersichtsarbeit europäischer Studien lag die Prävalenz aller Altersgruppen zwischen 3,3 und 7,8/1000 Einwohner [
8]. Bei einem Anteil von 0,6 % der Bevölkerung (6/1000) leiden in Deutschland etwa 500.000 Menschen (von 83 Mio., Stand 2021) an einer Epilepsie. In der EPIDEG-Studie (EPIDemiology of Epilepsies in Germany) wurde 1995 erstmalig an einer repräsentativen, bundesweiten Stichprobe die Prävalenz behandelter Patienten mit Epilepsie in Deutschland erhoben und 2010 in der zweiten Studie erneut erfasst. In diesem Zeitraum stieg die Prävalenz von 4,7 auf 5,5/1000 [
9], vergleichbar mit der Prävalenz in anderen europäischen Ländern und früheren Studien in Deutschland. In Europa lag die Prävalenz bei Erwachsenen zwischen 20 und 64 Jahren bei etwa 5,3 bis 6,3/1000 (1,9 Mio.) und im Vergleich dazu bei Kindern und Jugendlichen im Bereich von 3,2 bis 5,1/1000 (0,9 Mio.). Bei älteren Menschen gehen die Angaben zur Prävalenz weiter auseinander (3,0 bis 7,6/1000; 0,6 Mio. bei den über 65-Jährigen) [
8]. Eine weitere Studie konnte mithilfe von Rezeptdaten in Deutschland 2009 eine Periodenprävalenz von 9,1/1000 für Medikamentenverordnungen aufgrund einer Epilepsie feststellen. Bei älteren Menschen (≥ 65. LJ) war sie mit 12,5/1000 deutlich höher als bei Kindern und Jugendlichen (< 18. LJ, 5,2/1000) und höher als bei Erwachsenen (8,9/1000) [
10]. In Island wurde ein Anstieg von 6,7/1000 bei den 55- bis 64-Jährigen auf 7,3/1000 bei den über 85-Jährigen beschrieben, eine dänische Studie zeigte für dieselben Altersgruppen einen Anstieg von 7,1 auf 12,1/1000, und in England und Deutschland wurden Werte bis maximal 20/10.000 beschrieben [
11].
Unterschätzung der Anfälle im Alter
Als Grund für die in einigen Studien niedrigere Prävalenz im höheren Lebensalter sind eine unvollständige Identifizierung von Menschen mit aktiver Epilepsie und damit eine Unterschätzung in dieser Altersgruppe anzunehmen. In 4 Seniorenheimen im Raum Erlangen war bei 2,8 % von 389 befragten Bewohnern im Alter von 82,5 Jahren (66 bis 105 Jahre) eine Epilepsie festzustellen, die vor Beginn der Studie lediglich bei 1,8 % diagnostiziert war [
5]. Zudem leben 30 % aller über 60-Jährigen in Deutschland alleine, bis 2040 werden es 33 % sein [
12]. Mit 80 Jahren lebt die Hälfte der Frauen (56 %) und 22 % der Männer leben alleine [
13]. Daher ist anzunehmen, dass Anfälle bei älteren Menschen häufig unbeobachtet bleiben. Zudem treten in höherem Lebensalter häufiger Anfälle mit subtiler Semiologie auf [
5].