Der aktuelle Goldstandard für die Thromboseprophylaxe nach Knochenbruch-Operationen ist niedermolekulares Heparin. Nun zeigt eine große randomisierte Studie: Es geht auch mit ASS – allerdings gilt es abzuwägen.
ASS hat sich zur Thromboseprophylaxe nach Fraktur-Eingriffen in einer großen randomisierten Studie als genauso effektiv und sicher herausgestellt wie niedermolekulares Heparin. Die Ergebnisse der PREVENT CLOT-Studie sind aktuell im New England Journal of Medicine publiziert worden.
ASS wäre die angenehmere Variante für die Patienten
Schon seit geraumer Zeit wird Aspirin als alternative Thromboseprophylaxe nach Frakturbehandlungen gehandelt. Wie die Autorschaft von PREVENT CLOT ausführt, ist ASS deshalb so interessant, weil es die kostengünstigere und für die Patienten wegen seiner oralen Einnahme angenehmere Variante darstellt als der bisherige Goldstandard, das niedermolekulare Heparin, das subkutan injiziert werden muss. Beflügelt wurde die Idee durch einige frühere Studien und Metaanalysen, die dem Plättchenhemmer eine zumindest ebenbürtige Wirksamkeit attestiert haben. Allerdings hat die im letzten Jahr veröffentliche CRISTAL-Studie den "ASS-Fans" einen Dämpfer verpasst. In dieser randomisierten Studie hat ASS symptomatische venöse Thromboembolien bei Patienten mit Kniegelenkersatzoperationen nämlich nicht so gut verhindern können wie Enoxaparin.
12.211 Patienten wurden randomisiert
Die PREVENT CLOT-Studie sollte nun den Beweis erbringen, dass ASS als Thromboseprophlaxe bei Patienten, die wegen einer Fraktur in den Extremitäten (von der Schulter bis zum Handgelenk, von der Hüfte bis zum Mittelfuß) operiert worden sind oder die einen Becken- oder Hüftgelenksbruch erlitten hatten, genauso wirksam ist wie niedermolekulares Heparin. Die Studie war also auf Nichtunterlegenheit ausgelegt. 12.211 Patientinnen und Patienten mit entsprechenden Indikationen wurden in 21 Zentren in den USA und Kanada während des Krankenhausaufenthaltes in einem offenen Design randomisiert: Die Hälfte bekam Enoxaparin 30 mg 2 × täglich, die anderen Patienten erhielten stattdessen Aspirin 81 mg 2 × täglich. Die Behandlung wurde nach dem Klinikaufenthalt fortgesetzt, allerdings war die Dauer nicht vorgegeben, sondern hing von klinikinternen Protokollen ab. Im Median lag die Behandlungsdauer in beiden Gruppen bei 21 Tagen.
Keinen Unterschied bei der Sterblichkeit
Nach 90 Tagen gab es keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich des primären Endpunktes: Tod jeglicher Ursache. 0,78% der mit ASS behandelten Patienten waren in diesem Zeitraum verstorben vs. 0,73% in der Heparin-Gruppe (p ˂ 0,001 für Nichtunterlegenheit).
Schaut man sich die Raten an tiefe Beinvenenthrombosen an – ein sekundärer Endpunkt – lässt sich numerisch betrachtet allerdings ein gewisser Vorteil für Enoxaparin ausmachen: Zu einem solchen Ereignis kam es nämlich bei 1,71% der Patienten in der Heparin-Gruppe vs. 2,51% der Patienten in der ASS-Gruppe (0,8 Prozentpunkte Unterschied).
Die Raten an Lungenembolien (je 1,49% in beiden Gruppen), Blutungskomplikationen und anderen schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen fielen in beiden Gruppen dagegen ähnlich aus.
Gesundheitspersonal muss abwägen
Die Forschergruppe von PREVENT CLOT geht angesichts dieser Ergebnisse davon aus, dass ASS „so sicher und effektiv ist wie niedermolekulares Heparin in der Verhinderung tödlicher Thromboembolien nach orthopädischen Verletzungen“. Ihrer Ansicht nach sollte das Gesundheitspersonal deshalb bei Patienten mit ähnlichen Charakteristika wie in der vorliegenden Studie gemeinsam mit dem Patienten abwägen: Aspirin hat sich gegenüber niedermolekularem Heparin bzgl. der Sterblichkeit und bzgl. dem Auftreten von Lungenembolien als nichtunterlegen erwiesen, die Heparin-Therapie ist kostenaufwendiger als die ASS-Behandlung und sie muss subkutan verabreicht werden, unter ihr scheint es aber zu etwas weniger tiefe Beinvenenthrombosen zu kommen.