Skip to main content

19.01.2023 | Frakturen und Folgeschäden | Nachrichten

Thromboseprophylaxe nach Knochenbruch-OP: Geht auch ASS statt Heparin?

verfasst von: Veronika Schlimpert

Der aktuelle Goldstandard für die Thromboseprophylaxe nach Knochenbruch-Operationen ist niedermolekulares Heparin. Nun zeigt eine große randomisierte Studie: Es geht auch mit ASS – allerdings gilt es abzuwägen.

ASS hat sich zur Thromboseprophylaxe nach Fraktur-Eingriffen in einer großen randomisierten Studie als genauso effektiv und sicher herausgestellt wie niedermolekulares Heparin. Die Ergebnisse der PREVENT CLOT-Studie sind aktuell im New England Journal of Medicine publiziert worden.

ASS wäre die angenehmere Variante für die Patienten

Schon seit geraumer Zeit wird Aspirin als alternative Thromboseprophylaxe nach Frakturbehandlungen gehandelt. Wie die Autorschaft von PREVENT CLOT ausführt, ist ASS deshalb so interessant, weil es die kostengünstigere und für die Patienten wegen seiner oralen Einnahme angenehmere Variante darstellt als der bisherige Goldstandard, das niedermolekulare Heparin, das subkutan injiziert werden muss. Beflügelt wurde die Idee durch einige frühere Studien und Metaanalysen, die dem Plättchenhemmer eine zumindest ebenbürtige Wirksamkeit attestiert haben. Allerdings hat die im letzten Jahr veröffentliche CRISTAL-Studie den "ASS-Fans" einen Dämpfer verpasst. In dieser randomisierten Studie hat ASS symptomatische venöse Thromboembolien bei Patienten mit Kniegelenkersatzoperationen nämlich nicht so gut verhindern können wie Enoxaparin.

12.211 Patienten wurden randomisiert

Die PREVENT CLOT-Studie sollte nun den Beweis erbringen, dass ASS als Thromboseprophlaxe bei Patienten, die wegen einer Fraktur in den Extremitäten (von der Schulter bis zum Handgelenk, von der Hüfte bis zum Mittelfuß) operiert worden sind oder die einen Becken- oder Hüftgelenksbruch erlitten hatten, genauso wirksam ist wie niedermolekulares Heparin. Die Studie war also auf Nichtunterlegenheit ausgelegt. 12.211 Patientinnen und Patienten mit entsprechenden Indikationen wurden in 21 Zentren in den USA und Kanada während des Krankenhausaufenthaltes in einem offenen Design randomisiert: Die Hälfte bekam Enoxaparin 30 mg 2 × täglich, die anderen Patienten erhielten stattdessen Aspirin 81 mg 2 × täglich. Die Behandlung wurde nach dem Klinikaufenthalt fortgesetzt, allerdings war die Dauer nicht vorgegeben, sondern hing von klinikinternen Protokollen ab. Im Median lag die Behandlungsdauer in beiden Gruppen bei 21 Tagen.

Keinen Unterschied bei der Sterblichkeit

Nach 90 Tagen gab es keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich des primären Endpunktes: Tod jeglicher Ursache. 0,78% der mit ASS behandelten Patienten waren in diesem Zeitraum verstorben vs. 0,73% in der Heparin-Gruppe (p ˂ 0,001 für Nichtunterlegenheit).

Schaut man sich die Raten an tiefe Beinvenenthrombosen an – ein sekundärer Endpunkt – lässt sich numerisch betrachtet allerdings ein gewisser Vorteil für Enoxaparin ausmachen: Zu einem solchen Ereignis kam es nämlich bei 1,71% der Patienten in der Heparin-Gruppe vs. 2,51% der Patienten in der ASS-Gruppe (0,8 Prozentpunkte Unterschied).  

Die Raten an Lungenembolien (je 1,49% in beiden Gruppen), Blutungskomplikationen und anderen schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen fielen in beiden Gruppen dagegen ähnlich aus.

Gesundheitspersonal muss abwägen

Die Forschergruppe von PREVENT CLOT geht angesichts dieser Ergebnisse davon aus, dass ASS „so sicher und effektiv ist wie niedermolekulares Heparin in der Verhinderung tödlicher Thromboembolien nach orthopädischen Verletzungen“. Ihrer Ansicht nach sollte das Gesundheitspersonal deshalb bei Patienten mit ähnlichen Charakteristika wie in der vorliegenden Studie gemeinsam mit dem Patienten abwägen: Aspirin hat sich gegenüber niedermolekularem Heparin bzgl. der Sterblichkeit und bzgl. dem Auftreten von Lungenembolien als nichtunterlegen erwiesen, die Heparin-Therapie ist kostenaufwendiger als die ASS-Behandlung und sie muss subkutan verabreicht werden, unter ihr scheint es aber zu etwas weniger tiefe Beinvenenthrombosen zu kommen.

Literatur

Major Extremity Trauma Research Consortium (METRC): Aspirin or Low-Molecular-Weight Heparin for Thromboprophylaxis after a Fracture. N Engl J Med 2023; 388:203-213; DOI: 10.1056/NEJMoa2205973

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

ANZEIGE

Bei Immuntherapien das erhöhte Thromboserisiko beachten

Unter modernen Systemtherapien versechsfacht sich das VTE-Risiko. Warum diese Daten relevant für die Behandlung krebsassoziierter Thrombosen sind, erläutert Prof. F. Langer im Interview. So kann es durch Immuntherapien zu inflammatorischen Syndromen z.B. im GI-Trakt kommen. Nebenwirkungen wie Durchfall oder Mukositis haben dann Einfluss auf die Wirksamkeit oraler Antikoagulantien. Aber auch in punkto Blutungsrisiko ist Vorsicht geboten. Wann hier bevorzugt NMH eingesetzt werden sollten, erläutert Prof. Langer im Interview.

ANZEIGE

CAT-Management ist ganz einfach – oder doch nicht?

Krebsassoziierte venöse Thromboembolien (CAT) haben in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Was hat der Anstieg mit modernen Antitumortherapien zu tun? Venöse Thromboembolien sind relevante Morbiditäts- und Mortalitätsfaktoren in der Onkologie. Besonders hoch sind die Risiken bei Tumoren des Abdominalraums. Eine antithrombotische Primärprophylaxe ist daher gerade bei gastrointestinalen (GI-) Tumoren auch im ambulanten Setting wichtig.

ANZEIGE

Management von Thromboembolien bei Krebspatienten

Die Thromboembolie ist neben Infektionen die zweithäufigste Todesursache bei Krebspatienten. Die Behandlung der CAT (cancer associated thrombosis) ist komplex und orientiert sich am individuellen Patienten. Angesichts einer Vielzahl zur Verfügung stehender medikamentöser Behandlungsoptionen finden Sie hier Video-Experteninterviews, Sonderpublikationen und aktuelle Behandlungsalgorithmen zur Therapieentscheidung auf Basis von Expertenempfehlungen.

LEO Pharma GmbH