Erschienen in:
05.10.2017 | Originalien
Gefährdende Exposition im Berufskrankheitenrecht
Gewerbeärztliche Vorschläge zum Beweisnotstand
verfasst von:
G. Korinth, F. Scharfenberg, T. Nauert, Prof. Dr. U. Bolm-Audorff
Erschienen in:
Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie
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Ausgabe 1/2018
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Zusammenfassung
Hintergrund
Ein Beweisnotstand bei der Exposition der Versicherten führt zur Ablehnung einer Berufskrankheit (BK) durch die gesetzlichen Unfallversicherungsträger (UVT). In dieser Arbeit wurden solche Fälle im Rahmen der gewerbeärztlichen Bearbeitung gemäß § 4 BKV evaluiert.
Methodik
Gewerbeärzte wurden mittels eines strukturierten Fragebogens zu BK-Fällen befragt, bei denen Versicherte eine gefährdende Exposition angegeben haben. Der Begriff „Beweisnotstand“ gefährdender Exposition wurde zuvor definiert. Beweisnotstand entsteht dann, wenn UVT eine geeignete Exposition verneint haben, weil die Arbeitsplätze nicht mehr vorhanden waren, betriebliche Unterlagen bzw. Messergebnisse fehlten, Beweise nicht erhoben oder betriebliche Zeugen nicht ermittelt werden konnten. Eine systematische Archivrecherche erfolgte nicht.
Ergebnisse
Im Zeitraum 2015 bis 2017 wurden 21 Fälle (darunter 17 Krebserkrankungen) aus 7 Bundesländern diskutiert. In 3 Fällen (Lungenkrebs, BK-Nr. 4104; Harnblasenkrebs, BK-Nr. 1301; akute myeloische Leukämie, BK-Nr. 1318) wurde anhand der Schilderung der Versicherten, der langjährigen Exposition und der Literaturerkenntnisse eine gefährdende Exposition als plausibel bewertet. Ein Beweisnotstand ergab sich aus der fehlenden betrieblichen Dokumentation.
Diskussion
Es wurden wenige Fälle des Beweisnotstandes gesichert. Kontrovers diskutiert wurden 4 abgelehnte Mesotheliome. In 2 weiteren Fällen war das BK-Verfahren nicht abgeschlossen und die Anerkennung noch möglich. Da in einigen Bundesländern BKen gewerbeärztlich kaum bearbeitet werden, ist von einer erheblichen Dunkelziffer nicht identifizierter Fälle mit Beweisnotstand auszugehen. Eine gesetzliche Verankerung der Glaubhaftmachung in Anlehnung an andere Rechtsgebiete würde zu einem höheren Maß an Einzelfallgerechtigkeit führen.