Radiojodtherapie bei Hyperthyreose: Moderat erhöhtes Krebssterberisiko

Möglicherweise ist eine Radiojodtherapie wegen Hyperthyreose mit einem moderat erhöhten Krebssterberisiko assoziiert. Das lassen Schätzungen in einer US-Kohortenstudie über mehr als zwei Dekaden vermuten. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. In der Cooperative Thyrotoxicosis Therapy Follow-up Study mit mehr als 35.000 Teilnehmern, die zwischen 1946 und 1964 in den USA und Großbritannien aufgenommen worden waren, konnte im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung kein Anstieg der Gesamt- und organspezifischen Mortalität bei Hyperthyreosepatienten mit Radiojodtherapie festgestellt werden. Obwohl die Mortalität bei Radiojodbehandelten mit Schilddrüsenkrebs vierfach erhöht war, wurde kein Zusammenhang mit der Jodtherapie gesehen, weshalb letztlich diese Form der Bestrahlung als sicher gewertet wurde. Inzwischen wurde die Studie um 24 Jahre bis auf das Maximum von 68 Jahren verlängert. Für die Auswertung standen nun deutlich verbesserte Möglichkeiten zur Verfügung, um die Belastung verschiedener Organe mit Jod-131 während der Strahlentherapie abschätzen zu können. Ziel einer neuen Auswertung war, den Zusammenhang zwischen Strahlendosis und organspezifischer Krebsmortalität zu bestimmen. Hyperthyreose meist bei Patienten mit Morbus Basedow Für die Analyse standen die Befunde von fast 19.000 Patienten mit Hyperthyreose zur Verfügung, wie Dr. Cari M. Kitahara und ihre Kollegen des National Cancer Institute in Bethesda in den USA berichten. Mit 17.615 (93,7%) hatten die meisten Studienteilnehmer eine Hyperthyreose im Zusammenhang mit Morbus Basedow, 5% bei einer toxischen nodulären Struma. 46% erhielten eine Radiojodtherapie kombiniert mit Thyreostatika, 38% ausschließlich die Strahlentherapie, 12% die Bestrahlung plus eine medikamentöse Therapie zusätzlich zur Op. und knapp 4% die Radiojodtherapie plus Operation. Fast zwei von drei Patienten wurden nur einmal radiojodtherapeutisch behandelt, knapp 20% zweimal. Bei Basedow-Patienten lag die durchschnittliche Radioaktivität (per Diagnostik und Therapie) bei 375 MBq, in der Gruppe der Patienten mit nodulärer Struma bei 653 MBq. Die höchste Strahlenbelastung fand sich erwartungsgemäß in der Schilddrüse mit einem durchschnittlichen Wert von 130 Gy. Im Ösophagus lag der Wert mit 1,6 Gy deutlich niedriger und mit 100–400 mGy noch niedriger unter anderem in Leber, Lunge, weiblicher Brust und Niere. Sehr gering waren die Werte unter anderem in Uterus, Gehirn, Prostata und Rektum mit nur 20–99 mGy. Während des Follow-up von durchschnittlich 26 Jahren (maximal 68 Jahre) starben fast 15.500 Studienteilnehmer (82,3%). Bei 15,3% war die primäre Todesursache Krebs. Einen signifikanten positiven dosisabhängigen Zusammenhang mit der Mortalität entdeckten die Wissenschaftler schließlich bei Frauen mit Brustkrebs (n = 291; relatives Risiko [RR] bei 100-mGy-Dosis in der Brust: 1,12 (95%-Konfidenzintervall: 1,003–1,32; p = 0,04) sowie für alle anderen soliden Tumoren kombiniert (RR bei 100-mGy-Dosis im Magen: 1,05; 95%-Konfidenzintervall: 1,01–1,10; p = 0,01). Die Wahrscheinlichkeit, an den Folgen irgendeiner Tumorerkrankung zu sterben (n = 1984), lag schließlich um 6% höher, wenn die Strahlendosis im Magen bei 100 mGy lag (RR: 1,06; 95%-Konfidenzintervall: 1,02–1,10; p = 0,02). Trotz der hohen Strahlendosis in der Schilddrüse wurde kein signifikanter Zusammenhang mit der Sterberate nach Schilddrüsenkrebs festgestellt. In der Kohorte waren nur 15 Teilnehmer an den Folgen von Schilddrüsenkrebs gestorben. Ähnliche Zusammenhänge nach Atombombenabwurf in Japan Die Ärzte schätzen aufgrund ihrer Studienergebnisse – unter Berücksichtigung der aktuellen Sterberate in den USA –, dass auf 1000 Patienten, die durch die Radiojodtherapie wegen einer Hyperthyreose im Alter von 40 Jahren eine Dosis von 100 mGy im Magen oder in der Brust erhalten, 13 Patienten zusätzlich an den Folgen einer Krebserkrankung aufgrund eines soliden Tumors sterben. Darunter seien drei Frauen mit Brustkrebs. Bei höheren Strahlendosen, wie sie inzwischen üblich seien, sei bei Therapie im Alter von 40 Jahren mit bis zu 32 zusätzlichen Krebssterbefällen pro 1000 Patienten zu rechnen. Kitahara und ihre Kollegen erinnern daran, dass auch in der Life Span Study ähnliche Schätzwerte zum relativen Sterberisiko im Zusammenhang mit Krebserkrankungen bei einer Strahlenexposition beobachtet wurden. An der Studie hatten Überlebende nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki in Japan teilgenommen. Die Forscher schätzten ein um 9% erhöhtes relatives Sterberisiko im Zusammenhang mit Brustkrebs (95%-Konfidenzintervall: 1,003–1,32) bei einer 100-mGy-Strahlendosis im Alter von 30 Jahren. In der aktuellen Studie lag der Risikozuwachs bei 12%. Das Wichtigste in Kürze Frage: Gibt es bei Patienten mit Hyperthyreose eine Assoziation zwischen Radiojodtherapie und Gesamt- sowie organspezifischer Krebsmortalität? Antwort: Die Langzeitstudie über fast sieben Dekaden liefert Hinweise auf einen mäßig positiven Zusammenhang zwischen organspezifischer Strahlendosis und Mortalität, auch bei Brustkrebs. Bedeutung: Der Zusammenhang konnte erstmals auf Basis verlässlicher Angaben zu absorbierten Strahlendosen exponierter Organe und Gewebe gesehen werden. Einschränkung: Begrenzte Aussagekraft durch Unsicherheit bei der Dosisabschätzung sowie niedrige Sterbefallzahlen. Verzerrende Faktoren wie Rauchen, Adipositas und Alkoholkonsum nicht berücksichtigt.

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