Erhöhen Hypoglykämien das kardiovaskuläre Risiko bei Diabetes?

Hypoglykämien im Zusammenhang mit Diabetes waren in vielen Studien mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert. Nach Ergebnissen einer neuen Studienanalyse liegt dieser Assoziation aber wohl kein kausaler Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen zugrunde. Lassen sich kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit Diabetes ursächlich auf zuvor aufgetretene Hypoglykämien zurückführen oder sind Letztere nur ein Marker für das bei Diabetes erhöhte kardiovaskuläre Risiko? Dieser Frage ist eine Forschergruppe mit Prof. Nikolaus Marx vom Universitätsklinikum Aachen als Erstautor und Dr. Ahmed Kolkailah vom UT Southwestern Medical Center, Dallas, als Leiter in einer Post-hoc-Analyse von Daten aus zwei großen randomisierten Studien (CARMELINA und CAROLINA) bei Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes nachgegangen. In der CARMELINA -Studie bestand eine bidirektionale Assoziation: Danach waren sowohl Hypoglykämien mit nachfolgenden kardiovaskulären Ereignissen als auch kardiovaskuläre Ereignisse mit nachfolgenden Hypoglykämien assoziiert. In der CAROLINA -Studie konnte keine Assoziation, weder in die eine noch in die andere Richtung, festgestellt werden. Nach Einschätzung der Studienautoren sprechen diese Ergebnisse dafür, dass Hypoglykämien ein Risikomarker und kein kausal wirksamer Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse sind. Datenbasis bildeten zwei große Linagliptin-Studien In den Studien CARMELINA und CAROLINA ist der DPP-4-Hemmer Linagliptin bezüglich seiner kardiovaskulären Sicherheit untersucht worden – zum einen im Vergleich zu Placebo (CARMELINA), zum anderen gegen den Sulfonylharnstoff Glimepirid als Vergleichssubstanz (CAROLINA). Die beiden Studien unterscheiden sich durch das Risikoprofil ihrer Patientenkollektive. So war der Anteil an Patienten mit manifester kardiovaskulärer und/oder renaler Erkrankung in der CARMELINA-Studie wesentlich höher als in der CAROLINA-Studie. Dementsprechend war die Inzidenzrate für den primären 3-Komponenten-Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher Herzinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall) in CARMELINA mehr als 2,5-fach höher als in CAROLINA. In beiden Studien bestand am Ende bezüglich des primären Endpunktes kein Unterschied zwischen Linagliptin und der jeweiligen Vergleichssubstanz – auch nicht bezüglich renaler Endpunkte oder Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz. Hypoglykämien traten jedoch in CAROLINA unter Glimepirid häufiger auf als unter Linagliptin. Bidirektionale Assoziation in der CARMELINA-Studie … Für die aktuelle Analyse ist dem primären 3-Komponenten-Endpunkt noch der Endpunkt Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz hinzugefügt worden. Hypoglykämien waren in der CARMELINA-Studie mit einem relativ um 23% höheren Risiko für nachfolgende kardiovaskuläre Ereignisse des erweiterten Endpunktes assoziiert (Hazard Ratio [HR]: 1,23; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,04–1,46). Ebenso waren nicht tödliche kardiovaskuläre Ereignisse mit einem relativ um 39% höheren Risiko für in der Folge auftretende Hypoglykämien assoziiert (HR: 1,39; 95%-KI: 1,06–1,83). … und keine Assoziation in der CAROLINA-Studie In der CAROLINA-Studie bestanden dagegen keine Assoziationen, weder zwischen Hypoglykämien und nachfolgenden kardiovaskulären Ereignissen (HR: 1,00; 95%-KI: 0,76–1,32) noch zwischen nicht tödlichen kardiovaskulären Ereignissen und nachfolgenden Hypoglykämien (HR: 1,44; 95%-KI: 0,96–2,16). Für beide Studien boten sich auch in Analysen, die auf den Zeitraum der ersten 60 Tage nach Hypoglykämieepisoden beschränkt waren, keine Anhaltspunkte für eine Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse nach Unterzuckerung. Und obwohl die Behandlung mit Linagliptin in CAROLINA im Vergleich zu Glimepirid mit weniger Unterzuckerungen einherging, zeigte sich mit Blick auf kardiovaskuläre Ereignisse kein Unterschied zugunsten des DPP4-Hemmers. Zweifel an der These einer Kausalität Nach Ansicht der Studienautoren wecken diese Beobachtungen Zweifel an der häufig vertretenen These, dass Hypoglykämien in kausaler Beziehung zur künftigen Entwicklung von Herzinfarkten und Schlaganfällen stünden. Wahrscheinlicher sei, dass Hypoglykämien ein Merkmal von kränkeren Hochrisikopatienten mit gleichzeitiger Prädisposition sowohl für Unterzuckerungen als auch für kardiovaskuläre Ereignisse sind, ohne dass zwischen beiden eine ursächliche Beziehung besteht – also Risikomarker statt kausalem Risikofaktor. An der Verpflichtung, Hypoglykämien und damit für die Patienten verbundene Belastungen in der antidiabetischen Therapie konsequent zu vermeiden, ändere sich dadurch nichts, betonen Marx und seine Mitautoren.

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