Erschienen in:
06.08.2019 | Originalarbeit
Idealbildung ohne Schuldgefühl?
„Wo Über-Ich war – soll Ich werden“
verfasst von:
Renate Kohlheimer
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
|
Ausgabe 4/2019
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Zusammenfassung
Ausgehend von der Frage, wieweit der Analytiker in der analytischen Situation mit seinen Über-Ich-Ansprüchen und Idealvorstellungen konfrontiert ist, geht diese Arbeit der Frage nach, in welcher Weise der vom Patienten ausgeübte bewusste oder unbewusste Druck Auswirkungen auf den Analytiker und sein Über-Ich im analytischen Prozess haben kann. Die Person des Analytikers muss sich im oft beunruhigenden Kontext widersprüchlicher behandlungstechnischer Gegebenheiten bewähren können, ohne eigenen Omnipotenzwünschen in einer Manipulation des Patienten zu verfallen oder sich angstvoll in einer unpersönlichen Distanz zu entziehen.
Die Überlegung der Autorin ist, inwieweit für den Analytiker und sein analytisches Über-Ich ein gutes, inneres Objekt hilfreich sein kann, in Situationen, in denen Enactments und Kollusionen eine Rolle spielen. Dies impliziert auch die Fähigkeit des Analytikers, Nicht-Wissen im Sinne der „negative capability“ zu ertragen.
Anhand einer Fallvignette soll aufgezeigt werden, welche Aspekte sich im klinischen Material finden lassen, die sich als Über-Ich bzw. Über-Ich-Funktionen präsentieren. Dabei wird deutlich, dass die Bereitschaft der Analytikerin, den Neid und die verstörenden Projektionen der Patientin in der Gegenübertragung wahrzunehmen und zu objektivieren – das heißt zu denken – oftmals auf eine harte Probe gestellt wird.