Erschienen in:
01.05.2011 | Leitthema
Idiopathische generalisierte Epilepsien
Genetik und Pathophysiologie
verfasst von:
Y.G. Weber, T. Sander, Prof. Dr. H. Lerche
Erschienen in:
Clinical Epileptology
|
Ausgabe 2/2011
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Zusammenfassung
Idiopathische Epilepsien haben eine überwiegend genetische Ätiologie. Selten findet sich eine monogene Vererbung, bei der eine einzelne Genmutation für die Manifestation des Phänotyps verantwortlich ist. Meist liegt eine komplexe genetische Disposition vor, bei der das Zusammenspiel mehrerer genetischer Faktoren die Epilepsie verursacht. Die idiopathischen generalisierten Epilepsien (IGE) sind mit einer Heritabilität von 80% überwiegend komplex-genetisch bedingt. Klinisch sind die IGE-Subtypen durch primär generalisierte Anfallsformen, einen altersabhängigen Beginn, typische Veränderungen im EEG und eine meist normale psychomotorische Entwicklung gekennzeichnet. Die häufigsten Unterformen der IGE sind die kindlichen und juvenilen Absence-Epilepsien (CAE, JAE), die juvenile myoklonische Epilepsie (JME) und die Aufwach-Grand-Mal-Epilepsie (EGMA). Eng verwandt sind die früh beginnende Absence-Epilepsie (EOAE) und die generalisierte/genetische Epilepsie mit Fieberkrämpfen plus (GEFS+). In den letzten Jahren wurde eine zunehmende Zahl an Genen idenitifziert, die für Untereinheiten von spannungs- und ligandengesteuerten Ionenkanälen codieren und mit monogenen idiopathischen Epilepsien assoziiert sind, wie Mutationen in Natriumkanal- und GABA(A)-Rezeptor-Untereinheiten bei GEFS+. Selten wurden solche Mutationen auch bei den häufigsten IGE-Subtypen gefunden, v. a. in GABA(A)-Rezeptor-Untereinheiten, die zu einem partiellen Verlust der neuronalen Hemmung führen. Bei Absencen, insbesondere bei der EOAE wurden Mutationen des Glucosetransporters Typ 1 (GLUT1) identifiziert, die einen reduzierten Glucosetransport über die Blut-Hirn-Schranke bedingen. Kürzlich wurden auch bestimmte chromosomale Mikrodeletionen als prädisponierend bei bis zu 2,5% der häufigen IGE-Subtypen nachgewiesen. Aufgrund der Komplexität der Genetik bei IGE steht die Aufklärung der zugrunde liegenden Erbgutveränderungen noch in den Anfängen. Durch die neuen verfügbaren Sequenziertechniken besteht nun die Möglichkeit, exom- und genomweit die genetischen Veränderungen aufzudecken. Die Autoren hoffen, dass dies einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung der Pathophysiologie dieser wichtigen und häufigen Gruppe von Epilepsien leisten wird.