Parallel zur kontinuierlichen Entwicklung der ICD-Therapie erfolgte die genaue Charakterisierung der Patienten, deren Leben durch den ICD verlängert wurde. Zunächst sollten nur Patienten mit einem ICD versorgt werden, die bereits anhaltende ventrikuläre Tachyarrhythmien hatten (sog.
Sekundärprävention). Für dieses Patientenkollektiv wurden bereits 1991 Empfehlungen zur ICD-Implantation durch die North American Society of Pacing and Electrophysiology [
69], das American College of Cardiology/American Heart Association [
70] und die DGK [
71] formuliert – und ein Jahr später auch von der European Society of Cardiology [
72]. Zu dieser Zeit erfolgten fast alle Implantationen mittels Thorakotomie, und es gab noch keine randomisierten Studien. Der angenommene Überlebensvorteil durch den ICD basierte auf Überlebenskurven ohne adäquate effektive Schockabgaben oder Tod im Vergleich zu den tatsächlichen Überlebenskurven [
73]. Es folgten drei randomisierte Studien mit Patienten der Sekundärpräventionsbehandlung (AVID, CIDS und CASH). Diese verglichen alleinige Antiarrhythmika-Therapie gegen ICD-Behandlung und wurden zwischen 1997 und 2000 publiziert. CASH war eine Hamburger Multicenterstudie unter Leitung von Karl-Heinz Kuck [
74]. Eine Metaanalyse zeigte eine relative Reduktion der Mortalität von 27 % durch den ICD gegenüber Amiodaron und festigte damit die Indikationsstellung zur ICD-Sekundärprävention [
75]. Bereits 1996 und 1997 waren zwei Studien zur Primärprophylaxe des plötzlichen Herztodes mittels ICD (MADIT, CABG-Patch) publiziert worden, an der als einzige nichtamerikanische Zentren Magdeburg und Hannover bzw. Münster und Heidelberg teilnahmen [
76,
77]. Es folgten von 2002 bis 2009 sechs weitere randomisierte Studien zur Primärprophylaxe, mit zum Teil hohen Patientenzahlen (MADIT II, DINAMIT, SCDHeFT, IRIS, DEFINITE, AMIOVIRT). In allen Studien war eine hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre Ejektionsfraktion das entscheidende Einschlusskriterium. Beide Postinfarktstudien (DINAMIT [
78] und IRIS [
79]) sowie eine Pilotstudie bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie (CAT [
80]) standen unter deutscher Leitung (Stefan Hohnloser, Gerhard Steinbeck, Karl-Heinz Kuck) mit der Beteiligung von vielen deutschen Implantationszentren. An der größten Studie für die ischämische Kardiomyopathie (MADIT II [
81]) waren zwei deutschen Zentren (Magdeburg, Bad Nauheim) beteiligt. Zusammengefasst war die Botschaft der randomisierten Studien zur Primärprävention: Besteht trotz ausreichend langer Zeit nach kausalen Therapien und/oder Initiierung einer optimalen medikamentösen Therapie weiterhin eine hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion, so ist ein ICD indiziert. Die Erkenntnisse für die Primärprävention bei seltenen Erkrankungen wurden und werden aus prospektiven Studien immer differenzierter – mit zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen aus Deutschland, z. B. zur Amyloidose [
82], arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie [
83], hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie [
84] und zum Short-QT-Syndrom [
85]. Die letzten, rein ICD-bezogenen Leitlinien erschienen in Deutschland 2006 [
86] und in den USA 2008 [
87] mit einer Anpassung an neuere Daten 2012 [
88]. Heute ist die Indikation zur ICD-Therapie in den Leitlinien zur Behandlung von VT bzw. Prävention des „Sudden Cardiac Death“, des „Heart Failure“ oder der „Cardiomyopathies“ integriert. Die Indikationen zur ICD-Therapie, sowohl zur Sekundär- wie auch zur Primärprävention blieben über die Jahre unverändert. Erst 2022 wurde die Indikation zur ICD-Primärprävention bei der nichtischämischen Kardiomyopathie wegen der 2016 publizierten DANISH-Studie zurückgestuft [
89,
90]. Grund war die nicht mehr signifikante Reduktion der Mortalität durch die ICD-Therapie in dieser Studie. Seit 2015 sanken die ICD-Neuimplantationen in Deutschland von 30.002 auf 20.047 im Jahr 2021 um 33 % [
91]. Die in Deutschland zurzeit laufende randomisierte RESET-CRT-Studie unter der Leitung von Gerhard Hindricks wird zeigen, ob bei Etablierung einer kardialen Resynchronisationstherapie (CRT), wie sie gehäuft in der DANISH Studie erfolgte, auch ein ICD benötigt wird (CRT-D) oder nicht (CRT-P) [
92]. Die Ergebnisse eines sehr großen europäischen ICD-Registers (EU-CERT-ICD) zur primärprophylaktischen ICD-Behandlung bei ischämischer oder dilatativer Kardiomyopathie, mit hohen Patienten-Einschlussraten aus Deutschland, wurde 2021 von Markus Zabel (Göttingen) als Erstautor publiziert [
93]. Sie zeigte für Patienten mit einer niedrigen linksventrikulären Ejektionsfraktion, aber ohne EKG-Kriterien für eine CRT-Indikation einen Überlebensvorteil von 27 %. Die Befunde dieser Untersuchung ergaben aber auch die Notwendigkeit einer besseren Individualisierung der ICD-Therapie. Ein dazu geeigneter Risikoscore wurde unter Beteiligung von Helmut Klein 2021 aus den MADIT-Studien kalkuliert [
94]. Insbesondere die letzte ESC-Leitlinie zur Behandlung von Kardiomyopathien zeigt beispielhaft die zunehmende Individualisierung der ICD-Therapie in der Primärprävention auf, bei der neben der linksventrikulären Ejektionsfraktion zunehmend Genetik und Myokardvernarbung in der MRT sowie Risikoscores für bestimmte Kardiomyopathien zur Entscheidung beitragen [
95].