Erschienen in:
01.03.2013 | Medizinrecht
Inkomplette Querschnittlähmung nach verzögerter Abklärung motorischer Ausfallserscheinungen
Schwerer Behandlungsfehler?
verfasst von:
Dr. M. Regauer, J. Neu
Erschienen in:
Die Unfallchirurgie
|
Ausgabe 3/2013
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Zusammenfassung
Eine 72-jährige Patientin wurde nach operativer Versorgung einer subtrochantären Femurfraktur in eine Rehabilitationsklinik verlegt. Dort war die Mobilisierung der Patientin kaum möglich. Fünf Tage nach Verlegung wurden erstmalig zunehmende motorische Ausfälle an beiden Beinen dokumentiert. Ein am Folgetag hinzugezogener Neurologe diagnostizierte eine beginnende Querschnittlähmung. Erst 8 Tage nach Beginn der Symptomatik wurde eine MRT-Untersuchung veranlasst, bei der sich der Verdacht auf eine instabile Fraktur des 7. Brustwirbelkörpers ergab. Eine 3 Tage später durchgeführte Computertomographie (CT) bestätigte den Frakturverdacht. Weitere 4 Tage später wurde in einer neurochirurgischen Klinik eine Spondylodese mit Laminektomie vorgenommen. Die inkomplette Querschnittlähmung konnte hierdurch jedoch nicht mehr gebessert werden. Die Patientin beklagte eine unzureichende bildgebende Diagnostik in der Rehabilitationsklinik.
Im Gutachten wurde argumentiert, dass den neu aufgetretenen neurologischen Symptomen sofort und konsequent nachgegangen hätte werden müssen. Dies sei aber erst mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung erfolgt, was als fehlerhaft angesehen werden müsse. Einschränkend wies der Gutachter darauf hin, dass nicht mit Sicherheit nachzuweisen sei, dass durch eine sofort erfolgte Diagnostik und Operation eine relevante Verbesserung des Endzustands erreicht worden wäre.
Durch die Schlichtungsstelle wurde ein Befunderhebungsmangel festgestellt, wobei davon auszugehen sei, dass bei einer sofortigen bildgebenden Diagnostik der relevante pathologische Befund erkannt und die Patientin umgehend einer Operation zugeführt worden wäre. Im Wege der hierdurch eintretenden Beweislastumkehr zugunsten der Patientin sei davon auszugehen, dass bei erstem Auftreten der Symptome noch keine dauerhafte Nervenschädigung bestanden habe, so dass eine Notfalloperation zu diesem Zeitpunkt eine dauerhafte Lähmung der Beine u. U. noch verhindern hätte können. Diese Einschätzung wird durch zahlreiche Hinweise in der Literatur bestätigt.