Erst Babynahrung statt Stillen, dann übergewichtiges Kind?

Babynahrung statt Muttermilch erhöht möglicherweise die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht im Alter von einem Jahr, wie eine kanadische Studie vermuten lässt. Zudem verändert sie vermutlich die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Für ihre Studie nutzten kanadische Kinderärzte um Dr. Jessica D. Forbes von der Universität von Manitoba in Winnipeg die Befunde von knapp 1100 Neugeborenen und Säuglingen der prospektiven CHILD-Schwangerschaftsstudie (Canadian Healthy Infant Longitudinal Development) mit etwa 3500 Kindern. Von den Kindern der Subgruppe wurden Stuhlproben drei bis vier Monate nach der Geburt (n = 996) und/oder nach einem Jahr gewonnen (n = 821), bei 730 Kindern zu beiden Zeitpunkten. Durchschnittlich 12,4 Monate nach der Geburt wurden Körperlänge und Gewicht gemessen und nach WHO-Standard die Perzentilen-Kurven (z-Score) ermittelt. Die Ärzte definierten einen Score über der 97. Perzentile als Übergewicht, einen Score über der 85. Perzentile als erhöhtes Risiko für Übergewicht. Beide Gruppen wurden für die logistische Regressionsanalyse genutzt. Genetische Untersuchungen zur Stuhlanalyse Drei, sechs und zwölf Monate nach der Geburt machten die Mütter Angaben zum Stillen bzw. zur Verwendung von Muttermilch sowie von Formulanahrung. Auch wenn Säuglinge während des Klinikaufenthaltes kurzzeitig Babynahrung erhalten hatten, danach aber Muttermilch, galten sie als ausschließlich gestillt. Die Stuhlanalyse erfolgte mithilfe der Untersuchung der 16S-ribosomalen RNA-Gene. Wie die Kinderärzte berichten, wurden im Alter von drei Monaten 53,8% der Säuglinge ausschließlich gestillt, davon 37,1% seit der Geburt. 16,6% hatten kurzfristig Formulanahrung erhalten. Mit sechs Monaten wurden nur noch 17,6% ausschließlich mit Muttermilch ernährt. Der Anteil derjenigen, die auch Babynahrung erhielten, lag bei knapp 55%. Im Alter von einem Jahr wurden immer noch 42,2% der Kinder gestillt. Insgesamt fast 23% galten als übergewichtig oder hatten ein Risiko für Übergewicht. Empfehlung der Redaktion 22.05.2018 | Diabetes in der Hausarztpraxis | CME-Kurs Diabetes und Mutterschaft – Bedeutung des Stillens für diabetische Mütter und ihre Kinder Stillen könnte eine einfache und kostengünstige Prävention von Erkrankungen wie Übergewicht/Adipositas, T2D und metabolisches Syndrom im späteren Leben von Mutter und Kind darstellen. Die CME-Fortbildung informiert über aktuelle Empfehlungen zum Stillen für diabetische Mütter und ihre Kinder. Die Auswertung der Daten ergab, dass deutlich mehr Kinder, die ausschließlich mit Formulanahrung ernährt wurden, übergewichtig waren als ausschließlich gestillte Kinder, nämlich 53 von 159 Kindern (33,3%) versus 74 von 386 Kindern (19,2%). Der Modellrechnung zufolge war die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht auf das Zweifache erhöht (adjustierte Odds Ratio [OR]: 2,04; 95%-Konfidenzintervall: 1,25–3,32). Diese Assoziation war geringer, wenn die Zusammensetzung des Mikrobioms im Alter von drei bis vier Monaten bei der Berechnung berücksichtigt wurde (OR: 1,33: 95%-Konfidenzintervall: 0,79–2,24). Vor allem eine Zunahme von Lachnospiraceen war mit einem höheren Risiko für Übergewicht assoziiert. Dosisabhängig vermehrt Bifidobakterien Ein Jahr nach der Geburt unterschied sich die Zusammensetzung des Mikrobioms je nach Art der Ernährung im Alter von drei bis vier Monaten. Die Ernährung mit Muttermilch führte dazu, dass dosisabhängig vermehrt Bifidobakterien, Pasteurella-Arten und Enterobakterien nachweisbar waren. Der Anteil von Bakteroides-Arten und Lachnospiraceen nahm dagegen ab. Die Veränderung der Zusammensetzung des Mikrobioms durch Formulanahrung bzw. Beikost erkläre zumindest zum Teil das erhöhte Risiko für Übergewicht, so die Ärzte. Sie weisen allerdings darauf hin, dass ihnen weder Informationen zu den Gründen für den Muttermilchersatz noch über die Zusammensetzung der Säuglingsnahrung zur Verfügung standen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie beeinflusst die Säuglingsnahrung im ersten Lebensjahr das Darmmikrobiom und den BMI? Antwort: Nach dem frühzeitigen Abstillen steigt die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht dosisabhängig mit der Zufuhr von Säuglingsnahrung. Zugleich verändert sich die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm. Bedeutung: Durch Stillen lässt sich Übergewicht im ersten Lebensjahr verhindern. Einschränkung: In der Studie gab es weder Informationen zu den Gründen für den Muttermilchersatz noch über die Zusammensetzung der Säuglingsnahrung.

Springer Medizin

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