Kinderkliniken in Not

Hohe Vorhaltungskosten, ein nicht prognostizierter Geburtenanstieg, eine schwierige Erlössituation bei Notfällen und ein Mangel an Pflegekräften. Kinderkrankenhäuser kämpfen mit vielen Problemen. Lösungen sind noch nicht in Sicht. Die Verantwortlichen in bundesdeutschen Kinderkliniken schlagen Alarm. Die finanzielle Lage ist prekär, unabhängig davon, wo man ist oder wen man fragt. So prekär, dass seit 1991 jede fünfte Kinderabteilung geschlossen wurde und in der stationären Pädiatrie vier von zehn Betten abgebaut wurden, beklagt die Stiftung Kindergesundheit. Und zwar quer durch die ganze Republik. Abgebaut wurde überall. Angefangen vom hohen Norden in der Kinderklinik in Parchim bei Schwerin, über die Kinderstation in der Klinik Prenzlau bis hin zur Kinderklinik in Düren, der Uniklinik Würzburg oder dem Haunerschen Kinderspital in München. Die Misere der stationären Pädiatrie ist allgegenwärtig. Ursachen der Misere Es fallen hohe Vorhaltungskosten für eine extrem heterogene Patientengruppe an. Diese reicht vom Frühgeborenen ab 500 Gramm, über chronisch kranke Kinder, bis hin zu adipösen Jugendlichen mit 150 Kilogramm. Es werden wieder mehr Kinder geboren. Das war nicht prognostiziert, die Planungen fielen entsprechend anders aus. Hinzu kommt: Die Eltern werden immer unsicherer und besorgter. Viele suchen im Notfall gleich eine Kinderklinik statt einer Kinderarztpraxis auf. Eine in Anlehnung an die Notfallpraxis völlig unzureichende Erlössituation bei Notaufnahmen (32 Euro) bei durchschnittlich anfallenden Kosten von mindestens 120 Euro pro stationärem Notfallpatienten in der Pädiatrie. Eine in keiner Weise auf die Pädiatrie zugeschnittene DRG-Vergütung, bei der Kinderkliniken vor allem bei sogenannten Kurzliegern, die nach einem Tag entlassen werden, massiv draufzahlen müssen. Hinzu kommen strukturelle Ungleichgewichte: Dem Überangebot bei finanziell lukrativen Betten (etwa für Level-1-Zentren für Frühgeborenen unter 1500 Gramm) steht eine eklatante DRG-bedingte Unterversorgung chronisch kranker Kinder gegenüber. Das gleiche gilt für Kinder mit komplexen Erkrankungen in der Allgemeinpädiatrie oder auch in der pädiatrischen Endokrinologie. Personalmangel in der Pflege Nicht vergessen werden darf schließlich die Leistungsverdichtung, die sich in gestiegenen Patientenzahlen, komplexeren Krankheitsbildern und immer kürzeren Liegezeiten niederschlägt. Und nun kämpfen auch noch vermehrt ausgerechnet die Kinderintensivstationen aufgrund des Mangels an Pflegefachkräften ums Überleben. Dies belegen neue Studienergebnisse der Universität Köln, an der sich 41 eigenständige pädiatrische Intensivstationen beziehungsweise gemischte neonatologisch-pädiatrische Stationen in Deutschland beteiligt haben (Dtsch Arztebl 2019; 116(37): A-1586). Empfehlung der Redaktion Kinderhand und Teddy im Klinikbett 04.12.2019 | Klinik aktuell | Nachrichten Nicht das Leben von Kindern aufs Spiel setzen! Weil es in Kinderkliniken an allen Ecken mangelt, fürchten Intensiv- und Notfallärzte, dass mehr Kinder sterben werden. Ein Problem sind offenbar die Wohnungsmieten. 25 Prozent der befragten Stationen gaben an, im Jahr 2017 wegen fehlender Bettenkapazitäten zwischen 25 und 50 Patienten nicht aufgenommen zu haben. Weitere 25 Prozent mussten sogar 50 bis 100 Kinder abweisen. 72 Prozent der befragten Stationsleiter gaben an, dass in ihrer Region ein Defizit an Intensivbetten für Säuglinge und Kinder herrsche. Setze sich die Finanzmisere der Kinderkliniken fort, sei die Sicherstellung der gesamten stationären Pädiatrie gefährdet, lautet das Fazit der Kölner Studienautoren. Politik noch nicht genügend alarmiert Ihre Sorge ist berechtigt: Denn die Unterversorgung und der gravierende Mangel an (Intensiv-)Pflegekräften führt immer häufiger zu schweren Erkrankungsverläufen, die vermieden werden könnten. Daher halten die pädiatrischen Fachgesellschaften folgenden Maßnahmen für überfällig: Einführung eines besonderen Sicherstellungszuschlags für Kinderkliniken, um die Defizite des DRG-Systems in der Pädiatrie aufzufangen und dann durch ein anderes Erlössystem zu ersetzen. Bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sowie eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte. Mehr Finanzmittel insgesamt für die stationäre und die ambulante Kinder- und Jugendmedizin. Untermauert werden diese Forderungen vom Ärzteappell „Rettet die Medizin“, der auch von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) unterstützt wird. Deren Präsidentin Professor Ingeborg Krägeloh-Mann spricht Klartext: „Wir ändern die Medizin nicht, damit sie ins DRG-System passt. Das System muss sich den Bedürfnissen anpassen, nicht umgekehrt.“ Die Politik in Person von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist zwar wachgerüttelt und möchte die speziellen DRG-Bedürfnisse in der Pädiatrie prüfen. Der Minister ist aber noch nicht so alarmiert, um tatsächlich die strukturellen Defizite anzupacken. Dabei ist das längst überfällig, zumal es bei schwerwiegend kranken Kindern häufig schlichtweg ums Überleben geht. Quelle: Ärzte Zeitung

Springer Medizin

Kinderkliniken in Not

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Es wäre so einfach, ein Leben zu retten – Wenn man nur daran denkt…

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Es wäre so einfach, ein Leben zu retten – Wenn man nur daran denkt…