Neugeborenenscreening: „Ein unfassbarer Erfolg“

Im Neugeborenenscreening sind zurzeit 19 Erkrankungen enthalten, davon umfassen 13 angeborene Stoffwechselerkrankungen. Mit Langzeitbeobachtungen werden Vorteile und Limitationen für die individuelle Gesundheit, Gesundheitsökonomie und Gesellschaft evaluiert. Neuere Auswertung zeigen den Erfolg des Screenings auf. In Heidelberg läuft eine Studie, die seit 1999 alle im Rahmen des Neugeborenenscreenings identifizierten Kinder mit angeborenen Stoffwechselerkrankungen einschließt, erinnerte PD Dr. med. Ulrike Mütze, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg. Trotz des langen Zeitraums gebe es aufgrund der Seltenheit von manchen Erkrankungen nur wenige betroffene Patientinnen und Patienten, so die Expertin. Aus diesem Grund würden im Zuge einer nationalen Erweiterung alle Stoffwechselzentren in Deutschland eingeschlossen. Damit ließen sich rund 90 % der gescreenten Kinder erreichen. Entgleisungen verhindern Aus der Vogelperspektive sehe man für das metabolische Neugeborenenschreening einen „unfassbaren Erfolg“, betonte Dr. Mütze. Denn die Erkrankungen können potenziell mit einem schweren neurokognitiven Phänotyp einhergehen – und dennoch beobachte man in 95,6 % der Fälle eine altersentsprechende frühe Entwicklung und in 87,7 % der Fälle einen IQ im/über dem Normbereich. Mehr als 95 % der Betroffenen besuchen einen Regelkindergarten bzw. eine Regelschule. Im Zuge der Langzeitbeobachtung schaue man sich auch die Verläufe an. In der Frühphase der ersten Symptome könne man noch gut agieren, sagte die Expertin. „Einige Tage mehr sind für einige der Erkrankungen ausgesprochen gefährlich.“ Eine aktuelle Auswertung, in die Kinder bis zu einem mittleren Alter von 13 Jahren nachbeobachtet werden, demonstriert, dass das Screening bei manchen Erkrankungen akute (neonatale) Krisen vermeiden kann – zum Beispiel bei Glutarazidurie Typ I und MCAD-Mangel, die ein hohes Entgleisungsrisiko mit sich bringen. Hier entgleisen dank des Screenings nur ein Teil der Kinder. Im Falle von anderen Erkrankungen wiederum lässt sich die Entgleisung auch mit Screening und Therapie nicht verhindern. Empfehlung der Redaktion 05.09.2023 | Neugeborenenscreening | Fortbildung Neugeborenenscreening aus Trockenblut Das Neugeborenenscreening bietet die einmalige Möglichkeit, eine potenziell lebensbedrohliche Krankheit zu diagnostizieren, noch bevor sie sich durch Symptome bemerkbar macht. Die Kinder-Richtlinie und die AWMF-Leitlinie geben genaue Vorgaben, wann was und durch wen zu erfolgen hat - und wie vorzugehen ist, wenn sich ein positiver Befund ergibt Neue Krankheiten aufnehmen Durch das Screening könne man auch Erkrankungsformen identifizieren, die vorher nicht bekannt waren, so Dr. Mütze. Als Beispiel nannte sie die Isovalerianazidurie (IVA), deren Geburtsprävalenz vor dem Screening 1:280.000 und nach Einführung inklusive der attenuierten IVA-Variante 1:90.000 betrug. Die Pilotstudie NGS 2025 untersucht 28 zusätzliche Screeningerkrankungen. Beim GBA gebe es derzeit ein Beratungsverfahren, in dem die Aufnahme einiger dieser Erkrankungen geprüft wird. Beispiel ist der neonatale Vitamin B12-Mangel. Eine aktuelle Studie zeigt: Betroffene Kinder, die behandelt werden, weisen bis ins zweite Lebensjahr keine Symptome eines Vitamin B12-Mangels auf und entwickeln sich altersgerecht. Dabei wurde einer weiteren Auswertung zufolge ein symptomatischer Vitamin B12-Mangel ohne Neugeborenenscreening auf neonatalen Vitamin B12-Mangel viermal häufiger gemeldet als bei Zugang zu diesem Screening. Zusammenfassend sei das Neugeborenenscreening eine hoch erfolgreiche Maßnahme der sekundären Prävention, resümierte Dr. Mütze. Es bleibe aber ein Prozess, der für etablierte und neue Zielkrankheiten stetig optimiert werden müsse. Langezeitbeobachtungsstudien könnten dies zentral unterstützen. basierend auf: Vortrag: „Langzeitbeobachtung bei angeborenen Stoffwechselerkrankungen - Möglichkeiten zur Optimierung des Neugeborenenscreenings?“; Kongress für Kinder- und Jugendmedizin, 20.-23.09.2023, Hamburg Empfehlung der Redaktion DGKJ 2023 Kongress für Kinder- und Jugendmedizin Unter dem Motto „Gemeinsam Kurs halten für eine sichere Zukunft der Kinder“ haben beteiligte Fachgesellschaften ein hochaktuelles Programm zusammengestellt. Stoffwechselnotfälle im Nachtdienst, ein Update zur Bronchiolitis und die Evaluation des Neugeborenenscreenings: Das waren nur einige der Themen auf dem diesjährigen Kongress für Kinder- und Jugendmedizin in Hamburg.

Springer Medizin

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