Stimmlippenleukoplakie: Wann ist ein chirurgischer Eingriff nötig?

Bei welchen Patienten mit Stimmlippenleukoplakie eine chirurgische Intervention erforderlich ist, darüber sind sich die Experten nach wie vor uneinig. US-amerikanische Autoren haben jetzt aktuelle Studienergebnisse zu diesem Thema zusammengetragen. Vor allem die Oberflächenmorphologie der Läsion sowie das Gefäßmuster scheinen wichtige Parameter bei der Beurteilung des Malignitätsrisikos zu sein. Hat sich auf der Stimmlippe eine Leukoplakie (Vocal Fold Leukoplakia, VFL) gebildet, besteht die Gefahr, dass sich daraus eine Krebserkrankung entwickelt. Wie Patienten mit einer solchen Gewebeveränderung behandelt werden sollten, darüber besteht bislang allerdings keine Einigkeit. Christine Kim von der University of California, Los Angeles, und Kollegen haben die aktuelle Literatur zu diesem Thema gesichtet und sind dabei auf einige Anhaltspunkte gestoßen. Die mit 1635 Patienten ausführlichste Studie ist ein retrospektiver Review, in dem nach Zusammenhängen zwischen morphologischen Charakteristika und der VFL-Diagnose des Pathologen gesucht wurde. Basierend auf den Studienergebnissen empfehlen die Autoren für flache und glatte Läsionen (Typ I) eine konservative Behandlung und für wulstige und glatte (Typ II) sowie wulstige und raue Läsionen (Typ III) eine eher aggressive Therapie. In einer weiteren Studie mit 112 Patienten wurde ein klinischer Score auf der Basis laryngoskopischer Merkmale entwickelt, um histologische Befunde von VFL-Patienten zu prognostizieren. Bei der Untersuchung verschiedener Faktoren kristallisierten sich die Textur der Läsion, das Vorhandensein einer Hyperämie sowie das Alter des Patienten als unabhängige Prädiktoren für mögliche Malignität heraus. Demnach haben den Autoren dieser Studie zufolge ältere Patienten mit unregelmäßiger Läsionsoberfläche und Hyperämie ein höheres Malignitätsrisiko und sollten aggressiver behandelt werden. Eine engmaschige Überwachung schlagen sie dagegen für junge Erwachsene mit glatter VFL und fehlender Hyperämie vor. Im letzten Jahr wurde eine Studie publiziert, in der sich bei 92 Patienten ein signifikanter Zusammenhang zwischen vaskulärer Tüpfelung und Dysplasie bzw. Malignität ergab. Bei entsprechenden Auffälligkeiten empfehlen die Autoren demnach eine möglichst rasche Biopsie. In einer weiteren aktuellen Studie wurde ein Klassifikationssystem (Typ I–VI) entwickelt, basierend auf dem Gefäßbild, das sich bei der Narrow Band Imaging(NBI)-Endoskopie zeigt. Im Fall einer Dysplasie oder Malignität entstehen der Studie zufolge intraepitheliale papilläre kapilläre Schleifen (IPCL). Nach Ansicht der Autoren kann die NBI-Endoskopie die Genauigkeit bei der Unterscheidung zwischen benignen und malignen Leukoplakien gegenüber der Endoskopie mit Weißlicht verbessern. Ihre Empfehlung: Patienten, bei denen sich in der NBI-Endoskopie IPCL zeigen, sollten intensiver therapiert werden. Aufbauend auf obigem Klassifikationssystem bestimmte eine weitere Forschergruppe in einer prospektiven Analyse mit 57 Patienten das Malignitätsrisiko aufgrund von NBI-Endoskopie-Befunden und Vibrationsfunktion mittel Laryngovideostroboskopie. Ihren Untersuchungen zufolge waren eine inhomogene Färbung, unregelmäßige Textur und deutliche Verdickung starke Hinweise auf Malignität. Als noch eindeutigere Prädiktoren bewerteten die Untersucher senkrecht verlaufende Gefäßmuster und eine verringerte oder fehlende Oberflächenwellen der Schleimhaut. Die Autoren der Studie halten die Laryngovideostroboskopie für eine sinnvolle Ergänzung zur NBI-Endoskopie, um das Malignitätsrisiko bei VFL einzuschätzen. Nach wie vor, so Kim und Kollegen, existiere keine allgemein anerkannte Vorgehensweise im Hinblick auf Zeitpunkt und Indikation zu einer operativen Intervention bei Patienten mit Stimmlippenleukoplakie. Am häufigsten würden eine raue Oberfläche, Hyperämie und hypertrophe Läsion mit vaskulärer Tüpfelung sowie begrenzte oder fehlende Beweglichkeit in Zusammenhang mit einer schweren Dysplasie und/oder einem Karzinom gebracht. Deshalb sollten chirurgische Biopsien bei Patienten mit diesen Merkmalen stärker in Betracht gezogen werden. Andererseits seien flache und glatte Läsionen im Allgemeinen gutartig und könnten zunächst lediglich beobachtet werden. Ein Zusatznutzen scheint Kim und Kollegen zufolge der NBI-Endoskopie zur Detektion verdächtiger Gefäßmuster zuzukommen. Weitere prospektive Studien seien allerdings erforderlich, um diejenigen Strukturen zu identifizieren, die am zielsichersten auf Malignität hinweisen.

Springer Medizin

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