Erschienen in:
05.09.2019 | Suizid | Originalien
Gewaltsamer Tod im Alter – eine Analyse von Obduktionsberichten
verfasst von:
Dr. med. Gerald Vorderwülbecke, PD Dr. med. Sven Hartwig, Prof. Dr. phil. Adelheid Kuhlmey
Erschienen in:
Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie
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Ausgabe 6/2020
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Zusammenfassung
Hintergrund
Immer mehr Menschen in Deutschland erreichen ein zunehmend hohes Alter. Über ihr Viktimisierungsrisiko wird viel spekuliert, da mangels belastbarer Befunde die aktuelle Relevanz des gewaltsamen Todes alter Menschen nicht abschätzbar ist.
Zielsetzung
Um die Lücke zu schließen, legt diese Arbeit epidemiologische Daten – gewonnen aus Obduktionsberichten – für die häufigsten Umstände vor, unter denen alte Menschen gewaltsam zu Tode kommen, erörtert deren Spezifik und diskutiert Präventionsmaßnahmen.
Material
Alle Obduktionsberichte des Instituts für Rechtsmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin im Zeitraum von 2005 bis 2016 wurden erschlossen. In die Auswertung wurden 11.381 Fälle einbezogen und nach Alter, Geschlecht und Todesumständen sowie Motiven analysiert.
Ergebnisse
Von allen Obduzierten waren 51,8 % mindestens 60 Jahre alt. Im Alter ab 60 Jahren lagen die Anteile von Homizid und Suizid an allen Fällen niedriger als in der Altersgruppe darunter. Bereicherung war bei 25,6 % der Getöteten ab 60 das Hauptmotiv. Häufige Suizidmotive waren für Frauen Krankheiten, v. a. Depressionen, für Männer eher Malignome und Partnerschaftsprobleme. Überforderung mit der Pflege des Partners war v. a. für Männer ein Suizidmotiv. Der dyadische Tod (d. h. die Gesamtheit gemeinsamer Suizide und Homizid-Suizide) hatte im Alter über dem 60. Lebensjahr eine vergleichsweise größere Bedeutung.
Diskussion
Vermutlich wird der gewaltsame Tod alter Menschen unterschätzt. Die Einteilung des dyadischen Todes erwies sich als unzweckmäßig; daher wird ein Ersatz durch erotisch-aggressiv, symbiotisch und parasitär vorgeschlagen. Erstmals wird der Suizid mit nachfolgendem Suizid beschrieben und Suizid-Suizid benannt. Prävention durch Inklusion alter Menschen ist unverzichtbar.