Neurologische Erkrankungen: NFL hilft bei der Differenzialdiagnose

Neurofilamentwerte sind vor allem bei ALS, FTD sowie atypischen Parkinsonsyndromen stark erhöht. Das lässt sich zur Differenzialdiagnose nutzen. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Immer dann, wenn im Gehirn oder im peripheren Nervensystem Neurone absterben, setzen sie niedermolekulares Neurofilament (NFL) frei. Dies können sich Ärzte und Forscher zunutze machen, um das Ausmaß und die Progression einer Nervenschädigung zu analysieren oder um eine bislang noch nicht diagnostizierte Neurodegeneration aufzuspüren. So deuten Studien auf charakteristisch erhöhte NFL-Werte bei unterschiedlichen Demenzformen, ALS*, Parkinson und MS. Da sich NFL mittlerweile zudem im Blut nachweisen lässt, wird die NFL-Messung auch zur Überwachung der Krankheitsaktivität und des Therapieerfolgs erprobt. Zeit also, die bisherigen Studien einmal zusammenzufassen, haben sich Neurologen um Dr. Claire Bridel von der Universität in Amsterdam gedacht und 47 Studien zu dem Thema ausgewertet. Höchste Werte bei HIV-Demenz, FTD und ALS Sie beschränkten sich dabei auf Untersuchungen zum NFL-Nachweis im Liquor, die mit einem bestimmten kommerziell erhältlichen Immunoassay erfolgten. Dadurch sollten die Messwerte vergleichbar sein. Für ihre Metaanalyse poolten die Forscher die Einzelwerte von über 10.000 Patienten zu 35 verschiedenen neurologischen Erkrankungen; die Studien stammten alle aus den Jahren 2006 bis 2016. Knapp 3000 Patienten hatten eine MS, 4300 eine Demenz und fast 1000 Morbus Parkinson. Korrigiert nach Alter und Geschlecht waren die NFL-Werte im Vergleich zu gesunden Kontrollen bei HIV-Patienten mit kognitiven Einschränkungen oder Demenz am höchsten (21-fach erhöht), eine rund zehnfache Steigerung stellten die Ärzte unter einer Kombination von FTD und ALS fest, eine 7,6-fache bei ALS und eine knapp sechsfache bei Morbus Huntington. Deutlich erhöhte NFL-Werte fanden die Ärzte um Bridel auch nach einem Schlaganfall (4,6-fach), bei Patienten mit CBS (4,0-fach), präklinischem Huntington (3,9-fach), unbehandelter MS (3,8-fach), Optikusneuritis (3,7-fach), MSA (3,6-fach), behandelter MS (3,3-fach), PSP (2,7-fach), sowie progredienten MS-Formen (2,2-fach). Dagegen waren die Werte bei allen Demenzformen außer FTD eher moderat erhöht: vaskuläre Demenz 2,5-fach, Alzheimer 1,7-fach, DLB 1,6-fach, Parkinsondemenz und MCI 1,4-fach. Keine signifikant auffälligen NFL-Werte konnten die Forscher hingegen bei Morbus Parkinson erkennen. Empfehlung der Redaktion Morbus Parkinson – Themenseite Wie Sie Frühzeichen der Parkinson-Erkrankung erkennen und welche Therapieoptionen es gibt, lesen Sie auf dieser Themenseite. Hier finden Sie Übersichten, News, Interviews und kommentierte Studienreferate. Wie erwartet, wurde auch eine deutliche Zunahme der Werte mit dem Alter festgestellt – bei neurologisch gesunden Personen um jährlich 3,3%. Hier variierten die Konzentrationen zwischen rund 100 pg/ml im Alter von 20 Jahren und 1000 pg/ml bei 80-Jährigen. Unter rasch voranschreitenden neurologischen Erkrankungen wie FTD, ALS, MSA, PSP, CBS und Huntington fanden die Forscher keinen derartigen Zusammenhang, hier dominierte offenbar das Krankheitsgeschehen über die altersbedingte Zunahme – teilweise nahmen die NFL-Werte im Krankheitsverlauf sogar wieder ab. Gesunde Männer hatten etwa um ein Viertel höhere Werte als gesunde Frauen. Bei den meisten Krankheiten zeigten sich hingegen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede, lediglich mit MS, Alzheimer, vaskulärer Demenz und Morbus Parkinson waren die Werte von Männern ebenfalls höher als die von Frauen. Diagnostische Aussagekraft schwindet mit dem Alter Schauten sich die Forscher die NFL-Werte innerhalb einzelner Krankheitsgruppen an, so erreichten diese zumeist ein ähnliches Niveau, aber oft einen anderen altersabhängigen Verlauf. Nach diesen Daten lässt sich anhand der NFL-Werte bei 20-Jährigen zwar recht gut zwischen einer schubförmigen MS, einem CIS oder einer progredienten MS unterscheiden, dagegen differieren die Werte bei 50-Jährigen kaum. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die einzelnen Demenzformen: Aus dem Rahmen fallen eine FTD sowie eine HIV-Demenz – hier zeigen sich durchweg stark erhöhte NFL-Werte. Unter den andere Demenzformen lassen sich die Werte nur bei den unter 60-Jährigen klar abgrenzen und sind bei den 80-Jährigen weitgehend identisch. Bei sehr alten Menschen dürfte eine NFL-Untersuchung also kaum noch von differenzialdiagnostischer Bedeutung sein. Etwas besser sieht es für die NFL-Diagnostik von Krankheiten aus dem Parkinsonspektrum aus: PSP, MSA und CBS gehen über alle Altersstufen mit deutlich höheren NFL-Werten einher als Parkinson und eine Parkinsondemenz, hier könnte ein NFL-Test zur Abgrenzung hilfreich sein. Eine klare Trennung der Werte unter den atypischen Parkinsonsyndromen erscheint jedoch kaum möglich. Daraus ergeben sich für die Diagnostik drei wesentliche Schlussfolgerungen: Das diagnostische Potenzial von NFL nimmt mit dem Alter ab. Die altersbedingte NFL-Steigerung verwässert den Effekt von Krankheiten mit einem moderaten NFL-Anstieg. Dazu zählen Alzheimer, vaskuläre Demenz, Parkinsondemenz und DLB. Ein NFL-Nachweis kann klar FTD von anderen Demenzformen abgrenzen. Der NFL-Nachweis kann ebenfalls sehr deutlich Morbus Parkinson von PSP, MSA oder CBS unterscheiden. Die Metaanalyse bestätigt im Wesentlichen die Resultate einer in der Analyse noch nicht berücksichtigten und vor kurzem publizierten schwedischen Studie mit über 800 Patienten. Hier ließen sich ebenfalls die höchsten NFL-Liquorwerte bei Patienten mit ALS und FTD nachweisen, gefolgt von CBD und PSP. Dabei zeigten sich allerdings auch deutliche Unterschiede zwischen Patienten mit MCI und Alzheimer, was in einer weiteren Studie bestätigt wurde. Ob und unter welchen Bedingungen sich der NFL-Nachweis als Diagnose- und Verlaufsmarker bei Alzheimer eignet, muss wohl noch weiter geprüft werden. *Abkürzungen: ALS: amyotrophe Lateralsklerose CBD: corticobasale Degeneration CIS: clinically isolated syndrome DLB: dementia with lewy bodies FTD: frontotemporale Demenz MCI: mild cognitive impairment MSA: Multisystematrophie NFL: Neurofilament light protein PSP: progressive supranukleäre Blickparese Das Wichtigste in Kürze Frage: Welche Bedeutung haben Liquor-NFL-Werte bei unterschiedlichen neurologischen Erkrankungen? Antwort: Sie können vor allem zur Abgrenzung von FTD und anderen Demenzformen sowie von Morbus Parkinson und ähnlichen Leiden nützlich sein. Bedeutung: NFL-Werte sind bei der Differenzialdiagnose mitunter hilfreich. Einschränkung: Metaanalyse; Daten stammen aus unterschiedlichen Quellen.

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