Behandlungsfehler: Ernste Nebenwirkungen auf Intensiv wären meist vermeidbar

Eines von sechs Kindern erleidet ernste Nebenwirkungen während eines Aufenthalts auf einer Intensivstation. Die meisten der unerwünschten Effekte beruhen einer britischen Analyse zufolge auf Behandlungsfehlern. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Bei einer intensivmedizinischen Behandlung sind Nebenwirkungen nicht selten und werden oft in Kauf genommen, da der Nutzen der Therapien in kritischen Situationen überwiegt. Nichtsdestotrotz können Therapiefehler zu vermeidbaren Schäden führen. Nach Daten einer prospektiven britischen Analyse sind mehr als die Hälfte der ernsten Nebenwirkungen bei Kindern auf Intensivstationen vermeidbar. Fehler unterlaufen medizinischem Personal vor allem mit Analgetika, Antibiotika und Herzkreislaufmitteln. Zu diesem Schluss kommen Pharmakologen um Dr. Anwar Alghamdi von der Universität in Manchester. Sie haben zusammen mit einem multidisziplinären Team alle ernsten Nebenwirkungen ausgewertet, die innerhalb von 90 Tagen auf drei pädiatrischen Intensivstationen in Manchester, Bristol und Birmingham bei insgesamt 302 Kinder auftraten. Das Team aus speziell ausgebildeten Pharmakologen und pädiatrischen Intensivmedizinern berücksichtigte nur solche unerwünschten Effekte, die eine ärztliche Intervention erforderten. Die Kinder waren im Median ein Jahr alt und wurden im Mittel sechs Tage auf den Intensivstationen behandelt, bei der Aufnahme erhielten sie im Schnitt neun Medikamente. 58% der Nebenwirkungen vermeidbar Insgesamt beobachteten die Ärzte 115 unerwünschte Effekte, wobei 62 definitiv oder mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Therapie zurückzuführen waren. Solche therapiebezogenen Nebenwirkungen sahen sie bei jedem sechsten Kind (15,6%), elf Kinder wiesen mehr als eine Nebenwirkung auf. Unterm Strich ergibt dies eine Nebenwirkungsrate von 20,5 auf 100 Kinder oder 16,7 auf 1000 Patiententage. Das Risiko für Nebenwirkungen war vor allem bei Kindern mit einem längeren Aufenthalt erhöht – mehr als sechs Tage auf einer Intensivstation versechsfachten die Gefahr im Vergleich zu einer kürzeren Verweildauer. Die meisten Nebenwirkungen standen im Zusammenhang mit der Medikation und waren eher mild, verursachten also nur temporäre Schäden. Dies betraf zwei Drittel aller therapiebezogenen unerwünschten Effekte. Etwa ein Fünftel führte zu einer Verlängerung des Klinikaufenthalts, vier Ereignisse erzeugten permanente Schäden (6,4%) und drei (4,8%) lebensbedrohliche Zustände. 36 der 62 unerwünschten Effekte (58%) wurden von dem Evaluationsteam als vermeidbar angesehen, sie beruhten also auf Behandlungsfehlern und nicht per se auf unerwünschten Arzneieffekten. Dazu zählten eines der drei lebensbedrohlichen Ereignisse sowie alle vier Ereignisse mit permanenten Schäden. Die meisten Fehler passierten bei der Verordnung (17 Ereignisse), gefolgt von der Verabreichung (13) sowie dem Monitoring (6). Blutung durch falsch programmierte Pumpe Das Gros der vermeidbaren Nebenwirkungen entfiel auf den Umgang mit ZNS- und kardiovaskulären Therapeutika sowie Antibiotika: So war ein Kind fast an einer Bradykardie durch Betablocker gestorben – das Problem war zuvor schon einmal aufgetreten und hätte daher bekannt sein müssen. Ein weiteres Kind erlitt einen permanenten Schaden durch eine Antikoagulanzien-bedingte Blutung – hier war die Infusionspumpe falsch programmiert worden. Dauerhafte Schäden entstanden auch durch Extravasationen infolge von fehlerhaft verabreichten Antibiotika und Sympathomimetika. Falsch dosierte oder zu lange verabreichte Analgetika und Antikonvulsiva führten zu ZNS-Erscheinungen wie Delir, Agitation und Übersedierung. Bei einem Kind hatten die Ärzte vergessen, die Nierenwerte unter einer Antibiotikabehandlung zu überwachen, und damit einen Nierenschaden übersehen. Bei anderen Kindern führten Überdosierungen durch Anwendungsfehler oder Unterdosierungen durch vergessene Anwendungen zu Komplikationen. Ein weiterer Teil der vermeidbaren Probleme entstand durch bekannte Allergien. Unterschiede gab es auch zwischen den drei Intensivstationen: Auf einer traten besonders häufig vermeidbare Nebenwirkungen auf. Dass sechs von zehn interventionsbedürftigen Nebenwirkungen auf den drei pädiatrischen Intensivstationen vermeidbar waren, halten die Pharmakologen um Alghamdi für sehr bedenklich, zumal ein erheblicher Teil davon (über 40%) ernste Konsequenten wie bleibende Schäden, lebensbedrohliche Situationen oder eine Verlängerung des Klinikaufenthalts nach sich zog. Ärzte sollten die Prozesse auf den Intensivstationen kritisch überprüfen, vor allem den Umgang mit Arzneien, bei denen Anwendungsfehler erhebliche Risiken bergen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie häufig führt die Behandlung auf pädiatrischen Intensivstationen zu interventionsbedürftigen Nebenwirkungen? Antwort: Etwa jedes sechste Kind erleidet auf einer britischen Intensivstation eine ernste Nebenwirkung, mehr als die Hälfte dieser unerwünschten Effekte beruht auf Behandlungsfehlern. Bedeutung: Etwa jedes zehnte Kind auf einer Intensivstation wird durch einen Behandlungsfehler temporär oder dauerhaft geschädigt. Das Risiko steigt mit der Aufenthaltsdauer und variiert deutlich zwischen einzelnen Kliniken. Einschränkung: Nur drei Kliniken untersucht.

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