SIDS: Familien kann es mehrmals treffen

Stirbt ein Säugling am plötzlichen Kindstod, haben seine Geschwister ein erhöhtes Risiko, ebenfalls betroffen zu sein. Ob es genetische oder Faktoren in der Umgebung sind, die das Risiko erhöhen, ist noch unklar. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Der plötzliche Kindstod („sudden infant death syndrome“, SIDS) ist nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen im ersten Lebensjahr. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind weiterhin weitgehend unbekannt. Die Ursachen des SIDS gelten als komplex und multifaktoriell. Wie eine dänische Studie nun belegen konnte, sind Geschwisterkinder von verstorbenen Babys besonders gefährdet. Charlotte Glinge vom Kopenhagener Rigshospitalet und ihr Team durchsuchten für ihre Analyse zunächst das dänische Register für Todesursachen, um alle Fälle von SIDS zu identifizieren. SIDS ist eine Ausschlussdiagnose und ist definiert als plötzlicher Tod eines Säuglings unter einem Jahr, der nach einer gründlichen Autopsie, einschließlich der Untersuchung des Todesorts und der Überprüfung der Krankengeschichte, ungeklärt bleibt. Darüber hinaus nutzten die Forschenden das dänische medizinische Geburtenregister, um alle Geschwister von verstorbenen Kindern zu ermitteln. Das erste Geschwisterkind einer Geschwistergruppe (alle von derselben Mutter), das an SIDS starb, wurde als Indexfall bezeichnet. Untersucht wurden alle Fälle von SIDS zwischen 1978 und 2016, Totgeburten und adoptierte Kinder wurden nicht berücksichtigt. Während des 39-jährigen Untersuchungszeitraums starben 1.540 Säuglinge an SIDS, von 1.465 lagen Familieninformationen vor, sie waren die Indexfälle. Die meisten SIDS-Fälle (90%) traten innerhalb der ersten sechs Lebensmonate auf (medianes Alter: drei Monate), 61% der verstorbenen Kinder waren Jungen. Es wurden 2.384 Geschwister dieser Indexfälle identifiziert und mit über 2,5 Millionen Kindern aus der Allgemeinbevölkerung verglichen. Hinsichtlich des Geschlechts der Kinder und des Alters der Mutter bei der Geburt gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen der Gruppe mit einem Indexfall und der Allgemeinbevölkerung. Allerdings lebten die Geschwister von SIDS-Indexfällen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufiger in Haushalten mit niedrigem Einkommen (50% gegenüber 33%) und hatten Mütter, die lediglich die Grundschule besucht hatten (54% gegenüber 26%). Nach einem Jahr Nachbeobachtung starben insgesamt acht Geschwister von Indexfällen ebenfalls an SIDS. Vierfach erhöhtes Risiko für die Geschwister Bei Geschwistern von Indexfällen wurde im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine höhere SIDS-Rate beobachtet: Das standardisierte Inzidenzverhältnis („standardized incidence ratio“ SIR), das die Inzidenz- oder Mortalitätsrate einer Kohorte in Bezug auf die Gesamtbevölkerung beziffert, lag bei 4,27 nach Adjustierung für Geschlecht, Alter und Kalenderjahr. Wurden weitere Störfaktoren wie das Alter der Mutter (< 29 Jahre vs. ≥ 29 Jahre) sowie ihre Bildung (mittlerer Schulabschluss vs. höhere Bildung) berücksichtigt, lag das SIR bei 3,50. Das Forschungsteam führte zudem eine Sensitivitätsanalyse durch, die SIDS-Todesfälle zwischen 2002 und 2016 (122 jüngere Geschwister von 92 Indexfällen) einschloss, die Ergebnisse blieben signifikant. Ob diese familiäre Häufung eine Folge gemeinsamer Umweltrisikofaktoren, genetischer Faktoren oder einer Kombination davon ist, bleibt unbekannt. „Die Ergebnisse unterstreichen jedoch die Bedeutung einer detaillierten Familienanamnese bezüglich SIDS, um Geschwister mit einem erhöhten Risiko zu identifizieren und um weiteren SIDS-Fällen in den Familien vorzubeugen“, so die Studienautorinnen und -autoren. Die familiäre Häufung war auch noch nach 1992 zu beobachten, nachdem die Prävention von SIDS eingeführt worden war. Danach waren auch weiterhin Familien mit nicht rauchenden Eltern und höherem sozioökonomischem Status betroffen. Deshalb vermutet das Team und Glinge, dass Umweltfaktoren alleine nicht der Hauptgrund für die Häufung in manchen Familien seien. Umgebungsfaktoren unbekannt Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler benennen auch einige Einschränkungen, die ihre Ergebnisse beeinflusst haben könnten: Zum einen ist SIDS eine Ausschlussdiagnose. Es ist möglich, dass Kinder, die an SIDS starben, nicht ausreichend untersucht wurden, um eine eindeutige SIDS-Diagnose zu stellen. Außerdem hat sich die Definition des SIDS im Laufe der Zeit geändert und der Autopsiealgorithmus weiterentwickelt. Nach Meinung von Glinge und ihrem Team sollte auch immer die Möglichkeit der Kindesmisshandlung, wie ein absichtliches Ersticken, mitberücksichtigt werden. Zum anderen lagen den Forschenden kaum Informationen über Faktoren der Umgebung der verstorbenen Säuglingevor, wie etwa das Rauchverhalten der Eltern oder die Schlafumgebung. Eine Studie aus Schweden, einem mit Dänemark vergleichbaren Land, hat gezeigt, dass die Rate an Babys, die nicht auf dem Rücken schlafen, bei weniger als 6% liegt, und der Anteil der Mütter, die rauchen, weniger als 10% beträgt. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass jedes Geschwisterkind eines an SIDS verstorbenen Kindes mit großer Sorgfalt untersucht werden sollte, um ein Risiko durch genetische und umweltbedingte Faktoren auszuschließen“, schreiben Glinge et al. abschließend. Sie plädieren außerdem für Gentests bei SIDS-Indexfällen. Für die künftige Forschung seien große Studien erforderlich, da SIDS ein seltenes Ereignis sei – selbst bei Geschwistern von Säuglingen, die an SIDS gestorben sind. Weiteren Forschungsbedarf sieht die Studiengruppe in den genetischen Komponenten, den beteiligten Genen und den molekularen Mechanismen, die zu SIDS beitragen könnten. Das Wichtigste in Kürze Frage: Ist eine familiäre Vorgeschichte des plötzlichen Kindstods (SIDS) mit einem erhöhten Risiko für SIDS bei Geschwisterkindern assoziiert? Antwort: In einer dänischen Studie wurde eine familiäre Häufung des Auftretens von SIDS beobachtet: Geschwister von SIDS-Opfern hatten ein vierfach höheres SIDS-Risiko als die Allgemeinbevölkerung. Bedeutung: Jedes nachfolgende Geschwisterkind eines an SIDS verstorbenen Säuglings sollte mit großer Sorgfalt untersucht werden. Einschränkung: Daten zur Umgebung lagen kaum vor. SIDS ist eine Ausschlussdiagnose und deshalb nicht immer gesichert.

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