Zusammenfassung
Nur etwa ein Drittel der Personen mit Opioidabhängigkeit ist frei von gesundheitlichen Einschränkungen. Häufig bestehen chronische Schmerzen des Bewegungsapparates, die zudem früher und intensiver als in der Allgemeinbevölkerung auftreten. Auch schmerzhafte Neuropathien aufgrund von Mangelernährung oder Hepatitis sind weit verbreitet. Bis zu 90 % der Langzeitsubstituierten sind von Hypogonadismus betroffen, der zu einem Mangel an Testosteron und anderen androgenen Sexualhormonen führt, was vor allem bei Männern oft zu Muskelschwäche und Osteoporose führt. Nicht nur leiden die Patienten oft an einer opioidinduzierten Überempfindlichkeit auf schmerzhafte, aber auch nicht schmerzhafte Reize (Hyperalgesie), sie sprechen aufgrund der erworbenen Toleranz gegenüber Opioiden auch weniger stark auf Schmerzmittel an. Bei der Schmerztherapie substituierter Patienten herrscht deshalb große Unsicherheit. Medikamentöse Stufenpläne, wie es sie für Schmerzpatienten gibt, sind für substituierte Patienten bisher nicht definiert worden. In der prä- und postoperativen Schmerztherapie bei methadonsubstituierten Patienten zeigen sich einige Besonderheiten, insbesondere bei opioidpflichtigen Schmerzbehandlungen. Eine Analgesie allein durch die zur Substitution verwendeten Präparate reicht meist nicht aus und ist auch aus psychologischen Gründen nicht empfehlenswert. Daher muss zusätzlich ein Analgetikum gegeben werden. Eine Analgesie kann mit der Gabe von Morphin oder anderen starken Opiatanalgetika zusätzlich zu der sonst üblichen Tagesdosis von Methadon oder Levomethadon erreicht werden. Gemischt agonistisch-antagonistisch wirkende Präparate dürfen wegen der Gefahr, einen Entzug auszulösen, nicht gegeben werden. Deshalb steht Substitution mit Buprenorphin einer zusätzlichen Schmerztherapie mit z. B. Morphin oder anderen Opioiden entgegen. Die Schmerztherapie muss die Dauer der bisherigen Substitution, Art und Menge der zusätzlich eingenommenen Koanalgetika und vor allem die Schmerzsymptomatik berücksichtigen. Dabei kann eine um ca. 30–100 % (!) höhere Dosierung der Analgetika als üblich erforderlich werden. Nichtopoidanalgetika wie z. B. Metamizol (Novalgin®) u. a. sollten zusätzlich gegeben werden. Wurden vor einer Operation zusätzlich zu Levomethadon/Methadon noch andere zentral wirksame Medikamente gegeben, so ist es erforderlich, diese Medikation schrittweise zu reduzieren bzw. über einige Tage hinweg in einer adäquaten Dosierung fortzusetzen und dann dem Befinden des Patienten anzupassen. Wichtig ist es, darauf hinzuweisen, dass Schmerzzustände auch bei Substituierten vorkommen, denn Methadon verliert mit der Gewöhnung seine analgetische Wirksamkeit. Schmerzen sind zunächst mit peripher wirksamen Analgetika zu therapieren. Sofern wegen der Schwere der Erkrankung Opiate eingesetzt werden müssen, ist darauf zu achten, dass keine Opiate mit antagonistischem Anteil verordnet werden (wie z. B. Buprenorphin Temgesic, Pentazocin oder Tilidin). Als Schmerzmittel eignen sich kurzwirksame Opiate wie Morphin oder Hydromorphon. Das Stufenschema der WHO ist hier ansonsten nur bedingt verwendbar. Sind die Schmerzen chronisch, dann müssen Opioidanalgetika mit langer HWZ eingesetzt werden oder eine fixe, fraktionierte Dosierung des Methadon/Levomethadon erfolgen. Eine längerfristige Verordnung von Paracetamol oder NSAR ist wegen Hepatotoxizität und Ulcusrisiko zu vermeiden. In der adjuvanten Therapie können Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) oder Antikonvulsiva eingesetzt werden. Der rein lokale Wirkungsmechanismus, die minimale systemische Absorption und damit die Reduktion von systemischen Neben- und Wechselwirkungen, prädestiniert die topische Therapie bei fokalen oder distal betonten Neuropathien für Opioidabhängige. Dies sind die regelmäßige Anwendung von Lidocain oder die einmalige Applikation von hoch dosiertem Capsaicin.