Einleitung
Dieser Artikel stellt die aktuelle Problematik der Übertragung hochinfektiöser Viren (SARS-CoV-2) über Aerosole in der Innenraumluft vor. Verschiedene, für Schulen geeignete infektionsmindernde Maßnahmen, insbesondere bezüglich der Lüftung von Räumlichkeiten, werden beschrieben und verglichen. Der Artikel schließt mit geeigneten Empfehlungen und einem Ausblick für Lüftungsanforderungen in der Zukunft.
Die Rolle von Schulen in der SARS-CoV-2-Pandemie
Seit der weltweiten Ausbreitung des SARS-CoV‑2 nimmt die Frage nach geeigneten und angemessenen Maßnahmen zu einer wirksamen Eindämmung der Pandemie eine zentrale Rolle ein. Die begrenzte Fähigkeit der Gesundheitsbehörden, gemeldete Infektionsfälle zurückzuverfolgen macht deutlich, dass die Mechanismen und Orte, an denen das Virus bevorzugt übertragen wird, vielfältig und in ihrer jeweiligen Relevanz nicht gut bekannt sind. Insbesondere zu Beginn der Pandemie gab es viele Unsicherheiten und Kontroversen bei der Planung und Priorisierung infektionsmindernder Maßnahmen im gesamtgesellschaftlichen Kontext.
Zahlreichen Hinweisen zufolge spielen menschliche Zusammenkünfte in Innenräumen eine zentrale Rolle bei der Verbreitung von SARS-CoV‑2 [
1]. Mechanismen der Infektion sind die Übertragung virushaltiger Aerosolpartikel bzw. Tröpfchen im Nahfeld einer infizierten Person sowie die Anreicherung und Übertragung virushaltiger Aerosolpartikel in Innenräumen [
2,
3].
An Bildungseinrichtungen wie Schulen kommen Menschen verschiedener Altersgruppen über viele Stunden auf engem Raum zusammen. Während Infektionen bei Kindern meistens einen milden Verlauf haben [
4], erkranken Erwachsene, wie zum Beispiel das Lehrpersonal und auch die Eltern und Großeltern der Kinder, abhängig von Alter und bestehenden Vorerkrankungen mit deutlich schwerwiegenderen Verläufen [
5]. Als Präventionsmaßnahme wurde in Deutschland schon bald die verstärkte Lüftung von Innenräumen diskutiert [
6]. Ab März 2020 wurde jedoch in vielen Bundesländern begonnen, Schulen zu schließen bzw. den Unterricht online zu verlagern. Mit Beginn der zweiten Infektionswelle im Oktober 2020 wurden Schulschließungen als schnelle und geeignete Maßnahme zur Verringerung der Infektionsfälle betrachtet.
Die Beurteilung von Infektionsrisiken in Innenräumen entwickelte sich mit dem Wissen über die aerogene Verbreitung der Infektion, der Inzidenz der Erkrankung in der Bevölkerung, dem Auftreten von Virusmutationen [
7] und zusätzlich mit ersten Erkenntnissen über die Langzeitfolgen von COVID-19-Erkrankungen bei Erwachsenen [
8] und Kindern [
9]. Zum Zeitpunkt des Schreibens (Oktober 2021) war die Kenntnis über die Entwicklung der Pandemie und ihre Einflussfaktoren noch immer im Fluss und es war kaum abzusehen, wann aufgrund von Impfungen und steigender Immunität in der Bevölkerung jegliche Präventionsmaßnahmen aufgehoben werden können.
Virushaltige Partikel in der Raumluft
Die respiratorische Aufnahme von Aerosolpartikeln
1 gilt als Hauptübertragungsweg für SARS-CoV‑2 [
1]. Mit der ausgeatmeten Luft verbreitet jeder Mensch auch Aerosolpartikel in seiner unmittelbaren Umgebung. Wie bei nahezu allen Atemwegserkrankungen, die mit typischen Symptomen einhergehen, scheiden infizierte Personen Partikel aus, welche die Krankheitserreger enthalten. Eine Besonderheit von SARS-CoV‑2 besteht darin, dass auch infizierte Menschen ohne Krankheitssymptome über einen Zeitraum von mehreren Tagen virushaltige Partikel ausscheiden können. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass sich in der Anfangsphase der Pandemie viele Personen auf diesem Weg infiziert haben.
SARS-CoV-2-Einzelviren haben Durchmesser im Bereich 0,06–0,14 μm [
10]. Sie werden in der Regel als Bestandteil größerer wässriger Partikel ausgeatmet, welche sich in Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen (relative Luftfeuchte und Temperatur) bezüglich ihres Durchmessers und Wasseranteils ändern können [
3,
11]. Im medizinischen Sprachgebrauch werden größere, teilweise gerade noch sichtbare, Aerosolpartikel häufig als „Tröpfchen“ beschrieben und solche kleiner als 5 µm als „Aerosol(partikel)“. Physikalisch handelt es sich bei beiden jedoch um Aerosolpartikel, bei denen vor allem die Partikelgrößenverteilung ausschlaggebend ist für deren Verhalten im Innenraum, die Möglichkeit der Inhalation und die Eindringtiefe in die Atemwege [
12]. Anzahl und Durchmesser der ausgeatmeten Partikel hängen stark von der Art der menschlichen Aktivität ab: Bei ruhiger Atmung entstehen vorwiegend kleine Partikel (< 5 µm), beim Sprechen, Rufen, Singen oder unter körperlicher Anstrengung insgesamt vermehrt Partikel und beim Niesen und Husten zusätzlich größere Partikel bis zu einer Größe von 100 µm [
13‐
15]. „Feuchte Aussprache“ erzeugt noch größere, mit dem Auge sichtbare Speicheltropfen. Diese Informationen sind von hoher Bedeutung für die Bewertung der Situation an Schulen, wo Schülerinnen, Schüler und Lehrerpersonal eine große Bandbreite an Aktivitäten verfolgen.
In dicht belegten Innenräumen können virushaltige Aerosolpartikel zum Risiko werden, wenn sie sich bei begrenztem Luftaustausch im Raum anreichern. Während größere Partikel im Bereich von 100 µm innerhalb von Sekunden zu Boden sinken, können Partikel kleiner als 10 µm viele Minuten und Stunden in der Luft verbleiben [
12,
16]. Größere Partikel bzw. Tröpfchen kommen daher nur für eine luftgetragene Infektion im Nahbereich einer infizierten Person infrage, wogegen kleinere Partikel, die sich mit der Luftströmung im gesamten Raum verteilen können, für Infektionen sowohl im Nah- wie im Fernfeld sorgen können. In allen Fällen ist davon auszugehen, dass im Nahfeld (< 1,5 m) einer infizierten Person höhere Konzentrationen an möglicherweise infektiösen Partikeln anzutreffen sind. Die genauen Prozesse, die zur Emission, zur Ausbreitung und zur Veränderung der ausgeschiedenen Aerosolpartikel führen, sind von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren abhängig und bislang im Einzelfall kaum vorherzusehen.
Infektion über Aerosole bei Kindern
Hinsichtlich der Infektiosität bei Kindern bestehen noch zahlreiche Unklarheiten. Beispielsweise ist nicht bekannt, welche Altersgruppen die höchste Infektiosität aufweisen, wobei angenommen werden kann, dass Kinder weniger infektiös sind als Erwachsene [
1]. Problematisch im schulischen Kontext ist, dass die Mehrzahl der Kinder nach bisheriger Studienlage einen asymptomatischen oder milden Krankheitsverlauf zeigt [
17], wodurch unerkannte Infektionen wahrscheinlicher werden. Allerdings legen Erkenntnisse nahe, dass Schulkinder deutlich weniger zu Infektionen in Schulräumen beitragen als das Lehrpersonal [
18] und dass Infektionen beim Aufenthalt in Schulräumen – bei Einhaltung der AHA + L-Regeln (Abstand einhalten, Hygieneregeln beachten, im Alltag eine Maske tragen und Lüften) – insgesamt selten sind [
19].
Grundsätzlich müssen folgende Bedingungen erfüllt sein, damit eine Person über SARS-CoV-2-haltige Aerosolpartikel infiziert werden kann:
1.
Die Menge infektiöser SARS-CoV-2-Viren im Aerosol muss groß genug sein, damit es bei Inhalation des Aerosols zu einer Infektion kommen kann. Die in die Umgebungsluft ausgeschiedene Menge an Viren ist von individuellen Faktoren abhängig und schwankt je nach Umweltbedingungen und Infektiosität der infizierten Person um mehrere Größenordnungen.
2.
Virushaltige Partikel müssen auf empfindliche Zellen treffen, wie z. B. auf Schleimhautzellen der Atemwege, der Augenbindehaut oder der Lunge.
3.
Es muss zu einer Vermehrung des Virus in diesen Zellen kommen. Die hierfür notwendige Menge an Viren (Infektionsdosis) kann derzeit nur grob eingegrenzt werden und ist vermutlich ebenfalls von vielen individuellen Faktoren wie dem Immunstatus abhängig. Im Vergleich zu vielen anderen infektiösen Viren wird die Infektionsdosis von SARS-CoV‑2 als geringer eingeschätzt [
20], wobei anfänglich eine Größenordnung von etwa 100 Viruspartikeln angenommen wurde [
21]. Die Übertragungswahrscheinlichkeit variiert zusätzlich zwischen den unterschiedlichen Varianten von SARS-CoV‑2. So geht man von einer deutlich höheren Transmissionsrate der sog. Deltavariante (B.1.617.2) im Vergleich zur sog. Alphavariante oder zu den zu Beginn der Pandemie vorherrschenden Varianten aus [
22,
23].
Aufgrund derartiger Überlegungen und Erkenntnisse stand seit Beginn der Pandemie in Schulen die Infektionsprophylaxe durch gute Belüftung der Klassenräume und gleichzeitigen Einsatz von Mund-Nasen-Bedeckungen und Halbmasken im Vordergrund. Auch die Reduzierung von Klassenstärken gehörte zu den Infektionsschutzmaßnahmen in Innenräumen. Bestimmte Maßnahmen, denen am Anfang der Pandemie noch hohe Bedeutung zugemessen wurde, wie die Händedesinfektion und die konsequente Einhaltung eines Mindestabstandes von 1,5 m, wurden seit der zweiten Pandemiewelle in Deutschland weniger stringent verfolgt, wenngleich sie ihre Gültigkeit behielten. Ein Hauptaugenmerk an Schulen war spätestens seit Herbst 2020 die Entfernung von virushaltigen Partikeln aus der Raumluft durch Maßnahmen wie Lüftung.
Abschätzung der Wirksamkeit von Maßnahmen mit Modellen
Im Verlauf der COVID-19-Pandemie hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass das Infektionsrisiko nur dann beherrscht werden kann, wenn eine Kombination verschiedener Maßnahmen umgesetzt wird, bei denen Lücken oder Schwächen bestimmter Einzelmaßnahmen durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden („Schweizer-Käse-Modell“ [
51,
52]). Verantwortliche stehen dabei häufig vor der Herausforderung, entscheiden zu müssen, welche infektionsmindernden Maßnahmen in einer konkreten Situation angemessen und wirksam einzusetzen sind. Hieraus ist ein Bedarf nach leicht anwendbaren Prognosemodellen entstanden, welche die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung des SARS-CoV‑2 durch Aerosole in konkreten Szenarien abschätzen.
Mathematische Modelle zur Simulation der Ausbreitung von Viruspartikeln in Innenräumen und einer anschließenden Infektion sind seit 2020 für SARS-CoV‑2 entwickelt worden bzw. werden laufend weiterentwickelt [
53‐
58]. Viele der Modelle sind inzwischen online nutzbar. Den Modellen ist gemein, dass sie die für eine luftübertragene Infektion wichtigen Prozesse beschreiben, wofür in der Regel auch immer starke Vereinfachungen vorgenommen bzw. Annahmen getroffen werden müssen. Zu den Prozessen und Annahmen gehören:
-
das Ausatmen virushaltiger Partikel durch eine oder mehrere infektiöse Personen beim ruhigen Atmen, Sprechen, Singen oder bei körperlichen Aktivitäten (Sport);
-
die Ausbreitung bzw. Verteilung dieser virushaltigen Partikel im begrenzten Raumvolumen;
-
eventuelle Minderungen der Raumluftkonzentration infektiöser Partikel durch Lüftung, Lüftungstechnik, Luftreinigung (fest installiert bzw. mobil), aber auch natürliche Deposition (Absetzen auf Oberflächen) bzw. die allmähliche natürliche Inaktivierung der Viren;
-
die Bestimmung der über die Atmung aufgenommenen Menge an Viren bei nicht infizierten Personen;
-
die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, dass Personen durch diese aufgenommene Menge an Viren infiziert werden und somit zu Überträgern werden können.
Bei der konkreten Anwendung der Modelle sind zentrale Eingangsparameter durch Nutzerinnen und Nutzer wählbar bzw. werden im Modellansatz vorgeschlagen. Dies betrifft die geplante Anzahl der Personen, ihre Aktivität, Aufenthaltsdauer im Raum, das Raumvolumen und die Art und Qualität der Lüftung, in der Regel ausgedrückt durch die Luftwechselrate. Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB), medizinischen Masken oder Schutzmasken nach Arbeitsschutzstandards (FFP2) wird in den meisten Modellen durch einen Faktor berücksichtigt. Die Berechnung einer absoluten Infektionswahrscheinlichkeit für ein gewähltes Szenario (Schulstunde, Besprechung, Sportunterricht etc.) erfordert eine Annahme für die nur mit Unsicherheiten bekannte Infektionsdosis (engl.: „quanta“). Das Modell der RWTH Aachen [
59] beschränkt sich darauf, eine relative Infektionswahrscheinlichkeit im Vergleich zu einem Referenzszenario anzugeben, bei dem Infektionen als sehr unwahrscheinlich angenommen werden. Dies ist im konkreten Fall eine Raumbelegung mit 25 Personen und einer sprechenden Person sowie ein Raumvolumen von 200 m
3, eine Aufenthaltsdauer von 1 h und einer maschinellen Luftwechselzahl von 4,4 h
−1 [
55]. Eines der Modelle berücksichtigt die Verfügbarkeit einer CO
2-Messung im Innenraum bei der Risikobewertung [
58].
Anwenderinnen und Anwender müssen sich klar machen, dass alle veröffentlichten Modelle weitreichende und teilweise stark vereinfachende Annahmen bezüglich der ablaufenden Prozesse treffen müssen und die absolute Wahrscheinlichkeit, sich in einem bestimmten Szenario mit SARS-CoV‑2 über Aerosole zu infizieren, nur mit beträchtlichen Unsicherheiten zu prognostizieren ist. Starke Unsicherheiten bestehen bezüglich der Annahme zur Infektionsdosis, welche bei Varianten des Virus variieren wird, aber z. B. auch zur (instantanen) Ausbreitung der Partikel im Raum.
Modellergebnisse können Aspekte zur Risikoabwägung beitragen, wenn beispielsweise Prioritäten bei der Nutzung von Räumlichkeiten gesetzt werden müssen, eignen sich aber nicht als alleinige Begründung für den vermeintlich sicheren Aufenthalt in Räumen. Für die Dauer der COVID-19-Pandemie sollten Zusammenkünfte von Menschen in Innenräumen daher auch weiterhin an erster Stelle auf ihre Notwendigkeit geprüft werden.
Diskussion und Ausblick
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels gelten laut der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC; [
26]) trotz wissenschaftlicher Wissenslücken 3 wesentliche Grundannahmen der Übertragung des SARS-CoV‑2 als gesichert:
1.
SARS-CoV‑2 wird durch die Exposition gegenüber respiratorischen Flüssigkeiten übertragen. Diese können in Form unterschiedlich großer Tröpfchen bzw. Aerosolpartikel verbreitet werden und zur Infektion führen.
2.
Das Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion variiert in Abhängigkeit der Anzahl von Viruspartikeln, denen eine Person ausgesetzt ist. Das Infektionsrisiko nimmt mit zunehmender Entfernung von der Quelle und zunehmender Zeit nach dem Ausatmen ab. Daher sind die Präventionsmaßnahmen der zeitlichen Begrenzung des Aufenthalts in Schulräumen sowie die Einhaltung von Mindestabständen (> 1,5 m) sehr effizient.
3.
Die Übertragung von SARS-CoV‑2 durch eine Inhalation des Virus über die Luft kann auch dann erfolgen, wenn sich die Quelle räumlich oder zeitlich nicht im direkten Umfeld der exponierten Person befindet, da sich infektiöse Aerosole in Innenräumen anreichern und längere Zeit verbleiben können, wenn im Raum kein genügender Luftaustausch stattfindet.
Wir erkennen infolge der SARS-CoV-2-Pandemie zwei Herausforderungen bezüglich des Infektionsschutzes mit unterschiedlichen Zeithorizonten: Zum einen geht es darum, an Schulen rasch und kurzfristig eine Situation zu erzeugen, mit der das Infektionsrisiko durch die Aerosolübertragung deutlich reduziert wird, sodass Ausbrüche von SARS-CoV‑2 an Schulen vermieden werden. Dies ist ein dringliches Problem, da Kinder und Jugendliche zum jetzigen Stand (Oktober 2021) oft noch nicht geimpft sind und somit eine ungeschützte Population darstellen. Hierfür kommen kurzfristig realisierbare Maßnahmen infrage wie eine Erhöhung des Luftwechsels bei existierenden RLT-Anlagen, eine Intensivierung der Fensterlüftung in den Klassenräumen, der Einbau von Zu- und Abluftanlagen. Mobile Luftreinigungsgeräte stellen in Zeiten der Krise eine Möglichkeit dar, einen zusätzlichen Schutzeffekt zu erzielen.
Zum zweiten hat die Pandemie die seit Längerem bekannten, aber nur ungenügend wahrgenommenen Defizite bei der Lüftung von Schulräumen in Deutschland [
31] offengelegt. Diese strukturellen Schwächen können nur langfristig durch bauliche Maßnahmen behoben werden. Dort, wo über die freie Lüftung (Fenster) kein ausreichender Luftaustausch stattfinden kann, ist die Installation von RLT- oder Lüftungsanlagen sinnvoll, bestenfalls mit Wärme- und Feuchterückgewinnung. Diese Anlagen werden bezüglich ihrer Planung und Umsetzung Zeit erfordern, lassen jedoch neben der förderlichen Verbesserung der Innenraumluftqualität im Allgemeinen auch einen Nutzen beim saisonalen Infektionsgeschehen oder bei künftigen Pandemien erwarten. Im Vergleich zur Fensterlüftung vermeiden RLT-Anlagen Behaglichkeits- und Umsetzungsprobleme bei extrem niedrigen oder hohen Außentemperaturen. Die Wärmerückgewinnung trägt zur Kostenreduzierung der Gebäudeheizung bei.
Ungeachtet der offenen Fragen zu Infektiosität und Übertragungsmodalitäten von SARS-CoV‑2 wird der Lüftung in Innenräumen auch zukünftig eine zentrale Bedeutung zukommen [
60]. Dies gilt auch im Angesicht möglicher zukünftiger Virusvarianten, welche ein deutlich höheres Übertragungsrisiko aufweisen können. Der Austausch von Raumluft gegen Außenluft wird in Innenräumen, die von vielen Menschen gleichzeitig benutzt werden, auch zukünftig eine zentrale Rolle spielen, da es gilt, neben infektiösen Viren auch verbrauchte Luft (CO
2) aus Räumen abzutransportieren.
Infektionen der Atemwege sind generell im Winter häufig und äußern sich üblicherweise in Form einer Erkältungskrankheit. Sehr häufig sind Rhinoviren für solche meist harmlosen Erkrankungen verantwortlich, aber auch viele andere Viren (und auch Bakterien und Schimmelpilzsporen) können in schlecht gelüfteten Räumen übertragen werden bzw. infektiös wirken [
61]. Trockene, kalte Luft begünstigt die Stabilität und damit auch die Infektiosität vieler Viren und aller Wahrscheinlichkeit nach auch des SARS-CoV‑2 [
62]. Insbesondere Innenraumluft mit niedriger Luftfeuchtigkeit kann im Hinblick auf SARS-CoV-2-Übertragungen problematisch sein [
63]. Gleichzeitig führt im Winter die Auskühlung der oberen Atemwege zu einer höheren Empfänglichkeit für Infektionen, weil die Kälteeinwirkung, besonders in Kombination mit einer Austrocknung der Schleimhäute, zu einer reduzierten Abwehr infektiöser Partikel führt [
62,
64]. Dennoch kommt die Studie von Aganovic et al. (2021) zu dem Schluss, dass Befeuchtungsmaßnahmen im Innenraum (von 40 % nach 60 %) keinen bedeutsamen Effekt auf die Infektionswahrscheinlichkeit ausüben [
65], sondern dass der Lüftung eine Schlüsselrolle zur Reduzierung der Viruskonzentration zukommt. Weltweite epidemiologische Beobachtungen legen zwar mehr Ausbrüche bei feuchtwarmen Klimaten nahe [
66], doch bezieht sich dies auf relative Feuchten oberhalb 80 %, die im Innenraum kaum auftreten.
Auch nach Überwindung der SARS-CoV-2-Pandemie können die erlernten Maßnahmen für die Innenraumluftqualität in Schulen dazu beitragen, andere aerosolübertragene Viruserkrankungen zu vermindern. Das Ausbleiben einer Grippewelle im Winter 2020/2021 deutet bereits darauf hin, dass die Präventionsmaßnahmen auch bei anderen Infektionskrankheiten eine Wirkung erzielen: Trotz COVID-19 lag die Prävalenz akuter Erkrankungen der Atemwege während des harten Lockdowns in Deutschland (Ende 2020 bis Ende Februar 2021) auf einem bislang nie dagewesenen niedrigen Niveau [
67]. Auch international wurde über eine ungewöhnlich niedrige Influenzaaktivität berichtet, die deutlich unter den Ergebnissen der Vorjahre liegt [
68].
Dieser Artikel reflektiert den Stand des Wissens und die Lage der Pandemie im Oktober 2021. Die zukünftige Entwicklung wird auch zeigen, ob aufgrund des Auftretens neuer und evtl. leichter übertragbarer Virusvarianten von SARS-CoV‑2 eine Neubewertung der Lüftungs- und/oder Luftreinigungsmaßnahmen erforderlich sein wird. Dies betrifft des Weiteren auch die Aspekte des Abstands zwischen Menschen in Innenräumen, das Tragen von Masken, allgemeine Hygieneempfehlungen, die Verwendung von Desinfektionsmitteln und letztlich auch die Gestaltung und Nutzungsart von Innenräumen. Möglicherweise könnte SARS-CoV‑2 auch die architektonische Gestaltung und Nutzung von Schulneubauten beeinflussen. In jedem Fall werden zukünftig Fragen der Belüftung, aber auch der Größe und Deckenhöhe von Räumlichkeiten mehr als in den vergangenen Jahrzehnten eine Rolle spielen, denn eine ausreichende Lüftung an Schulen ist ein Schlüssel dazu, die Gesundheit und die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern bestmöglich zu erhalten und zu fördern.
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