Lernziele
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der Ätiologie und Epidemiologie des Krankheitsbildes,
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der Diagnose und den Differenzialdiagnosen,
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der evidenzbasierten Psychotherapie und
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der evidenzbasierten Pharmakotherapie bei selektivem Mutismus.
Hintergrund
Klinik, Diagnosestellung, Differenzialdiagnose und Komorbidität
Klinisches Bild und Diagnostik
Differenzialdiagnose und Komorbidität
Ätiologie
Verlauf
Behandlung
Verhaltenstherapeutische Behandlung
Pharmakotherapie
Autoren | Behandlungsansatz/Interventionen | Setting | Stichprobe | Ergebnisse |
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Lang et al. [29] | Verhaltenstherapie
Kognitive Umstrukturierung, Kontingenzmanagement, hierarchische Reizkonfrontation, Modellernen, „fading“, „shaping“, Eltern-Skills-Training, Eltern-Lehrer-Kommunikation
| Klinik | n = 24 Alter: 3–12 Jahre Geschlecht: nicht angegeben | 2-Jahres-Follow-up: Probanden beurteilten Verbesserung, 84 % erfüllten nicht mehr die DSM-IV-Kriterien für selektiven Mutismus |
Mayworm et al. [30] | Verhaltenstherapie
Kontingenzmanagement, „fading“, „shaping“, hierarchische Reizkonfrontation
| Schule | n = 1 Alter: 6 Jahre Geschlecht: w | Zunahme an verbaler Antwortrate und Gesprächseinleitungen |
Verhaltenstherapie, systemische Einbindung Kontingenzmanagement, defokussierte Kommunikation, Zielsetzung, „fading“, „shaping“, Psychoedukation, Eltern‑/Lehrer-Skills-Training | Zu Hause, Schule | n = 24 Alter: 3–9 Jahre Geschlecht: 16 w, 8 m | Signifikante Interventionseffekte bez. der Sprachproduktion 1-Jahres-Follow-up: kein signifikanter Rückgang der Effekte; signifikante Erhöhungen der Scores im Selective Mutism Questionnaire and School Speech Questionnaire | |
Conn und Coyne [33] | Verhaltenstherapie
Kontingenzmanagement, „fading“, „shaping“, hierarchische Reizkonfrontation, soziales Skills-Training
| Schule | n = 1 Alter: 3 Jahre Geschlecht: m | Nach der Behandlung waren z. B. Entwicklungsprobleme und somatische Beschwerden nur noch subklinisch vorhanden (Mütter‑/Lehrerbewertungen) |
Howe und Barnett [34] | Verhaltenstherapie
Kontingenzmanagement, „promting“, „fading“, „shaping“, Beratung
| Schule | n = 1 Alter: 4 Jahre Geschlecht: m | Zunahme sozialer Interaktionen, Phrasen und Initiierung von Gesprächen mit Lehrern und Peers |
Bergman et al. [35] | Verhaltenstherapie, systemische Einbindung
Kontingenzmanagement, Zielsetzung, hierarchische Reizkonfrontation, Eltern-Skills-Training
| Klinik | n = 21 Alter: 4–8 Jahre Geschlecht: nicht angegeben | Verbesserungen der Verbalisierungen anhand Eltern- und Lehrerberichte |
Mitchell und Kratochwill [36] | Verhaltenstherapie
Kontingenzmanagement, hierarchische Reizkonfrontation, „prompting“, „fading“, „shaping“, Beratung
| Klinik, zu Hause, Schule | n = 4 Alter: 5–7, 10 Jahre Geschlecht: 2 w, 2 m | Signifikante Zunahme an gesprochenen Wörtern im Vergleich zur Baseline; Angst (Child Behavior Checklist, Teacher Report Form) änderte sich nicht |
Oerbeck et al. [37] | Verhaltenstherapie, systemische Einbindung Kontingenzmanagement, defokussierte Kommunikation, Zielsetzung, „prompting“, „fading“, „shaping“, Psychoedukation, Eltern‑/Lehrer-Skills-Training | Zu Hause, Schule | n = 7 Alter: 3–5 Jahre Geschlecht: 5 w, 2 m | Erhöhter Wortgebrauch nach Interventionen; Stabilität nach 3 und 6 Monaten nachgewiesen |
Ooi et al. [38] | Verhaltenstherapie, Psychopharmakotherapie
Kognitive Umstrukturierung, soziales Skills-Training, SSRI
| Zu Hause | n = 5 Alter: 6, 8–11 Jahre Geschlecht: 4 w, 1 m | 4 von 5 Kinder zeigten Verbesserungen in der Häufigkeit der Sprache während der Therapie, zu Hause, in der Schule und in sozialen Situationen |
Plener et al. [39] | Verhaltenstherapie, Psychopharmakotherapie
Kontingenzmanagement, hierarchische Reizkonfrontation, SSRI
| Klinik | n = 1 Alter: 7 Jahre Geschlecht: w | Proband begann mit mehr Einzelpersonen zu sprechen; Verringerung der Symptomatik |
Reuther et al. [40] | Verhaltenstherapie, Systemische Einbindung
Kognitive Umstrukturierung, Kontingenzmanagement, hierarchische Reizkonfrontation, „shaping“, soziales Skills-Training, Psychoedukation
| Klinik | n = 1 Alter: 8 Jahre Geschlecht: m | Auswertungen (Child Behavior Checklist, Teacher Report Form und Multidimensional Anxiety Scale for Children) waren ab Sitzung 11 unauffällig; Bewertung der Angsthierarchie wurde über Sitzungen verringert; Behandlungserfolge wurden 6 Monate nach Behandlung beibehalten |
Lang et al. [41] | Verhaltenstherapie
Kontingenzmanagement, Modellernen, Rollenspiele
| Soziale Situationen | n = 1 Alter: 9 Jahre Geschlecht: w | Zunahme verbaler Reaktionen und mündlicher Nachahmung; Verringerung von Kommunikationsausfällen |
Sanetti und Luiselli [42] | Verhaltenstherapie, systemische Einbindung
Kontingenzmanagement, hierarchische Reizkonfrontation, „fading“, „shaping“, Zielsetzung, Elterngespräche
| Schule | n = 1 Alter: 8 Jahre Geschlecht: w | Zunahme der verbalen Kommunikation und Häufigkeit der Verbalisationen |
Vecchio und Kearney [43] | Verhaltenstherapie
Behandlung A: hierarchische Reizkonfrontation, Modellernen, „prompting“, „shaping“
Behandlung B: Kontingenzmanagement
| Klinik, Schule | n = 9 Alter: 4–9 Jahre Geschlecht: w | Zunahme der täglich gesprochenen Worte, Verbesserung der Child Behavior Checklist und Teacher Report Form und nach 3‑Monats-Follow-up weiter stabil Signifikant höherer Redeanteil während der Behandlung A (Kinder‑, Eltern- und Lehrerberichte) |
Beare et al. [44] | Verhaltenstherapie
Kontingenzmanagement, „prompting“, „fading“
| Schule | n = 1 Alter: 12 Jahre Geschlecht: m | Zunahme der verbalen Antworten und gesprochenen Worte |
Sharkey et al. [45] | Verhaltenstherapie, systemische Einbindung
Kognitive Umstrukturierung, Kontingenzmanagement, defokussierte Kommunikation, hierarchische Reizkonfrontation, „shaping“, Skills-Training, Psychoedukation (Eltern)
| Klinik | n = 5 Alter: 5–8 Jahre Geschlecht: w | Signifikante Zunahme an verbaler und nonverbaler Kommunikation, mündlicher Nachahmung und selbstbewusstem Sprechen |
Manassis und Tannock [46] | Psychopharmakotherapie SSRI oder andere Therapieformen (Psychotherapie, Sprachtherapie) | Praxis, Klinik, zu Hause | n = 17 Durchschnittsalter: 7,83 Jahre Geschlecht: 12 w, 5 m | Erste Hinweise auf Verbesserung der Symptomatik; keine signifikanten Unterschiede zu anderen Therapieformen |
O’Reilly et al. [47] | Verhaltenstherapie
Kontingenzmanagement, „prompting“, „priming“, Modelllernen, Rollenspiele, soziales Skills-Training
| Schule | n = 2 Alter: 5, 7 Jahre Geschlecht: w | Signifikante Veränderungen des hörbaren Vokalisierungsniveaus, die bei einem 3‑Monats-Follow-up beibehalten wurden |
Kern et al. [48] | Verhaltenstherapie
Kontingenzmanagement, „prompting“, „priming“
| Schule | n = 2 Alter: 11, 13 Jahre Geschlecht: m, w | Signifikante Zunahme an vokaler Antwortrate |
Jackson et al. [49] | Verhaltenstherapie, psychodynamische Therapie, systemische Einbindung
Kognitive Umstrukturierung, Kontingenzmanagement, Zielsetzung, hierarchische Reizkonfrontation, Spieltherapie, Beratung
| Klinik | n = 1 Alter: 6 Jahre Geschlecht: m | Signifikante Zunahme im vokalen und verbalen Verhalten |
Weitere Ansätze aus dem deutschsprachigen Raum
Fazit für die Praxis
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Die Entstehung von selektivem Mutismus ist multifaktoriell und aktuelle Modelle sehen genetische, psychologische und sprachassoziierte Faktoren.
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Eine gute Diagnostik ist essenziell und setzt sich aus ärztlichen, psychologischen und logopädischen Befunden zusammen. Ebenfalls kommt der Fremdbeurteilung durch Bezugspersonen eine wichtige Rolle zu.
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Die Behandlung von selektivem Mutismus ist in der Regel multiprofessionell und orientiert sich an psychologischen, psychiatrischen, organischen und sprachlichen Ressourcen bzw. Beeinträchtigungen. Die am häufigsten beschriebene und angewendete (psychotherapeutische) Behandlungsform stellt die kognitive Verhaltenstherapie dar. Medikamentös gibt es Hinweise für eine Wirksamkeit von Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotoninrückaufnahmeinhibitoren.
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Für differenziertere und belastbare Behandlungsempfehlungen müssen randomisierte kontrollierte Studien mit ausreichend großen Stichproben durchgeführt werden.