Erschienen in:
01.06.2015 | Leitthema
Sterberisiken von Migranten
Analysen zum Healthy-Migrant-Effekt nach dem Zensus 2011
verfasst von:
Dr. Martin Kohls
Erschienen in:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
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Ausgabe 6/2015
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Zusammenfassung
Migrantinnen und Migranten stellen mit fast 16 Mio. Menschen einen bedeutenden Anteil der Bevölkerung in Deutschland. Aufgrund unzureichender Datengrundlagen liegen keine umfassenden Erkenntnisse zu den Sterberisiken dieser Gruppe vor. So zeigten vor allem die Daten der amtlichen Statistik hier erhebliche Schwächen, weil die Bestandszahlen bei der ausländischen Personengesamtheit aufgrund nicht erfasster Remigrationsfälle fehlgeschätzt waren. Im Zuge des Zensus 2011 wurden diese Zahlen nun vor allem bei älteren Migrantinnen und Migranten deutlich nach unten korrigiert. Entsprechend erscheinen verlässliche Schätzungen der Sterberisiken und des Healthy-Migrant-Effekts wieder möglich. Es zeigte sich, dass die Sterberisiken ausländischer Frauen und Männer zwischen 2010 und 2013 infolge der Zensuskorrekturen teilweise deutlich gestiegen sind, jedoch im Erwachsenen- und Rentenalter noch deutlich unter den Sterberisiken gleichaltriger deutscher Personen liegen. Die geringeren Sterberisiken deuten auf einen Healthy-Migrant-Effekt hin, der vor allem in der Zeit kurz nach der Zuwanderung besonders wirksam gewesen sein dürfte. Analysen auf Grundlage der weitgehend unverzerrten Daten der gesetzlichen Rentenversicherung zeigen dagegen höhere Sterberisiken bei den Zuwanderern im Alter von 65 bis 84 Jahren. In dieser Gruppe sind vermutlich überproportional viele Personen zu finden, die im Rahmen der Gastarbeiteranwerbung mit Zuwanderungsjahren in den 1950er- bis 1970er-Jahren nach Deutschland kamen und dauerhaft belastende Beschäftigungen ausübten. Deren Sterberisiken nahmen folglich längerfristig zu. Insgesamt gesehen können aber auch vor dem Hintergrund der Zensuskorrekturen diesbezügliche Verzerrungen bei der ausländischen Population nicht ausgeschlossen werden. Diese dürften zudem mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Zensuszeitpunkt wieder deutlich ansteigen.